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Café Select – eine “Schweizer Beiz” in Manhattan

Das Café Select im Herzen Manhattans. swissinfo.ch

Mitten im New Yorker Quartier Soho, an der Lafayette Street, liegt das Café Select. Seit gut einem halben Jahr wird hier Schweizer Kost angeboten. Auch die Ausstattung des Lokals erinnert an die Schweiz, ohne kitschig oder clichéehaft zu wirken.

“Das Select ist eine traditionelle Beiz, wie man sie irgendwo in der Schweiz auch finden könnte. Ein Trendlokal wollen wir nicht sein, etwas Flair ist uns aber wichtig”, sagt der Wirt Oliver Stumm, in einschlägigen Kreisen bisher als DJ und Musikproduzent bekannt.

“Wir wollen, dass sich die unterschiedlichsten Gäste hier wohlfühlen.” Deshalb setzt das Restaurant auf Frühstück, Lunch und Dinner. “Wir sind ein Nachbarschafts-Spunten, setzen aber auch auf Laufkundschaft, die wir ja hier in der Umgebung haben”, sagt Stumm.

“Eine Beiz aus der Schweiz”

Als es um die Ausrichtung und Einrichtung des Lokals ging, war den Betreibern klar, dass sie einen Schweizer Akzent setzen wollten. Einerseits mit dem Menu, andererseits mit der Ausstattung – aber dezent, ohne allzu offensichtliche Clichées.

“Wir wollten keine Fonduestube, keine Chalet-Atmosphäre”. Das Rezept lautete schliesslich: Eine Beiz aus der Schweiz – mit ein paar typischen, ausgewählten Aspekten, die eine gewisse Qualität haben. “Die Schweiz hat in Sachen Design ja einen guten Namen, wir haben etliche Ideen gewälzt, wieder verworfen.”

“So kamen wir schliesslich auf die Horgenglarus-Stühle, oder auf die Diele, dieselbe wie im Zürcher Kongresshaus. Die ist gut für die Akustik. Wir setzten auf Funktionalität, auf einen leicht industriellen Look.”

“Ich glaube, die Umsetzung ist uns ganz gut gelungen”, sagt Stumm. “Die Schweizer Hinweise sind eher subtil, Schweizern fallen sie auf, aber wer das Land nicht oder nur oberflächlich kennt, dem fallen sie kaum auf.”

PTT-Briefkasten, Jo Siffert, Bernhard Russi

Ein Aspekt, der Schweizer und Schweizerinnen sofort auffällt, ist der alte gelbe PTT-Briefkasten neben der Eingangstüre.

Typisch schweizerisch sind auch die Zuckerdosen mit dem Ovomaltine-Schriftzug. Oder die teils mit Schiefer beschichteten Tische, die rot-weiss-karierten Servietten.

Daneben zieren alte Schweizer Ausstellungsplakate die Wände sowie eine Collage, auf der unter anderem Jo Siffert, Bernhard Russi, Max Frisch oder Albert Einstein zu entdecken sind.

“Schweiz” sagt auch die riesige Rolex-Uhr, die an der Wand hängt. “Die haben wir über das Internet gefunden, von einem Sammler in Stockholm”, erklärt Stumm.

Die Bar und das Kühlregal dahinter, über dem der Schriftzug Rivella leuchtet, wurden auf Mass gemacht. Und in der Vitrine unter dem Bartresen stehen weitere Schweizer Produkte wie Thomy Senf oder Caotina, die neben Heimwehschweizern auch andere Liebhaber ansprechen könnten.

Auch das Magazin des Tages-Anzeigers und die Weltwoche kann man im Select lesen.

Bratwurst, Rösti, Geschnetzeltes

Und wie steht es mit den Schweizer Spuren auf dem Menu? “So etwas wie ‘die’ Schweizer Küche gibt es ja nicht. Unser Angebot ist traditionell, im Sommer etwas anders als im Winter, zum Beispiel kein Fondue im Sommer.

