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Die Schweizer Demokratieförderung zieht sich in Bangladesch zurück

Ein Mann schreibt etwas auf einen Bus
Ein Demokratie-Aktivist in Bangladesch während einer Gedenkveranstaltung für die Toten des Aufstandes gegen Sheikh Hasina, am 30. Juli 2024. Ahmed Salahuddin / Nurphoto

Die Demokratie in der Welt fördern – das ist ein Ziel der Schweiz. Gleichzeitig will sie dafür immer weniger Geld in die Hand nehmen. Was das genau bedeutet, veranschaulicht ein Beispiel aus Bangladesch.

Jiyana Madrajee ist Demokratie-Aktivist. Er stammt aus der Region Sylhet im nordöstlichen Bangladesch und wuchs in einer Familie von Teepflückern auf. Als Angehöriger der hinduistischen Telegu gehört Madrajee einer Minderheit im Land an, was jedoch typisch ist für die Teepflückern: Die Plantagen wurden während der britischen Kolonialherrschaft angelegt, die Arbeiter kamen aus anderen Teilen von Britisch-Indien in die Region.

Ein Mann vor einem grünen Hintergrund
Jiyana Madrajee von Youth Forum, einer politischen Graswurzelorganisation aus Bangladesch. Giannis Mavris/SWI swissinfo.ch

Der 26-Jährige ist Mitglied von Youth Forum, einer Graswurzelorganisation seiner Region, die sich seit Ende 2023 dafür einsetzt, dass die abgehängten Plantagenarbeiter:innen ihre politischen Rechte wahrnehmen können. Dies ist auch dank Schweizer Unterstützung möglich, denn das Projekt profitiert von der Schweiz Demokratieförderung. Doch voraussichtlich nicht mehr lange.

Die weltweite Förderung der Demokratie ist in der Schweiz ein verfassungsmässiger Auftrag und Teil der Aussenpolitik. Damit ist sie auch Teil der schweizerischen Entwicklungshilfe.

Aber wie viele europäische Staaten will die Schweiz mehr für die Verteidigung ausgeben – und dafür spart sie Gelder bei der Auslandshilfe. Für Bangladesch hat das weitreichende Folgen: So beschloss die Schweiz die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit dem südasiatischen Land bis Ende 2028 komplett zu streichen. Auch die Demokratieförderung.

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Die Demokratie steht weltweit unter Druck

Ende 2024 lebten knapp drei Viertel der Weltbevölkerung in autoritären Systemen, etwa gleich viel wie 1986. Das schweizerische Aussenministerium EDA spricht von einer «demokratischen Rezession».

Deshalb will sich die Schweiz gemäss ihren neuen Leitlinien «auf die Resilienz etablierter, stagnierender oder rückläufiger Demokratien» konzentrieren.

Nach dem Verständnis vieler Beobachtenden wäre Bangladesch eine solche Demokratie. Im Sommer 2024 wurde nach einem blutigen Aufstand die Regierung der langjährigen Premierministerin Sheikh Hasina gestürzt, die mit zunehmendem Alter autoritärer regierte. Unter ihrer Führung verschlechterte sich der Zustand der Demokratie in Bangladesch. Seit 2024 regiert eine Übergangsregierung unter dem Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus.

Bangladesch würde der Zielsetzung des EDA also entsprechen. Es sieht aber danach aus, dass in dieser kritischen Phase die Demokratieförderung eingestellt wird.

Demokratieniveau 2024
Kai Reusser / SWI swissinfo.ch

Wie sich demokratischer Aktivismus auswirkt

Tee ist eines der wichtigsten landwirtschaftlichen Exportgüter Bangladeschs. Eine halbe Million Menschen arbeiten dafür in den über 160 Teegärten des Landes. Die Teepflücker:innen, von denen über zwei Drittel Frauen sind, erhalten dafür den staatlich festgesetzten Tageslohn von 170 Taka (rund 1,25 Franken). Das ist selbst für Bangladesch, dem ärmsten Land in Asien, sehr wenig.

«Die Menschen in den Teegärten leben wie moderne Sklaven», sagt Madrajee. Plantagenpächter, lokale Politiker:innen und Gewerkschaften würden die Arbeiter:innen unterdrücken, so Madrajee. Das gilt nicht nur hinsichtlich der Entlöhnung und der Arbeitnehmerrechte, sondern auch ihrer politischen Rechte: «Bei den früheren Wahlen mussten die Teepflücker alle gemeinsam abstimmen, natürlich die vom Plantagenpächter vorgegebenen Politiker und Parteien.». Eine scharfe Änderung sah Madrajee nach dem Aufstand letzten Sommer: «Vorher wollten uns die lokalen Autoritäten nicht ernst nehmen. Mittlerweile hören sie uns zu, wenn wir mit ihnen sprechen.»

Momentan ist die politische Landschaft Bangladeschs in Bewegung, zudem spielen demografische Entwicklungen auch eine Rolle: Das Medianalter ist 26 Jahre, der Aufstand von letztem Sommer wurde in erster Linie von Jungen durchgeführt. «Die Jungen sind sehr dynamisch in Bangladesch und zahlenmässig viele. Wir sollten eine treibende Kraft sein in diesem Land», sagt Madrajee.

Das werden sie aber künftig wohl ohne Schweizer Unterstützung machen müssen: Das Youth Forum arbeitet mit der Organisation RupantarExterner Link, die im ganzen Land solche Initiativen unterstützt und von der Schweiz finanziell unterstützt wird. Diese läuft im März 2026 aus. Auf Anfrage bestätigt die Organisation, dass die Weiterführung ohne Schweizer Beteiligung unsicher sei.

Das Schweizer Parlament hat Ende 2024 beschlossen, bei der Entwicklungszusammenarbeit grosse Kürzungen vorzunehmen: So sollen in den nächsten drei Jahren knapp 450 Millionen Franken eingespart werden. Die bilaterale Hilfe an die Ukraine hingegen soll erhöht werden.

Davon ist auch Bangladesch betroffen. Die Kürzungen sehen die Einstellung des Schweizer Engagements in Bangladesch ab 2029 vor. Die Regierung schreibtExterner Link, «Grundlage für diesen Entscheid sind die tatsächlichen Bedürfnisse vor Ort, die langfristigen Interessen der Schweiz (diplomatisch und wirtschaftlich) sowie der Mehrwert der Schweizer IZA gegenüber anderen Ländern».

Die Schweiz ist seit fünf Jahrzehnten in Bangladesch mit Entwicklungsprojekten tätig, in diesem Zeitraum hat sie mehr als eine Milliarde Franken aufgewendet.

Erste Widersprüche zeigen sich

Die künftige Finanzierung des Projekts ist unsicher. Auf Anfrage schreibt das EDA, dass die Demokratieförderung Teil des Transitionsprogramms 2026-28 sein wird: «Die Schweiz wird sich in diesem Rahmen weiterhin für die Stärkung der Demokratie in Bangladesch einsetzen.»

In Bangladesch erwartet man zurzeit die Ankündigung der für 2026 erwarteten Neuwahlen – und es könnte einen neuen Berührungspunkt mit der Schweiz geben. Gemäss EDA ist es möglich, dass sich die Schweiz dann einer Wahlbeobachtungsmission anschliesst.

Editiert von Benjamin von Wyl

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