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Berner Kantonsparlament verschärft Gangart in der Sozialhilfe

Keystone-SDA

Der bernische Grosse Rat hat am Dienstag in erster Lesung das revidierte Sozialhilfegesetz verabschiedet. Gegen den Willen von Rot-grün verschärfte das bürgerlich dominierte Kantonsparlament in manchen Punkten die Gangart in der Sozialhilfe.

(Keystone-SDA) Unter anderem soll neu gelten, dass Personen in der Sozialhilfe künftig eine Amtssprache beherrschen müssen. Hingegen strich das Kantonsparlament einen neuen Artikel zum Vermögensverzicht aus dem Gesetz. Einzig SVP, FDP und EDU wollten daran festhalten.

Mit der Bestimmung hätten Personen sanktioniert werden können, die ihr Vermögen im Vorfeld freiwillig verschenkt haben und dann in der Sozialhilfe landen. Verschenktes Vermögen hätte ihnen als Einnahmen angerechnet werden können.

Erhaltene Sozialhilfe muss künftig auch nicht mehr zurückbezahlt werden, ausser eine betroffene Person kommt plötzlich zu Vermögen.

Das Berner Kantonsparlament befasste sich auch mit Sanktionsmöglichkeiten gegen säumige Gemeinden. Diese sollen bestraft werden können – aber nicht so hoch, wie ursprünglich vorgeschlagen.

Sozialrevisorat gab zu reden

Zu reden gab auch die Fachstelle Sozialrevisorat (Fasr), die der Kanton neu schaffen will – in den Augen der Ratslinken vorwiegend ein Überwachungs- und Sanktionsinstrument. Die Befürwortenden argumentierten hingegen, dass der Kanton fehlbare Gemeinden sanktionieren können müsse.

Bestrebungen der Ratslinken, die Sanktionsmöglichkeiten der Fasr einzuschränken, blieben im Rat denn auch chancenlos. Auch beim Thema Sozialdetektive fruchtete der Widerstand der Ratslinken nicht. Sie wollte die Sozialinspektionen einschränken, unter anderem dadurch, dass es künftig für jede solche Inspektion die Zustimmung der Sozialbehörde braucht.

Grünes Licht für Bezahlkarten

Weiter legte das Parlament die gesetzliche Grundlage zur Einführung von Bezahlkarten in der Asylsozialhilfe. Die Befürworter wollen mit der Karte verhindern, dass Asylsuchende Bargeld aus der Sozialhilfe in ihre Heimatländer verschieben.

Oft würden Asylsuchende gezwungen, Geld an politische oder religiöse Organisationen oder Schlepperbanden zu zahlen. Mit den Karten könne dies unterbunden werden, so die Kartenbefürworter.

Die rot-grüne Ratsminderheit wehrte sich vehement gegen die Bezahlkarte, die Menschen in einer ohnehin schwierigen Lage noch mehr stigmatisiere und diskriminiere.

Selbstbehalt wackelt

Ein heisses Eisen der Revision des Sozialhilfegesetzes wird noch etwas weiter geschmiedet: der Selbstbehalt für die Gemeinden. Der Rat wies die Passage im Sozialhilfegesetz zur Überarbeitung zurück. Das vom Regierungsrat vorgeschlagene Modell sei nicht ausgereift und wenig transparent, so der Tenor.

Das Selbstbehalt-Modell sieht vor, dass Gemeinden – trotz eines grundsätzlich solidarischen Kostenverteilers – einen Teil ihrer Sozialhilfekosten selbst tragen.

Dieser Selbstbehalt soll dann an die Gesamtheit der Gemeinden zurückerstattet werden. Dabei sollen die individuellen Soziallasten einer Gemeinde berücksichtigt werden. Konkret heisst das: Wer sparsamer arbeitet, erhält mehr Geld zurück.

Die Befürworter des neuen Modells erhoffen sich von dem Selbstbehalt einen stärkeren Anreiz für die Gemeinden, die Kosten der Sozialhilfe zu senken.

Im Rat hagelte es am Montag jedoch vor allem Kritik. Der Rat entschied sich schliesslich klar, die entsprechenden Gesetzesartikel zur Überarbeitung bis zur zweiten Lesung an den Regierungsrat zurückzuschicken.

Schliesslich beschloss der Grosse Rat auch Lockerungen zur Beschaffung von Daten in der Sozialhilfe. Umstritten war etwa die Frage, wer gegenüber den Sozialbehörden verpflichtet ist, Personendaten bekannt zu geben.

Eine Ratsminderheit versuchte zu verhindern, dass dies unter anderem auch durch Arbeitgebende, Privatversicherungen, Banken oder Vermietende geschehen kann. Am Ende wurden die Lockerungen im Datenschutz mehrheitlich angenommen.

Der Grosse Rat nahm die Revision des Sozialhilfegesetzes in erster Lesung mit 100 zu 49 Stimmen bei 2 Enthaltungen an.

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