
HRE-Klage landet vor dem Europäischen Gerichtshof
MÜNCHEN (awp international) – Der Bund hat bei der Verstaatlichung der Immobilienbank Hypo Real Estate möglicherweise gegen das Europarecht verstossen. Im ersten Prozess um die HRE-Übernahme vor dem Landgericht München kündigte Richter Helmut Krenek am Donnerstag an, die Klage mehrerer ehemaliger Aktionäre dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vorzulegen. Bis zu einer Entscheidung in Luxemburg wird der Prozess in München ausgesetzt. Kläger-Anwältin Daniela Bergdolt wertete die Entscheidung als grossen Erfolg und eine Schelte für die Bundesregierung, die sich an das Europarecht hätte halten müssen.
In dem Zivilverfahren wollen sechs ehemalige Aktionäre der HRE den Beschluss der Hauptversammlung anfechten, mit dem der Bund die Voraussetzungen für die Übernahme geschaffen hatte. Sollte der EuGH zu dem Schluss kommen, dass der Bund tatsächlich gegen das Europarecht verstossen hat, könnte dies die Chancen der Aktionäre auf Schadenersatz verbessern.
DEUTSCHES GERICHT SIEHT KEIN VERSTOSS
Mit seiner Stimmenmehrheit hatte der Bund bei dem Aktionärstreffen im vergangenen Sommer eine Kapitalerhöhung durchgebracht, durch die sein Anteil auf mehr als 90 Prozent erhöht wurde. Damit konnte er die restlichen Aktionäre aus dem Unternehmen drängen und die HRE vollständig in seinen Besitz bringen.
Den Anlegern zahlte der Bund eine Abfindung für ihre Anteile und setzte sie vor die Tür. Sie sehen darin eine Enteignung. Dieser Auffassung schloss sich das Gericht aber nicht an. «Ein Verstoss gegen innerdeutsches Recht ist nicht gegeben», sagte Krenek. Es liege keine Enteignung vor. Der EuGH solle aber prüfen, ob die im Finanzmarktstabilisierungsgesetz geregelte Verkürzung der Einberufungsfrist einer Hauptversammlung auf bis zu einen Tag mit den europäischen Aktionärsrichtlinien vereinbar ist. Diese sehen eigentlich eine Frist von 21 Tagen vor.
ENTSCHEIDUNG DÜRFTE DAUERN
Mit einer Entscheidung aus Luxemburg ist nach Einschätzung des Gerichts in den nächsten Monaten aber noch nicht zu rechnen. Rückgängig gemacht werden könne die umstrittene Kapitalerhöhung aber nicht, stellte der Richter klar. Der Bund hatte sich zu der Verstaatlichung entschlossen, um die HRE nach Kapitalhilfen und Garantien von mehr als 100 Milliarden Euro zu stabilisieren.
Neben der Anfechtungsklage sind am Landgericht München mehr als 50 Schadenersatzklagen ehemaliger HRE-Aktionäre anhängig, mit denen sie insgesamt rund eine Milliarde Euro Schadenersatz für ihre Aktienkurs- Verluste erreichen wollen. Diese Klagen sollen in einem Musterprozess gebündelt werden./dwi/DP/nl