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Rückkehr, weil in der Schweiz die Schule offen blieb

Familienbild: vier Personen im Auto mit Masken
Familie S. bei der "drive-through"-Abschlussfeier der Mittelschule während der Coronavirus-Pandemie in Kalifornien, USA. Doris S.

Im Sommer 2020 sprachen wir mit Auslandschweizer-Familien, die wegen der Bildung ihrer Kinder während der Pandemie zurück in die Schweiz ziehen wollten. Eine Familie setzte den Plan um. Wir trafen sie in Winterthur. 

Im Juli 2020 packten Doris S. (50) und ihre Familie die Koffer und zogen wegen der Schulschliessungen in Kalifornien zurück in die Schweiz. Ein paar Monate später, im Oktober 2020, besuchte SWI swissinfo.ch Doris und ihre Söhne Kai (9) und Nicolas (14) in Winterthur für eine Podcast-Produktion und um zu erfahren, wie es ihnen in den Monaten seit der Ankunft ergangen ist. Auf Wunsch der Familie nennt SWI swissinfo.ch in diesem Artikel den Familiennamen nicht.

Schweizerdeutsch war schon vorhanden

Der Umzug von den USA in die Schweiz war für die Familie möglich, da Doris in Kalifornien nicht an eine Arbeitsstelle gebunden war. Ihr Mann Dirck, der als Ingenieur arbeitet, musste allerdings nach ein paar Wochen in der Schweiz wegen der Arbeit wieder zurück in die USA. Mutter Doris hat schon immer viel Wert darauf gelegt, dass ihre beiden Kinder Schweizerdeutsch lernen, was ihnen den Einstieg in den Alltag hier erleichtert hat.  

Familie S. auf dem Sofa in ihrer Schweizer Wohnung
Doris S. mit ihren Söhnen Nicolas (links) und Kai (rechts). SWI swissinfo.ch

Doris sind einige Veränderungen zu der Schweiz ihrer Kindheit und Jugend aufgefallen – sie wuchs in einem Dorf in der Nähe von Winterthur auf. “Es gibt jetzt mehr Diversität hier, was mir sehr gefällt”, sagt sie. Auch die andersartige Geräuschkulisse ist ihr bewusst geworden: “Die Schweiz tönt anders, zum Beispiel die Kirchenglocken hier, ich habe sie so gern.” Für Kai, der wie sein Bruder die Schweiz bisher nur aus Urlauben kennt, sind die Kirchenglocken im Alltag eher ungewohnt. 

Herausfordernde Trennung

In Kalifornien hatte die Familie eine Nachtigall im Garten, welche sie häufig mitten in der Nacht geweckt hatte. Vogelgesang verbindet Kai mit seinem Vater. “Papa und ich versuchen oft, das Vogelgezwitscher so gut wie möglich nachzumachen, die Sprache der Vögel zu sprechen.” Die Trennung vom Vater und Ehemann ist eine Herausforderung. “Über den Bildschirm zu telefonieren ist manchmal nicht einfach”, erzählt Kai. “Es gibt Störungen oder Echos, es ist eigentlich immer etwas.”  

Deshalb war auch der digitale Unterricht in den USA für die beiden Söhne schwierig. Die Schule von Nicolas – er hätte Ende Sommer auf eine öffentliche High School gewechselt – arbeitet ausschliesslich digital. Kais Schule in Kalifornien hatte nach dem ersten Lockdown wieder geöffnet. Aber viele Mitschülerinnen und Mitschüler von Kai blieben weiterhin zuhause, aus Angst vor Ansteckungen. “Hier in der Schweiz habe ich keine Sorge, wenn meine Kinder zur Schule gehen”, sagte Doris beim Besuch von SWI swissinfo.ch.  

Die Wohnung, in der sie und ihre beiden Söhne nun leben, konnte Doris von ihrem Vater übernehmen. Dort hängen viele Bilder vom Appenzell, wo ihre Familie die Wurzeln hat. Die Räume halten auch viele Erinnerungen bereit: “Die Einrichtung hier ist fast gleich wie in meinem Elternhaus, alles ist noch vorhanden”. Für Doris bedeutet das 20 Jahre nach dem Tod ihrer Mutter eine erneute Auseinandersetzung. “Ich denke, so ist das häufig für uns Auswanderer, wir leben so weit weg und wenn wir jemanden verlieren scheint es, als ob wir langsamer trauern”, sinniert sie. So sah sie die Quarantänezeit nach ihrer Ankunft auch als Geschenk. Sie habe Zeit gehabt, sich damit auseinanderzusetzen. 

Bild eines Gemäldes, das die Appenzeller Landschaft zeigt
Appenzeller Landschaftsbild in der Wohnung der Familie. SWI swissinfo.ch

Beim Besuch im Oktober haben wir Nicolas und Kai in der Mittagspause zuhause getroffen. Kai findet die neue Schule gut: “Es hat mehr Kinder in der Klasse. In Kalifornien sind wir 10, hier 21. Das macht einen grossen Unterschied. Aber hier haben wir mehr zu tun”. Nicolas erzählte: “Textiles Gestalten gab es in Kalifornien nicht. Hier machen wir unsere eigene Jacke, das ist toll.”  

In die Verlängerung

Doris ist sich bewusst, dass sich die Situation rasch ändern kann. “Es ist wie eine Achterbahnfahrt, hier wie auch in den USA”, sagt sie. “Erst hatten wir geplant, bis Dezember zu bleiben, mit der Hoffnung, dass die Schulen in Kalifornien im Januar wieder öffnen können. Aber der Umzug war eine so grosse Umstellung für die Kinder, ich möchte sie da nicht wieder rausreissen.” Deshalb lautet der Plan momentan, für ein Jahr, also bis Juli 2021 zu bleiben. 


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