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Ein Fenster gen Süden

Eröffnet wird das Festival mit "Heremakono" (Warten auf das Glück) von Abderrahmane Sissako. (Bild: Trigon-Film) "Heremakono" by Abderrahmane Sissako opened the festival (Trigon-Film)

Das Internationale Filmfestival Freiburg zeigt in seiner diesjährigen Ausgabe 87 Filme aus 40 Ländern des Südens.

Vor dem Hintergrund der gespannten politischen Weltlage versteht sich das Festival mehr denn je auch als Plattform für Dialog und Reflexion.

Die Westschweizer Universitätsstadt Freiburg steht in den nächsten 10 Tagen ganz im Zeichen bewegter Bilder – mit Blick auf den Süden. Freiburg ist eines der wenigen Filmfestivals in Europa, das sich auf das Filmschaffen aus Ländern des Südens konzentriert.

Gekreuzte Blicke

Gerade in einer weltpolitisch gespannten Zeit sei das Freiburger Filmfestival nötiger denn je, betonen die Verantwortlichen. Nicht nur der “Kriegslärm” sei bedrohlich, sondern auch das “immer vereinheitlichtere Denken, das ein Komplize der ökonomischen und finanziellen Globalisierung” sei, betonte Festivalpräsident Charles Ridoré.

In Freiburg wird denn auch im Zelt hinter dem Festival viel diskutiert: Zahlreiche Filmschaffende aus aller Welt sind anwesend und stehen für Diskussionen und Begegnungen zur Verfügung.

Neu im Programm ist dieses Jahr die Plattform “Gekreuzte Blicke”. Wie Jodok Kobelt, Pressesprecher des Festivals gegenüber swissinfo ausführte, werden eine Regisseurin aus der Schweiz und ein Regisseur aus Indien anhand von Filmmaterial versuchen herauszufinden, wie die verschiedenen Sichtweisen auf die Welt in den jeweiligen Ländern sind.

“Schauen wir im Norden anders in die Welt, wirken die Bilder anders auf uns, und wie geht es den Zuschauern und Kinogängern im Süden? Diesem Dialog wollen wir eine grössere Plattform geben, wobei die Themen völlig frei sind”, so Kobelt.

Ein Fenster für Dokfilme

Im Dokumentarfilm-Wettbewerb, der neu im Programm ist, werden 10 Beiträge aus 10 Ländern gezeigt. Laut Jodok Kobelt sind Dokumentarfilme aus der südlichen Hemisphäre in der Schweiz eher untervertreten.

So sei das renommierte Dokumentarfilm-Festival “Visions du Réel” in Nyon auf die ganze Welt ausgerichtet. “Der Süden kommt etwas zu kurz – es dürfen durchaus noch weitere Fenster aufgestossen werden.”

Filme aus dem Irak, die in der heutigen Zeit bestimmt auf grosses Interesse gestossen wären, konnten trotz Bemühungen der künstlerischen Leitung nicht gefunden werden.

Die noch bestehende Filmindustrie in Irak widme sich, so der Festival-Sprecher, ausschliesslich Propaganda-Beiträgen und stehe ganz im Dienste von Saddam Hussein.

Zu sehen ist allerdings “Forget Baghdad” des schweizerisch-irakischen Filmemachers Samir. Sein Film handelt vom Schicksal jüdischer Familien, die in den 50er Jahren aus Irak emigrieren mussten.

Kontroverse um “Jenin…..Jenin”

Gezeigt wird in Freiburg auch der Dokumentarfilm “Jenin…Jenin”. Der Film zeigt Menschen im Flüchtlingslager Jenin, wenige Tage nach dem Angriff der israelischen Armee im April 2002.

In Israel wurde der Film verboten und auch in der Schweiz entbrannte im Vorfeld des Freiburger Festivals eine Kontroverse um diesen Beitrag:

Vital Epelbaum, Ehrenpräsident des Schweizer Kinoverbandes, verlangte, dass der Film aus dem Programm genommen wird. Er fühle sich als Schweizer Jude angegriffen, begründete er seine Forderung. Das Festival hält jedoch an der Aufführung des Filmes fest.

Musicals aus aller Welt

Die diesjährige Retrospektive ist dem Filmmusical gewidmet. Die Zeitspanne der in Freiburg zu sehenden Musicals deckt die letzten gut 50 Jahre ab. Die Filmmusicals führen das Publikum von Argentinien nach Südafrika und von Guinea nach Südkorea, wobei der Schwerpunkt auf Ägypten, Indien und Brasilien liegt.

“Ein bisschen Zeitgeist ist da eingebaut”, bestätigt Jodok Kobelt. “Das Filmmusical ermöglicht vielen Zuschauern und Zuschauerinnen den Zugang zu andern Kulturen – über ein Genre, das ihnen vielleicht näher liegt als zum Beispiel der Dokfilm.”

Mehr als die Hälfte aus Lateinamerika

Im diesjährigen Spielfilm-Wettbewerb um den “Regard d’Or”, den goldenen Blick, sind 11 Filme zu sehen, darunter vier aus Argentinien, zwei aus Brasilien und je einer aus Iran, Indien, Tunesien, China und Taiwan.

Dass nur ein Film aus Afrika im Wettbewerb steht, sei reiner Zufall, so Jodok Kobelt: “Es geht ja nicht um Quoten, sondern um Filme, die etwas aussagen, die Sinn machen.”

swissinfo, Gaby Ochsenbein

Die 17. Ausgabe des Internationalen Filmfestivals Freiburg dauert vom 16. bis 23. März 2003.
Gezeigt werden insgesamt 87 Filme aus 40 Ländern.
Neu ist ein Dokumentarfilm-Wettbewerb im Programm mit 10 Filmen aus 10 Ländern.
Um den “Regard d’Or” bewerben sich 11 Spielfilme aus 7 Ländern.
Die diesjährige Retrospektive ist dem Film-Musical gewidmet.

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