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Grüne Schweiz: eine Partei mit globaler Vision

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Kai Reusser / swissinfo.ch

Wie die Auslandschweizer:innen denkt auch die Grüne Schweiz global. Deshalb setzt sie sich auch für gute Beziehungen zur Europäischen Union ein. Ein Gespräch mit der Generalsekretärin Rahel Estermann.

Bisher hatten die Grünen Schweiz keine internationale Sektion. Aber im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen im Herbst hat die Partei beschlossen, eine solche zu gründen, sagt Rahel Estermann, Generalsekretärin der Partei

Die Grünen fühlen sich der Schweizer Diaspora im Ausland verbunden. Mehrere Parteimitglieder leben im Ausland, insbesondere in den Grenzregionen. Im Kanton Genf wird bei den Wahlen vom 22. Oktober eine Liste von Grenzgänger:innen antreten.

Die Partei empfiehlt ihren kantonalen Sektionen, offen zu sein und Auslandschweizer:innen die Kandidatur auf ihren Listen vorzuschlagen.

  • Grüne Schweiz (zuvor: Grüne Partei der Schweiz)
  • Gründungsjahr: 1983 (Als nationale Partei wurde die Grüne Partei der Schweiz 1983 gegründet. Schon seit Anfang der 1970er Jahre waren aber ökologisch orientierte Parteien und Wahlgruppierungen in verschiedenen Kantonen aktiv.)
  • Fusionen: Unter dem Dach der Schweizer Grünen haben sich im Laufe der Zeit immer wieder unterschiedliche kantonale Parteien zusammengefunden. Etwa die Grüne Freie Liste aus dem Kanton Bern, die BastA! aus Basel-Stadt und die Alternativen aus dem Kanton Zug.
  • Präsident: Balthasar Glättli (Nationalrat aus Zürich)
  • Mitgliederzahl: ca. 13’000 (Stand 2022)
  • Sitzanteil in der Bundesversammlung:
    •  30 Sitze im Nationalrat (15%)
    • 5 Sitze im Ständerat (10,8%)
  • Frauenanteil in der Bundesversammlung: 75%
  • Politische Positionierung, 3 Kernanliegen:
    • Für eine gesunde Umwelt und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, insbesondere des Klimas.
    • Für eine Schweizer Aussenpolitik, die sich aktiv und konsequent um die Förderung des Friedens und der Menschenrechte bemüht.
    • Für eine Gleichstellung der Geschlechter und Geschlechtsidentitäten und den Kampf gegen jegliche Diskriminierungen. (SRF)

Eine direkte Vertretung der Diaspora im Parlament gehört jedoch nicht zu ihren Prioritäten.

Laut Rahel Estermann bemühen sich die GrünenExterner Link, für die Auslandschweizer:innen zugänglich zu sein: “Wir haben eine Online-Konsultation zu unserem Wahlprogramm lanciert, an der sich alle beteiligen konnten, auch die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer”. 

Eine globale Vision

“Unsere Partei hat eine umfassendere Sicht auf das Leben als andere. Das ist eine Stärke, die wir mit der Schweizer Diaspora teilen”, betont die Generalsekretärin. Das Klima, das nach wie vor ihr Hauptanliegen sei, sei eine globale Herausforderung, für die auch auf globaler Ebene Lösungen gefunden werden müssen.

Rahel Estermann ist der Ansicht, dass es heute Themen gibt, die nicht mehr in nationalen Grenzen gedacht werden können. Dazu gehöre auch die Frage der Staatsbürgerschaft.

So “sehen wir kein Problem darin, dass Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer ihr Bürgerrecht über die dritte Generation hinaus weitergeben können”.

Smartspider der Grünen Schweiz
Von den 5900 Kandidatinnen und Kandidaten für den Nationalrat haben rund 1100 einen von swissinfo.ch und smartvote ausgearbeiteten Fragebogen mit elf spezifischen Fragen zur Fünften Schweiz beantwortet. Der “smartspider” zeigt die politischen Positionen jeder Partei zu sechs Themen, welche die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer beschäftigen. Smartvote.ch

Verbesserung der Beziehungen Schweiz-EU

Neben Umweltfragen gehören “die Beziehungen zur EU zu unseren Prioritäten”. Rund 60% der 800’000 Auslandschweizer:innen leben in einem EU-Land.

Die Grünen haben zusammen mit dem Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) die Bewegung “Operation Libero” bei der Lancierung der “Europa-Initiative” unterstützt.

Diese will im Wesentlichen die europäische Integration in der Verfassung verankern und fordert den Bundesrat auf, die institutionellen Fragen so zu regeln, dass der europäische Weg gestärkt wird.

Für Rahel Estermann ist die Erosion der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU zwar zu langsam, um sich auf den Alltag in der Schweiz auszuwirken, aber dennoch gefährlich, weil sie zu Problemen bei den Forschungsprogrammen führe, insbesondere auf universitärer Ebene.

“Langfristig könnten auch die Auswirkungen auf die Personenfreizügigkeit erheblich sein, was die Hunderttausenden von Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern in der EU direkt betreffen würde.”

Die Partei setzt sich auch für die Einführung der elektronischen Identität ein, die der Schweizer Diaspora den Zugang zu staatlichen Dienstleistungen erleichtern würde.

E-Voting darf kein Geschäft sein

Bei den elektronischen Dienstleistungen sind sich die Grünen bewusst, dass E-Voting für die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer ein Thema ist. “Für uns ist es aber auch wichtig, dass die Frage staatlich geregelt wird. Wir sind nicht damit einverstanden, dass die Post am E-Voting verdient”, sagt Rahel Estermann.

