«Ratifizierung wäre ein Stück Wiedergutmachung»

Am Dienstag (05.06.) behandelt das Parlament die Konvention zum Schutz indigener Völker. Deren Ratifizierung würde der Schweizer Menschenrechtspolitik entsprechen. Doch die Regierung hat dies bisher verhindert - mit umstrittenen Argumenten.
Im März 2000 überwies das Parlament eine Motion von Nationalrat Remo Gysin (SP/BS), welche die Ratifizierung der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zum Ziel hatte, als unverbindliches Postulat. Genau dies hatte der Bundesrat, die Regierung, beantragt.
Ein Zeichen setzen
Jetzt will die Aussenpolitische Kommission (APK) auf Anregung von Gysin und Rosmarie Zapfl (CVP/ZH) erreichen, dass die Schweiz das Übereinkommen ratifiziert und damit ein Zeichen setzt. Denn bisher wurde es erst von 13 Staaten ratifiziert.
«Die Rechte der Indigenen finden weltweit zu wenig Beachtung», sagt Gysin. Er würde die Ratifizierung durch die Schweiz als konsequente Fortführung ihrer Menschenrechts- und Aussenpolitik sehen.
Die Konvention will die Gleichberechtigung der rund 5’000 indigenen Völkern der Erde verankern und Grundrechte festlegen, so das Recht auf ein Territorium und dessen Ressourcen, auf eine eigene Lebensweise, Kultur und Sprache.
«Unvereinbar mit bestehendem Recht»
Die Schweiz wäre in einem Punkt von der Konvention betroffen: Gemäss ILO werden die Fahrenden von der Konvention abgedeckt. «Das seco lehnt die Konvention aus juristischen, finanziellen und politischen Gründen ab», sagt der Sprecher des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco), Alan Kocher.
Um der Konvention in der Schweiz Folge zu leisten, müssten laut Kocher kantonale Kompetenzen an den Bund verlagert, Standplätze bestimmt und ausgerüstet und die traditionelle Ausbildung anerkannt werden. «Die Konvention ist mit der bestehenden Rechtsordnung nicht umzusetzen.»
Wiedergutmachung für Vergangenheit
Die Vereinigung der Fahrenden wünscht sich die Ratifizierung, um als Volksgruppe anerkannt zu werden. «Dies wäre ein Stück Wiedergutmachung der Schweiz», sagt Präsident Robert Huber. Im Rahmen der Aktion «Kinder der Landstrasse» waren zwischen 1926 und 1972 über 600 Kinder ihren Eltern weggenommen worden.
Indigene gegen Multinationale
Nach Ansicht der Befürworter der Konvention geht es den Schweizer Behörden nicht nur um die Jenischen, sondern um wirtschaftliche Interessen. «Da wird eine Minderheit ausgespielt gegen 5’000 indigene Völker», betont Gysin.
Hanspeter Bigler von der Gesellschaft für bedrohte Völker präzisiert: «Viele Indigene leben in Gebieten mit Rohstoffvorkommen». Multinationale Firmen, darunter Schweizer Firmen, wollten diese ungestört abbauen und kämen dabei mit den Indigenen ins Gehege. Dem entgegnet Kocher vom seco: «Wir sind nie angegangen worden von Firmen.»
Uneinigkeit in der Verwaltung
Im Gegensatz zum seco ist die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) positiv zur Konvention eingestellt, da sie die Menschenrechte der Indigenen garantieren würde. Eine offizielle Position will sie aber aus innenpolitischen Gründen nicht beziehen.
swissinfo und Corinne Dobler (sda)

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch