Heutige Cannabis-Regulierung ist für Experte ökonomisch ineffizient
(Keystone-SDA) In der Schweiz wird mit Cannabis ein jährlicher Gesamtumsatz von einer Milliarde Franken erzielt. Ein Grossteil der gesamten Bruttowertschöpfung wird ausgelöst durch illegale Aktivitäten. Das berichtet Oliver Hoff, Ökonom und Sozialwissenschaftler an der Uni Genf.
In der Schweiz ist es heute verboten, Cannabis anzubauen, zu importieren, herzustellen oder zu verkaufen. Der Genfer Forscher Hoff analysierte die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser prohibitiven Regulierung. Darauf beruhend untersuchte er, welche ökonomischen Effekte sich durch alternative Regulierungsszenarien ergeben würden. Erschienen sind die Ergebnisse in der Schriftenreihe «Sociograph» der Universität Genf.
«Die Simulation zeigt, dass die derzeitige Form der Regulierung zu einem wirtschaftlich ineffizienten Ergebnis führt», sagte Hoff gemäss einer Mitteilung seiner Hochschule vom Montag. Durch künstlich hohe Margen profitierten vor allem im Illegalen operierende Akteure, während Konsumentinnen und Konsumenten unter mangelnder Produktetransparenz und -qualität leiden würden. Zudem sei es für das Gesundheitssystem und die Prävention schwierig, Zugang zu «problematischen Konsumenten» zu erhalten und dem Staat fehle «der regulatorische, fiskalische und gesundheitspolitische Marktzugriff.»
Finanziert wurde die Studie vom Bundesamt für Gesundheit (BAG), von den Kantonen Genf und Basel-Stadt sowie den Städten Bern und Zürich.
750’000 Joints pro Tag
Wie Oliver Hoff darlegt, werden hierzulande umgerechnet täglich etwas mehr als 750’000 Joints konsumiert. Schätzungsweise generiert diese Nachfrage einen jährlichen Umsatz von einer Milliarde Franken, einschliesslich der indirekten wirtschaftlichen Effekte. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus Produktion, Import, Verarbeitung und Handel von Cannabis sowie dem Umsatz aus Gesundheitswesen, Polizei, Rechtsprechung und Justizvollzug.
Hoffs Berechnungen zufolge entspricht die direkte Wertschöpfung des Cannabis-Systems etwa 0,06 Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP). Zum Vergleich: Die Herstellung von Autos und Autoteilen generiert 0,08 Prozent des BIP.
Nach geltender Rechtslage sind demnach etwa 432 Millionen Franken des Umsatzes (43 Prozent) auf direkte Auswirkungen illegaler Aktivitäten im engeren Sinn zurückzuführen. Berücksichtigt man illegale Aktivitäten im weiteren Sinn, sind es sogar 843 Millionen Franken oder 84 Prozent des Umsatzes. Als die weiter gefasste Definition der Illegalität beschreibt Hoff ein Szenario, in dem ein Dealer sein durch Cannabis verdientes Geld für den Kauf von Erde, Lebensmitteln, und Strom ausgibt.
Umsatzrückgang bei alternativen Szenarien
Beruhend auf den Erkenntnissen simulierte Hoff die wirtschaftlichen Auswirkungen alternativer Regulierungsformen.
Dabei zeigte sich, dass der Gesamtumsatz im Vergleich zum Status Quo in allen untersuchten Szenarien stark sinken würde: Auf 275 Millionen Franken im Szenario «Stark reguliert» und auf 192 Millionen Franken im Szenario «Freier Markt». Im Szenario «Cannabis Social Club (CSC)» würde der Umsatz 650 Millionen Franken betragen. Diese Regulierungsform wird etwa in Spanien und Belgien praktiziert. Hierbei werde «die Produktion, der Vertrieb und/oder der Konsum von Cannabis in (registrierten) Clubs für Erwachsene organisiert», hält Hoff fest.
Mehr Steuern durch Regulierung
Die unterschiedlichen Szenarien schlagen sich auch auf die Steuereinnahmen nieder. Während im Status Quo-Szenario Einnahmen von 25 Millionen Franken erzielt werden, sind es im CSC-Szenario 166 Millionen, im stark regulierten Szenario 464 Millionen und im «Freien Markt» 11 Millionen Franken.
Die in den Regulierungsszenarien generierten Steuern könnten Hoff zufolge «direkt an spezifische, auf die öffentliche Gesundheit ausgerichtete Aktivitäten gebunden und/oder zur Finanzierung der mit dem Cannabiskonsum verbundenen gesellschaftlichen Kosten umgelenkt werden.»
Cannabis legalisieren
Wie der Genfer Forscher festhält, sollte die Regulierungsform von Cannabis allerdings nicht in erster Linie auf der Grundlage wirtschaftlicher Überlegungen diskutiert werden. Nichtsdestotrotz könne die ökonomische Perspektive als Instrument dazu beitragen, «einen sinnvollen Ansatz zur Regulierung von Cannabis zu gestalten, um seine negativen sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen zu minimieren und besonders anfällige Bevölkerungsgruppen zu schützen.
Geht es nach den zuständigen Parlamentskommissionen von National- und Ständerat, soll Cannabis künftig nicht mehr verboten sein. Anbau, Produktion, Handel und Konsum sollen umfassend neu geregelt werden. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wird derzeit erarbeitet.