
Kantonale Amnestie für Ersatzfreiheitsstrafen laut Müller unmöglich

Die Motion, die eine kantonale Amnestie für Ersatzfreiheitsstrafen fordert, ist laut Regierungsrat Philippe Müller (FDP) "untauglich, weil gar nicht möglich". Das teilte seine Sicherheitsdirektion am Freitag mit.
(Keystone-SDA) Der Vorstoss wurde diese Woche von Grossräten der SP, der Grünen und der EVP eingereicht. Das Kantonsparlament soll eine einmalige Amnestie für bald verjährende Ersatzfreiheitsstrafen von maximal 30 Tagen erlassen. Die Massnahme soll den Justizvollzug entlasten.
Der Regierungsrat hat den Vorstoss noch nicht beraten. Müller hielt fest, die grosse Mehrheit der Ersatzfreiheitsstrafen betreffe Widerhandlungen gegen Gesetze auf Bundesebene – zum Beispiel gegen das Personenbeförderungsgesetz, das Strassenverkehrsgesetz, das Betäubungsmittelgesetz oder das Strafgesetzbuch.
Eine Amnestie könnte in diesen Fällen einzig durch die Vereinigte Bundesversammlung erfolgen. Der Grosse Rat habe gar keine Zuständigkeit. Der Vorschlag sei somit schon aus formell-rechtlichen Gründen untauglich.
«Desinformation»
Dass sich die Berner Tamedia-Zeitungen und gemäss diesen auch Strafrechtsprofessor Jonas Weber für eine gar nicht anwendbare kantonale Amnestie ausgesprochen hätten, sei «sehr befremdlich», schreibt Müller. Es handle sich um Desinformation.
Eine Amnestie sei aber auch aus inhaltlichen Gründen abzulehnen. «Für unseren Rechtsstaat wäre es ein völlig falsches Zeichen. Wer sollte dann noch eine Busse bezahlen? Und wie stünde es mit der Gleichbehandlung – die einen zahlen, die anderen nicht?»
Containerlösung nochmals anschauen
Müller äusserte sich auch zu weiteren noch nicht beantworteten Vorstössen. Eine Motion, die auf die Einführung von gemeinnütziger Arbeit als Ersatzfreiheitsstrafe zielt, sei «prüfenswert», habe aber eine späte und nur begrenzte Wirkung.
Eine raschere Entlastung der überbelegten Gefängnisse sei hingegen mit der Motion möglich, wonach eine Containerlösung nochmals geprüft werden soll. Im September 2024 hatte der Grosse Rat einen Kreditantrag für zusätzliche Haftplätze in einem provisorischen Gefängniscontainer in Burgdorf abgelehnt.
Zusammenfassend schrieb die Sicherheitsdirektion: «Nicht alle Vorstösse sind gleich gut. Und: Fakten können helfen, Desinformation nicht.»
Gefängnisse überbelegt
Die Belegungssituation wurde verschärft durch die IT-Probleme im Busseninkasso der Finanzdirektion, wie der Sicherheitsdirektor in Erinnerung rief. Die Aufgebote zum Strafantritt für unbezahlte Bussen und Strafbefehle stauten sich. 2024 trafen deshalb nicht wie üblich 20’000, sondern 34’000 Ersatzfreiheitsstrafen bei den Vollzugsdiensten ein.
Die Regionalgefängnisse sind seit Monaten überbelegt. Die Mindest-Flächenvorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention würden aber nach wie vor eingehalten, hiess es im Communiqué der Sicherheitsdirektion.