Preisinflation bei Lebensmitteln: Warum die Schweiz resistenter ist
Die Schweiz mag zwar eine Hochpreisinsel sein, gegen die weltweit steigenden Lebensmittelpreise jedoch war sie zulezt weitgehend immun. Wie kann das sein?
Der Krieg in der Ukraine beeinträchtigt seit seinem Ausbruch die weltweite Versorgung mit Weizen, was sich auf die Preise von Grundnahrungsmitteln auswirkt, zum Beispiel den Preis von Pasta. In Italien, dem Pasta-Land schlechthin, betrug der jährliche Preisanstieg dieses Produktsegments laut Eurostat im Jahr 2022 17,2 %.
Im Vergleich dazu mussten die Schweizer Konsument:innen im selben Jahr nur 11,2 % mehr für Spaghetti und Co. bezahlen. Insgesamt hat die Schweiz die weltweite Lebensmittelpreiskrise recht gut überstanden. Dies ist umso erstaunlicher, als das kleine Land etwa die Hälfte aller verzehrten Kalorien importieren muss.
Warum also ist die Schweiz von der Lebensmittelpreisinflation relativ verschont geblieben?
Die Kostenstruktur
Ein wichtiger Grund dafür sind paradoxerweise die Schweizer Preise. Die im internationalen Vergleich hohen Lohn- und Logistikkosten wirken als Puffer gegen die globalen Preisschwankungen der Lebensmittel. Das bedeutet, dass die Inflationsanfälligkeit im Vergleich zum Gesamtpreis relativ gering ist.
«Wenn ein erheblicher Teil des Einzelhandelspreises auf Logistik, Lagerung und Löhne entfällt, sind die Auswirkungen von Preisänderungen bei den Komponenten relativ gesehen geringer als in anderen Ländern», sagt Thomas Schwab vom deutschen Think Tank Bertelsmann Stiftung. «Der Effekt von Preisveränderungen bei den Rohstoffen wird abgeschwächt.»
Hinzu kommt, dass in der Schweiz selbst die Fixkosten der Nahrungsmittelproduktion (wie Maschinen, Gebäude, Land und Arbeit) viel höher sind als die variablen Kosten (wie Dünger, Pestizide und Saatgut). So betrugen beispielsweise die Fixkosten pro Tonne Weizen im Jahr 2017 500 Franken (566 $), während die variablen Kosten 200 Franken betrugen, in Deutschland betrugen die fixen und variablen Kosten jeweils umgerechnet 90 Franken.
Preisregulierung
Ein weiterer Grund für die relative Immunität der Schweiz gegen die Preisinflation bei Lebensmitteln ist, dass die Preise für viele Konsumgüter staatlich reguliert sind. Mehr als ein Viertel der Produkte im Warenkorb, der zur Berechnung der Inflation herangezogen wird, unterliegt einer Preisregulierung.
Dieser Grad der Preiskontrolle ist der höchste in Europa, was bedeutet, dass der Preis vieler Artikel nicht völlig der Gnade von Angebot und Nachfrage ausgeliefert ist.
Dynamische Einfuhrzölle
Darüber hinaus wendet die Schweiz ein dynamisches Einfuhrzollsystem an, das eng an das nationale Produktionsniveau gebunden ist. Dies ist für Agrarimporte von besonderer Bedeutung.
«In Zeiten des Überflusses werden die Zölle hoch angesetzt und dienen als Puffer gegen Schwankungen der Weltmarktpreise. Umgekehrt werden die Zölle bei steigenden Weltmarktpreisen nach unten angepasst», sagt Schwab.
Stabile Energiepreise
Schliesslich wirkt sich auch die Struktur der Energienutzung in der Schweiz auf den Preis der Lebensmittel aus.
«Energie ist ein zentraler Kostenfaktor bei der Produktion und beim Vertrieb von landwirtschaftlichen Gütern. Vom Anbau über die Verarbeitung bis zum Transport spielt Energie eine entscheidende Rolle», sagt Schwab.
Der direkte Anteil der Schweizer Landwirtschaft am Energieverbrauch lag im Jahr 2020 bei 0,6%, während der OECD-Durchschnitt bei 2% liegt. Die Kosten für diese Energie wurden auch durch die Struktur des Schweizer Energiemarktes gemildert. Die meisten Stromversorger sind integrierte lokale Netzbetreiber, die den gelieferten Strom selbst produzieren oder ihn auf der Grundlage langfristiger Abnahmeverträge günstig einkaufen. Das hält die Energiepreise stabil.
«In der Schweiz tragen die einzigartigen Strukturen des Energiemarktes zu einem moderateren Anstieg der Energiepreise bei. Dies wiederum führt zu niedrigeren Teuerungsraten bei Lebensmitteln», so Thomas Schwab.
Raum für Kosteneinsparungen
Dies bedeutet aber nicht, dass die Schweizer Verbraucher:innen gegen die Preissteigerungen bei Lebensmitteln gänzlich immun sind.
Grundnahrungsmittel wie Nudeln, Milch und Speiseöl sind stärker betroffen als andere Produkte wie Kartoffeln, Fischkonserven oder Beeren.
Vielleicht ist es an der Zeit, den Wocheneinkauf umzustellen.
Dieser Artikel ist Teil unserer Berichterstattung über die Entwicklungen in der Lebensmittelindustrie aus Sicht der Konsument:innen. Trotz ihrer geringen Grösse ist die Schweiz bedeutend im globalen Lebensmittelmarkt. Sie beherbergt Lebensmittel- und Agrargiganten wie Nestlé und Syngenta sowie wichtige Akteure in den Bereichen Schokolade und Milchprodukte.
Das Land positioniert sich auch als Food-Tech-Hub mit vielen Start-ups und einem eigenen Inkubator in Form des Swiss Food and Nutrition Valley im Kanton Waadt.
Die Schweiz ist auch eine europäische Drehscheibe für viele Rohstoffunternehmen, die mit Lebensmitteln wie Soja, Kakao, Kaffee und Palmöl handeln.
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