Sie befürchtet, dass die Öffentlichkeit das Vertrauen in die Ergebnisse verlieren könnte, wenn die entwickelte Lösung nicht 100% staatlich und sicher ist, und dass “dies zu Situationen wie in den USA führen könnte”, wo ein Teil der Bevölkerung die Wahlergebnisse anzweifelt.

Die Partei spricht sich deshalb dafür aus, das E-Voting in Testphasen für jene Gruppen einzuführen, die es am nötigsten haben, “wie Auslandschweizer:innen und Menschen mit Behinderungen”.

Stärkung der Demokratie

Die Grünen sind auch der Ansicht, dass eine Demokratie umso stärker ist, je mehr Stimmbürger:innen sich an Abstimmungen beteiligen. Deshalb sollen auch Schweizer:innen, die dauerhaft im Ausland leben, ihr Stimmrecht weiterhin ausüben können.

Die Partei setzt sich auch für das Stimmrechtsalter mit 16 Jahren ein und unterstützt die Initiative zur Erleichterung der Einbürgerung. “Wir sind der Meinung, dass dies die Demokratie weiter stärken wird”.

Rahel Estermann ergänzt: “Die Basis der Demokratie ist der Zugang zu unabhängigen Informationen.” Aus diesem Grund befürwortet die Partei, dass der Bund Medien unterstützt, die sich insbesondere an Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer richten.

Ebenso befürwortet sie Netzwerke im Ausland zur Förderung der Schweizer Kultur und des Schweizer Unternehmertums wie swissnex oder die Schweizerschulen im Ausland, “sofern sie nicht von privaten Unternehmen mit anderen Interessen gesponsert werden”.

Keine Verpflichtung für die Banken

Die Grünen sind sich der Schwierigkeiten der Auslandschweizer:innen im Zusammenhang mit Bankkonten bewusst. “Aber es ist unmöglich, diese privaten Institute zu verpflichten, der Diaspora die gleichen Dienstleistungen anzubieten wie den Schweizer:innen im Inland”, so die Generalsekretärin.

Was die Problematik der Sozialversicherungen betrifft, wäre die Partei “eher dafür”, dass Auslandschweizer:innen ihre Krankenversicherung in der Schweiz behalten könnten, wenn sie das Land beispielsweise für eine befristete Zeit verlassen. “Das müsste aber im Detail geprüft werden”, schränkt Estermann ein.

+Klimaschutzgesetz: Im Juni 2023 hat das Klimaschutzgesetz in der Volksabstimmung eine deutliche Mehrheit gefunden. Die Grünen haben sich für das Gesetz, das als Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative entstanden ist, stark engagiert – sowohl im Parlament wie auch in der Abstimmungskampagne.

+Grüne in Kantonsregierungen: Grüne in Regierungsämtern sind keine Exoten mehr. So haben sich grüne Regierungsrätinnen und Regierungsräte in verschiedenen Kantonen mit ihrer Arbeit profilieren können. Christine Häsler in Bern und Martin Neukom in Zürich wurden beispielsweise problemlos in ihren Ämtern bestätigt; im Kanton Freiburg schaffte Sylvie Bonvin-Sansonnens neu den Sprung in die Regierung. (SRF)


-Gescheiterte Umweltvorlagen: Der 13. Juni 2021 war ein bitterer Tag für die Grünen. Das CO2-Gesetz wurde an der Urne genauso abgelehnt sowie die Pestizid- und die Trinkwasser-Initiative. Bei all diesen gescheiterten Vorlagen ging es um grüne Kernanliegen.

-Gescheiterte Bundesrats-Kandidatur: Nach dem grossen Wahlerfolg im Herbst 2019 haben die Grünen Anspruch auf einen Bundesratssitz angemeldet – und mit der damaligen Parteipräsidentin Regula Rytz eine sehr profilierte Kandidatin aufgestellt. Diese blieb aber in der Bundesversammlung chancenlos. (SRF)

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Wahlkampfthemen und Ziele

Aufbruch fürs Klima: Der Klimaschutz soll in allen Bereichen priorisiert werden, fordern die Grünen. Der Schweizer Finanzplatz soll endlich nachhaltig wirtschaften. Ausserdem brauche es eine konsequente Förderung der erneuerbaren Energien und eine Verkehrspolitik, die auf den Öffentlichen Verkehr und auf Velowege setze.

Förderung der Biodiversität: Die Grünen kämpfen dagegen, dass immer mehr Landschaften zubetoniert werden. Dadurch gingen wertvolle Natur- und Kulturräume verloren. Ausserdem setzen sich die Grünen dafür ein, dass die Landwirtschaft auf synthetische Pestizide verzichtet.

Für eine Gesellschaft ohne Diskriminierung: Alle Menschen sollen sich frei entfalten können – unabhängig von sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität, ethnischer Herkunft oder einer allfälligen Behinderung. Der Kampf für marginalisierte Gruppen gehört zur DNA der Grünen. (SRF)

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Ausgangslage und Aussichten

Die Grünen stehen derzeit im Gegenwind. Umfragen prophezeien den Grünen Stimmenverluste, bei verschiedenen kantonalen Wahlen in der letzten Zeit mussten sie bereits Sitze abgeben.

Obwohl Umwelt- und Klimathemen in der öffentlichen Debatte nach wie vor wichtig sind, hat das Problem der Klimaerwärmung für viele Menschen nicht mehr die Top-Priorität wie 2019.

Unter diesen Voraussetzungen ist es für die Grünen schwierig, nochmal ein Ergebnis wie vor vier Jahren zu erzielen (Wähler:innenanteil 13,2%). Offen bleibt, ob es den Grünen gelingt, die befürchteten Verluste etwas abzufedern – indem sie nach einem trocknen und heissen Sommer wieder mit ihrer Klimapolitik punkten können. (SRF)

Mitarbeit SRF: Elmar Plozza

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