CH/Steuerstreit: Frankreich will gestohlene HSBC-Daten an Bern übergeben (2. AF)
(Meldung mit weiteren Einzelheiten ergänzt)
Paris (awp/sda) – Die französische Justiz ist bereit, die bei Hervé Falciani Anfang Jahr sichergestellten HSBC-Kundendaten der Schweiz zu liefern. Dies gab der Generalstaatsanwalt von Aix-en-Provence am Montag bekannt. Bern hatte die Daten im Zuge der Ermittlungen um die Genfer Bank HSBC angefordert.
Die Generalstaatsanwaltschaft habe zusammen mit dem Justizministerium das schweizerische Rechtshilfegesuch geprüft, sagte Generalstaatsanwalt François Faletti zur Nachrichtenagentur AFP. Es gebe darin keine speziellen Elemente, die gegen eine Lieferung der Daten sprechen würden. Die Daten würden also geliefert.
Faletti rief in Erinnerung, dass ein erster Teil des Schweizer Gesuchs Anfang Jahr durch die Hausdurchsuchung vom 20. Januar bei Falciani erfüllt worden sei. Die Ergebnisse der Durchsuchung sowie die Protokolle der Befragungen seien damals den Schweizer Behörden übermittelt worden.
Frankreich werde nun Bern «als Ergänzung die anderen Elemente» aushändigen, also die «beschlagnahmten Daten», sagte Faletti. Die Übermittlung werde «sehr rasch» erfolgen. Die von in Nizza deswegen begonnenen Ermittlungen bezögen sich auf mögliche Geldwäscherei. Die weiteren Untersuchungen könnten in beiden Ländern fortgesetzt werden, sagte Faletti.
Falciani soll Frankreich Daten von 130’000 HSBC-Kunden übergeben haben. Unter diesen sind neben Franzosen auch viele Kolumbianer und Italiener sowie chinesische Behörden. Er habe die Schweizer Behörden lange vor den Franzosen über die Daten informiert, sagte Falciani in einem Interview des «Figaro» vom Montag.
Bereits «Ende Sommer 2006» habe er die Schweizer Behörden informiert. «Da ich vom Bund keine Antwort bekam, habe ich mich an andere Behörden gewandt», sagte Falciani gegenüber der französischen Tageszeitung weiter.
Der ehemalige HSBC-Informatiker streitet jedoch ab, Bankdaten gegen Geld verkauft zu haben. Ihm wird vorgeworfen, nach dem Diebstahl die HSBC-Daten im Jahr 2008 im Libanon zum Verkauf angeboten zu haben.
«Ich glaubte, ich stünde in Kontakt mit einer staatlichen Behörde», verteidigte er die Libanon-Geschichte. «Vor Ort ist mir klar geworden, dass dies nicht der Fall ist. Ich wurde manipuliert», sagte der 35-Jährige.
Nach seiner Rückkehr habe er sich mit seinen Informationen an die französische Polizei gewandt, sagte der Informatiker. Das war nach seinen Angaben im Jahr 2008. Bereits früher hatte er erklärt, er habe die Bank-Daten abgezogen, weil ihn die Praktiken der Banker angewidert hätten. Die Banker hätten sich «wie Zuhälter» verhalten.
Ob und mit wem Falciani im Sommer 2006 in der Schweiz Kontakt aufgenommen hat, ist nicht klar. Die Sprecherin des Finanzdepartements (EFD), Delphine Jaccard, erklärte auf Anfrage, dass man die entsprechenden Aussagen von Falciani zurzeit nicht verstehe. Das EFD sei daran, den Ablauf des Falls im Detail zu rekonstruieren.
Für den Ablauf des Datenklaus interessiert sich auch die Geschäftsprüfungskommission (GPK). Die GPK nehme sich an der Sitzung vom 20. Januar des Falls HSBC an, bestätigte die Präsidentin der nationalrätlichen GPK, Maria Roth-Bernasconi, einen Beitrag von Schweizer Radio DRS.
Das sei schliesslich die Aufgabe der GPK. Auch die Herausgabe der Daten ändere nichts an dieser Tatsache, sagte Roth-Bernasconi am Montagnachmittag auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA.
Dem parlamentarischen Aufsichtsorgan dürfte es nicht zuletzt um die Frage gehen, was genau Finanzminister Hans-Rudolf Merz über den Fall wusste, als er mit Frankreich über die Revision des Doppelbesteuerungsabkommens verhandelte.
Wegen des Datenklaus schwelt derzeit zwischen der Schweiz und Frankreich ein Streit. Die französische Staatsanwaltschaft will die Daten nutzen, um Geldwäschern sowie Steuerflüchtlingen auf die Spur zu kommen.
Die Schweiz dagegen spricht von einem Diebstahl und droht, das neue Doppelbesteuerungsabkommen mit Paris auszusetzen, das 2010 in Kraft treten soll. Mit der Herausgabe der Daten dürfte sich die Sache jetzt ein wenig entspannen.
cc