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Hoffnung und Skepsis der NGO in Kopenhagen

Länder wie Kenia leiden bereits heute unter extremem Klima. Keystone

In der Schweizer Delegation am UNO-Klimagipfel in Kopenhagen sind auch Abgeordnete aus Umwelt- und Entwicklungs-Organisationen dabei. Ihre Hoffnung auf ein verbindliches Verhandlungsresultat erhält Auftrieb. Sie machen sich aber auch auf "faule Kompromisse" gefasst.

«Der Himmel über Kopenhagen ist grau. Doch die überaus grosse Präsenz der Zivilgesellschaft ermutigt», sagt Rosmarie Bär, Klimaexpertin von Alliance Sud der grossen Hilfswerke.

«Hopenhagen» heisse es auf zahlreichen Plakaten in der dänischen Hauptstadt.

«Die Hoffnung auf ein Gelingen des Klimagipfels wächst», meint auch Patrick Hofstetter, Leiter Klimapolitik beim WWF Schweiz.

Dynamik nutzen

Grund zur Hoffnung in Kopenhagen gibt die Ankündigung von US-Präsident Barack Obama, eine Treibhausgas-Reduktion zu erlassen. Zuvor lenkten die Schwellenländer Indien und China ein: Sie wollen ihre CO2-Bilanz verbessern.

Dies bringt nach Einschätzung von Bär und Hofstetter Dynamik in die zahlreichen Arbeitsgruppen, die bis zur Minister- und Präsidentenkonferenz am 18. Dezember um eine Einigung ringen.

Bär und Hofstetter vertreten in der Delegation Entwicklungs- und Umweltorganisationen (NGO), die sich zusammen mit internationalen NGO-Netzwerken für ein verbindliches Verhandlungsdokument einsetzen: Neben den offiziellen Delegationen der Staaten haben sich über 20’000 Beobachter und Beobachterinnen beim UNO-Klimagipfel akkreditiert.

Einige Verhandlungen finden hinter geschlossenen Türen statt, die NGO nutzen jedoch abseits Gelegenheiten, ihre Standpunkte einfliessen zu lassen. Zur Schweizer Delegation gehören zudem je zwei Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft sowie eine Vertreterin der Jugend.

Mittelmässige Schweiz

Die NGO werben für ein «faires, ambitiöses und rechtlich bindendes Nachfolge-Abkommen für das Kyoto-Protokoll», führt Bär aus. Fair und gerecht sei, wenn die Industriestaaten Verantwortung für die Erderwärmung tragen würden und sich zu ehrgeizigen, dem Wissensstand angepassten Zielen verpflichteten.

In Zahlen heisst das: Eine CO2-Reduktion von mindestens 40% bis ins Jahr 2020. Ob die Schweiz mitziehen werde, sei fraglich, schätzt Bär, denn das Verhandlungsmandat beschränke sich auf 20, allenfalls 30%.

Die Schweiz sei zwar momentan keine Bremserin, trete aber zu wenig engagiert auf, bemängelt auch WWF-Klimaexperte Hofstetter. «Sie müsste weitergehende Angebote machen, ihre bisherigen Zusagen genügen nicht.»

Handeln sich die NGO als Teil der offiziellen Delegation mit ihrer Kritik keine Rüffel ein? «Wir können uns als NGO kritisch äussern, aber nicht im Namen der Delegation», so Hofstetter.

Schlüsselfrage Finanzierung

«Es muss noch Einiges auf den Verhandlungstisch. Für Entwicklungsländer ist die Finanzierung von Anpassungen an die Folgen des Klimawandels eine Schlüsselfrage, die sich hier durch die Debatten zieht», resümiert Bär.

Verbindliche Zusagen haben die Gruppe 77 der Entwicklungsländer, die 50 ärmsten Staaten (LDC) sowie Insel- und afrikanische Staaten zum Auftakt der Konferenz angemahnt.

«Die Gelder sind zwingend notwendig für die Anpassungsmassnahmen, zur Umsetzung der nationalen Aktionspläne und für den Technologietransfer. Sie müssen, zusätzlich zur Entwicklungs-Zusammenarbeit, dauerhaft und transparent eingesetzt werden», betont Bär. Zusagen und konkrete Zahlen aber fehlten.

Nach Einschätzung von Hofstetter werden für die kommenden drei Jahre wohl Mittel gesprochen, langfristig drohe jedoch das Engagement enttäuschend klein zu werden.

Schlupflöcher verhindern

Auch bei den CO2-Reduktionszielen sehen NGO eine «Fluchtgefahr»: Um grossen Mächten wie den USA oder Russland Zugeständnisse abzuringen, könnten Schlupflöcher für die Industrieländer geschaffen werden. Möglich sei schliesslich, dass die Staatschefs selbst einen schlechten Kompromiss als Erfolg darstellen könnten, befürchtet Hofstetter.

«Lieber kein Abkommen als ein halbherziges», lautet die Haltung einiger NGO am Klimagipfel. «Dieser Weg ist für uns nicht gangbar», sagt WWF-Klimaleiter Hofstetter: «Bei Null anzufangen ausserhalb des Kyoto-Protokolls, das wäre ein Verkennen der Sachlage.»

Rosmarie Bär doppelt nach: «Das wäre ein Versagen der Politik.» Beide halten ein Abkommen mit verbindlichen Eckwerten, das ein Nachverhandeln von Detailfragen ermöglicht, für das bessere Szenario.

Ziel der NGO bleibt ein faires, ehrgeiziges und verbindliches Dokument. Um die Politik in diese Richtung zu bewegen, wollen die Umwelt- und Entwicklungs-Organisationen aus der ganzen Welt für Druck sorgen, innerhalb wie ausserhalb des Konferenzgebäudes.

Viera Malach, swissinfo.ch und InfoSüd

Die Schweiz müsse mithelfen, dass der UNO-Klimagipfel von Kopenhagen die Weichen für ein neues Abkommen richtig stellt, verlangen über 50 Umwelt- und Entwicklungs-Organisationen, Kirchen, Parteien und Gewerkschaften der «Allianz für verantwortungsvolle Klimapolitik».

Die Klima-Allianz – WWF Schweiz und Alliance Sud sind Mitglieder – hat dem Bundesrat 15 Forderungen überreicht. Die wichtigsten:

Die Schweiz soll:
– sich dafür engagieren, dass die Industrieländer ihren CO2-Ausstoss bis 2020 um 40% reduzieren (gegenüber 1990), und mit gutem Beispiel vorangehen. Die Reduktion soll hauptsächlich im Inland erfolgen.

– sich dafür einsetzen, dass die Industrieländer nationale Aktionspläne ausarbeiten, um ihren Treibhausgas-Ausstoss bis 2050 auf netto Null zu reduzieren.

– mithelfen, dass die Emissionen des internationalen Luft- und Flugverkehrs in ein neues Klima-Abkommen einbezogen werden.

– sich für einen Finanzierungs-Mechanismus einsetzen, um den Entwicklungsländern bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels und bei der Umstellung auf klimafreundlichere Produktions- und Energiegewinnungs-Methoden zu helfen. Diese Kosten werden auf mind. 160 Mrd. Dollar pro Jahr veranschlagt. Sie sollen durch einen Fonds verwaltet werden, der beim Sekretariat der UNO-Klimakonvention angesiedelt ist.

– sich bereit erklären, 1% der global nötigen Gelder, also 1,6 Mrd. Dollar pro Jahr, aufzubringen – zusätzlich zu den Geldern der öffentlichen Entwicklungshilfe.

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