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Schweiz-EU: Neuer Anlauf, alte Probleme

Der Bundesrat will neue Verhandlungen mit der EU. Doch die bisherigen Probleme sind nicht gelöst.

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Fertig mit dem Geplänkel: Anderthalb Jahre lang haben die Schweiz und die Europäische Union Vorgespräche geführt und dabei sondiert, wie es nach dem gescheiterten Rahmenabkommen weitergehen soll.

Nun sind diese Sondierungen abgeschlossen. Jetzt soll das nächste Kapitel aufgeschlagen werden: neue Verhandlungen mit der EU über die künftige Zusammenarbeit. So hat es der Bundesrat am Mittwoch entschieden.

Für die Landesregierung ist klar: Stabile Beziehungen mit der EU, dem grössten Handelspartner, sind für die Schweiz zentral. Deshalb nimmt der Bundesrat nach Jahren des Stillstandes einen neuen Anlauf. Doch dieser kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die grundlegenden Probleme noch die gleichen sind.

Widerstand von verschiedenen Seiten

Da ist einerseits die innenpolitische Zerstrittenheit und andererseits fehlt eine klare Führung durch den Bundesrat. Innenpolitisch besteht kein Konsens darüber, was denn eine mehrheitsfähige Position der Schweiz gegenüber der Europäischen Union sein könnte. Hingegen gibt es von verschiedener Seite Widerstand gegen ein neues Abkommen mit der EU.

So wehrt sich die Schweizerische Volkspartei SVP gegen einen drohenden Souveränitätsverlust und lehnt deshalb jede Annäherung an die EU ab. Einer der Hauptstreitpunkte ist die Frage, ob der Europäische Gerichtshof künftig über Streitfälle entscheiden soll.

Und auch die Gewerkschaften sind bereits auf die Barrikaden gestiegen, bevor die Verhandlungen überhaupt begonnen haben. Sie befürchten, die Schweizer Löhne könnten unter Druck geraten und zeigen sich beim Lohnschutz kompromisslos.

Bundesrat nimmt keine klare Position ein

Zu den innenpolitischen Differenzen hinzu kommt die abwartende Haltung des Bundesrats in der Europafrage. Die Landesregierung hat vor zwei Jahren einen Rückzieher gemacht und das Rahmenabkommen weder dem Parlament noch dem Volk vorgelegt. Nun nimmt sie einen neuen Anlauf – aber es ist immer noch nicht ganz klar, was der Bundesrat genau will.

Er lässt sondieren und künftig auch wieder verhandeln, bekennt sich aber nicht zu klaren Positionen. Zwar hat die Regierung bereits im Juni Eckwerte für ein Verhandlungsmandat definiert, diese sind aber geheim. Nach Abschluss der Sondierungsphase bleibt also vieles vage.

Ungewisse Erfolgsaussichten

In diesem Vakuum finden die Gegnerinnen und Gegner einer neuen Lösung mit der EU viel Raum – beispielsweise die Gewerkschaften. Sie haben diese Woche erneut vor Zugeständnissen beim Lohnschutz gewarnt und damit bereits eine abwehrende Haltung bezogen.

Auf diese Weise dürfte es für den Bundesrat schwierig werden, den Boden für eine mehrheitsfähige Lösung zu bereiten. Er will das Verhältnis zu Europa auf ein neues Fundament stellen und macht den nächsten Schritt dazu – doch seine Erfolgsaussichten sind ungewiss.

EU-Kommission empfiehlt Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau

Lange ersehnte Nachrichten für die Ukraine und Moldau: Die Europäische Kommission hat am gleichen Tag, am Mittwoch, den 8. November, die Aufnahme der Verhandlungen über einen EU-Beitritt empfohlen. Für Georgien hatte die Kommission ebenfalls positive Nachrichten: Das Land am Kaukasus soll den Kandidatenstatus erhalten.

Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einem “historischen Tag”.

Die Schritte sind symbolisch wichtig und primär eine geopolitische Entscheidung in Anbetracht der russischen Aggression gegen die Ukraine. Mit einer raschen Aufnahme eines dieser Länder rechnet momentan niemand: Der Erweiterungsprozess stockt seit Jahren und wird zu unterschiedlichen Zeiten von unterschiedlichen Ländern torpediert. Die 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union müssen nun den Vorschlägen zustimmen, im Dezember gibt es dazu ein Gipfeltreffen. 

Bosnien und Herzegowina, das ebenfalls auf die Empfehlung für Beitrittsverhandlungen wartet, muss sich noch weiter gedulden, “bis das erforderliche Mass an Erfüllung der Beitrittskriterien erreicht ist”. (gm)

Was denken Schweizer EU-Fans über die Beziehungen zwischen Bern und Brüssel? Wir sind mit ihnen nach Belgien gereist und haben ein paar Stimmen eingefangen:

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