Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Das Internet vernetzt uns Auslandschweizer

Das Ehepaar Baumann, Gastschreiber der deutschsprachigen Redaktion. zvg

Dank elektronischer Post sind wir auf unserem abgelegenen Hof in der France profonde täglich mit der Familie, unseren Freunden und Bekannten im In- und Ausland verbunden.

Eigentlich haben wir gar nicht mehr das Gefühl, in ein abgelegenes, dünn besiedeltes Gebiet ausgewandert zu sein, obwohl die Schweiz tausend Kilometer entfernt ist.

Wir kommunizieren mit Bauernkollegen in ganz Europa, kaufen und verkaufen Saatgut, Occasionsmaschinen und andere Landwirtschaftsprodukte. Das Internet ersetzt uns Fachbücher, Lexika, Atlas und Diktionär.

Wir lesen die Schweizer Tageszeitungen am Bildschirm und können uns kaum mehr vorstellen, wie viel komplizierter, langsamer und mühsamer die Korrespondenz und auch die Informationsbeschaffung früher über die gute alte Brief- und Paketpost abgewickelt werden musste.

Weblog

Seit einem halben Jahr betreiben wir im Internet einen Weblog, eine Art illustriertes, öffentliches Tagebuch, das von jedem Internetbenutzer jederzeit eingesehen werden kann. Selbstverständlich darf jeder Blogleser postwendend seine eigenen Kommentare zu den einzelnen Beiträgen machen.

Die Blogger sind nicht mehr nur einseitige Medienkonsumenten, sondern werden selber zu eigenständigen, aktiven Produzenten von mehr oder weniger interessanten Geschichten, Kommentaren, Bildern und Filmen.

Unzensuriert können diese Amateure ihre Texte, Bilder und Töne selbstverantwortlich im Netz verbreiten, ohne dass ein Leserbriefseite-Redaktor oder Zeitungsverleger darüber entscheidet, was abgedruckt wird.

Keiner zu klein, selbst Journalist zu sein, auch wenn die Qualität der Texte oft kaum über das Niveau von Schulaufsätzen hinausgeht.

Integrationsarbeit

Unser eigener Blog (http://auswandererblog.blueblog.ch) macht da keine Ausnahme. Aber sich regelmässig Gedanken zu machen über die neue Heimat und das Erfahrene und Erdachte dann aufzuschreiben, ist auch eine Art von Integrationsarbeit.

Man fragt sich natürlich, ob alle diese Blogs denn auch gelesen werden.

Wir verzeichnen auf unserem Auswandererblog nach bescheidenen Anfängen inzwischen täglich über 400 BesucherInnen, Tendenz steigend. Die Leser und Betrachter stammen zu 60% aus der Schweiz, 15% aus den USA und 10% aus Frankreich.

Es ist nicht Literatur, was beim Bloggen entsteht, manchmal ähnelt es eher dem Stammtischgeplapper von selbst verliebten Selbstdarstellern.

Und es ist wie beim Gedruckten: Nicht alles, was im Netz steht, ist wahr. Es sind meist schnell geschriebene Texte, manchmal witzig oder informativ, mit vielen Links zu immer noch mehr Informationen.

Auch Ségolène Royal bloggt

In Frankreich ist das Bloggen bereits ein richtiger Volkssport geworden. Über zehn Prozent der Franzosen betreiben einen oder mehrere Blogs, die Bloggerszene wächst explosionsartig.

Ségolène Royal, siegreiche Kandidatin der französischen Sozialisten bei den parteiinternen Primärwahlen und jetzt chancenreiche Bewerberin für das Staatspräsidium, betreibt einen Blog (désir d’avenir) mit 10’000 BesucherInnen pro Monat.

Und Sie?

Alle bekannten französischen Politiker und Politikerinnen haben schon einen Blog eingerichtet, täglich kommen neue dazu, Parlamentsmitglieder und Parteisektionen. Sie haben erkannt, dass sie junge Wählerschichten nur noch übers Netz erreichen können.

Von Schweizer Politikern findet man bisher nur brave Homepages, die wochen- oder monatelang die gleichen (veralteten) Texte und Bilder präsentieren.

Das politische Personal der Schweiz sollte elektronisch schleunigst aufrüsten, um den europäischen Anschluss nicht noch mehr zu verpassen. Die Bloggergemeinde wird in der partizipativen Demokratie schnell grosse Bedeutung erlangen.

Haben Sie heute schon gebloggt?

Stephanie und Ruedi Baumann

Die Meinung des Autorenpaars muss nicht mit jener von swissinfo übereinstimmen.

Stephanie Baumann, Jahrgang 1951, war Berner Kantonsrätin und Nationalrätin für die Sozialdemokraten. Zudem amtete sie als Verwaltungsrats-Präsidentin des Berner Inselspitals.

Ruedi Baumann, Jahrgang 1947, ist gelernter Bauer und Agronom. Er war Gemeinderat, Kantonsrat, Nationalrat und Präsident der Grünen Partei Schweiz.

Stefanie und Ruedi Baumann haben zwei Söhne. Die Familie bewirtschaftete 28 Jahre lang einen Bauernbetrieb in Suberg, im Berner Seeland, bevor sie im Jahr 2003 nach Frankreich auswanderte.

Heute leben die Baumanns in der Gascogne, 100 km westlich von Toulouse, und sind als Biobauern auf ihrem eigenen Hof tätig.

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