“Wir haben uns einfach überlegt, was ist schweizerisch und gut. So kamen wir auf Fruchtwähen, Salate, Bündnerfleisch, Käse, Bratwurst, Rösti, panierte Schnitzel, Zürcher Geschnetzeltes (auf dem Winter-Menu).”

Was verkauft sich am besten? Die Schnitzel (aus Poulet), wer Kalb will, kann das gegen einen deutlichen Aufpreis auch haben. Im Winter war das Zürcher Geschnetzelte der Hit, und auch Bratwurst und Rösti verkauften sich gut, sagt Stumm.

Vom Musik- ins Gastrobusiness

Stumm ist kein alter Hase im Gastrobusiness. Er und Dominique Clausen hatten sich als DJ und Musikproduzenten mit ihrem eigenen Label “A Touch of Class” einen Namen gemacht.

Zur Zeit steht die Musik aber auf einem Nebengleis, und Stumm widmet sich in erster Linie dem Restaurant, welches er mit Clausen und dem etablierten Restaurant- und Clubbetreiber Serge Becker aufgemacht hat.

Ganz vergessen ist die Musik aber nicht: “Unser Soundsystem ist wahrscheinlich besser als in den meisten anderen Kneipen in New York”, sagt Stumm nicht ohne Stolz.

Wie kam es, dass Stumm heute ein Restaurant betreibt? “Ich suchte eine neue Erfahrung. Ich war etwas müde vom Musikbusiness. Und dann hörten wir, dass dieses Lokal hier frei wurde. Und packten die Chance.”

Bisher laufe es recht gut, meint Stumm auf die Frage, wie sich die Wirtschaftskrise auf das Geschäft auswirke. Man merke allerdings, dass die Leute weniger ausgäben als noch vor ein paar Monaten.

“Aber wir bemühen uns um gute Qualität, zum Beispiel mit unseren selbst gebackenen Fruchtwähen, und grundsätzlich um ein gutes Preis-Leistungsverhältnis – und bisher ist es aufgegangen.”

Das Select ist das jüngste Restaurant in Manhattan, in dem Schweizer Spezialitäten angeboten werden. Schon länger gibt es diese auch weiter nördlich im Theaterdistrikt im Restaurant Swizz und im Mont Blanc.

Rita Emch, New York, swissinfo.ch

Oliver Stumm ist in Boston geboren.

Als er 10 war, kehrte die Familie – seine Eltern waren Wissenschafter – in die Schweiz zurück.

In Zürich besuchte Stumm das Gymnasium und studierte danach Mathematik.

“Um mein Studium zu finanzieren und auch etwas als Alternative zu der Welt der Zahlen, fing ich an, als DJ zu arbeiten.” Er hatte eine Ausbildung in klassischer Musik, doch mit der Arbeit als DJ verschob sich der Musikstil in Richtung Pop und Rock.

Nach einigen Jahren zog es Stumm wieder in die USA, er kam nach New York. “Ich wollte alle Seiten des Musikbusiness kennen lernen – Technik, Produktion, Rechtsfragen, Organisation. Wollte nicht nur DJ sein.”

Diese Kenntnisse habe er sich mit der Zeit autodidaktisch verschafft. “Es waren meine zweiten Lehrjahre.”

1997 kam der erste Hit in den Top 20 in Grossbritannien, 2002 der erste in den Top 10, wiederum in Grossbritannien. Und das mit Dominque Clausen gegründete Label “A Touch of Class” hatte unter anderem die Band “Scissor Sisters” in deren Anfangsjahren unter Vertrag.

“Schweizer Angebot”: Birchermüesli, Bratwurst und Rösti, Spätzli, Schnitzel, Züri Gschnätzlets (im Winter), Chäschüechli, Bündnerfleisch, Fruchtwähen, gebrannte Crème mit Meringue-Küsschen, Toblerone-Mousse – und Getränke wie Rivella, Caotina, Ovomaltine.

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