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Erfolgreiche Solothurner Literaturtage

Nachwuchsförderung: Autorin Ruth Schweikert und ihr jüngster Sohn besuchen die Literaturtage. Keystone

Unveröffentlichtes, Fremdes, Vertrautes, Bewährtes, aber auch noch nicht ganz Ausgereiftes: Dem Publikum der Solothurner Literaturtage wurde ein vielfältiges Programm vorgesetzt.

Mit Erfolg – denn rund 9500 Literaturinteressierte pilgerten am Auffahrtwochenende ins schweizerische Literatur-Mekka – 1000 mehr als im vergangenen Jahr.

Lesungen, Diskussionen, Werkstattgespräche und Performances prägten die Werkschau der Schweizer Literatur auch an ihrer 29. Auflage. Ebenso wichtig war den Veranstaltern aber auch der Blick über den nationalen Zaun, diesmal bis in den Nahen Osten.

Die weiteste Anreise hatten die libanesischen Autoren Hasan Dawud, Mohammed abi Samra und ihre Kollegin Iman Humaidan Junis. Sie gewährten dem Publikum einen interessanten Einblick in die Literatur des von Krieg und Unruhen geprägten Libanon.

Trotz der schlimmen Vergangenheit, welche die aus dem Libanon Schreibenden bewältigen müssen, sind ihre Texte nicht depressiv. Im Gegenteil, sie wirken oft erfrischend aufmüpfig, manchmal sogar ausgesprochen erotisch.

Auf- und Absteigerinnen

Mit Kostproben aus «Maries Gespenster» ihrem im Herbst erscheinenden Erstling, überzeugte die Winterthurerin Simona Ryser das Publikum. Ihre Protagonistin muss nach einem schweren Schicksalsschlag ihr Leben wieder auf die Reihe bringen. Eindrücklich modelliert Debütantin Ryser den Charakter der Frau mit kleinen Szenen aus dem Alltag.

Ganz anders Zoë Jenny: Sie kann auch nicht mit ihrem neuen, dem vierten Roman «Das Portrait» an ihr erfolgreiches erstes Buch «Das Blütenstaubzimmer» von 1997 anknüpfen.

Von der Altersweisheit…

Hugo Loetscher, der «Grand Old Man» der Schweizer Literatur, wird nächstes Jahr 80 Jahre alt. Mit jugendlichem Elan und geistiger Frische bestritt er seine Lesung, einen der Höhepunkte der diesjährigen Literaturtage.

Fast eine Stunde lang las er aus «War meine Zeit meine Zeit oder Wie formiert sich ein globales Bewusstsein», seinem neuen, noch unveröffentlichten Buch und das Publikum lauschte gebannt.

Seine präzisen Jugenderinnerungen reicherte Loetscher mit Erfahrungen seiner vielen Reisen und vor allem mit Altersweisheit an.

… über die exakte Recherche…

Ganz anders der 1961 geborene Alex Capus. Man könnte ihn als Gegenstück zu Loetscher bezeichnen. Denn Capus ist nicht bereit, seine «Seele» zu veröffentlichen. Er nimmt lieber Geschichten vom «Wegrand» auf.

Hat er ein Thema gefunden, beginnt seine Lieblingsarbeit – die Recherche. In seinem im Herbst erscheinenden neuen Afrika-Roman «Eine Frage der Zeit» geht er dem Schicksal eines deutschen Schiffsbauers nach, den es vor dem ersten Weltkrieg nach Afrika verschlug.

… zur Identitätsfindung

Perikles Monioudis, Glarner Schriftsteller mit griechischen Eltern, sucht mit seinem Schreiben nach seinen Wurzeln. Jahrelang bereiste er den Mittelmeerraum um herauszufinden, was dieser mit ihm zu tun hat.

«Er war kein auf Anhieb Eindeutiger», beschrieb er seinen Protagonisten, der unbestreitbar autobiografische Ähnlichkeiten aufweist.

Monioudis Schreibstil weist klar auf seine Herkunft hin, er ist ein orientalischer Geschichtenerzähler, der sein Publikum mit seiner reichen Sprache rasch für sich einnimmt.

OpenNet

Literatur findet schon lange nicht mehr nur zwischen zwei Buchdeckeln statt. Deshalb bieten die Literaturtage seit Jahren einen Literaturwettbewerb im Internet an, das so genannte OpenNet.

Wer des Schreibens mächtig ist, kann einen elektronisch erfassten Text einreichen. Eine Jury begutachtet die Arbeiten und lädt die vielversprechendsten Schreiberinnen und Schreiber in eine Schreibwerkstatt ein.

Aus den über 300 deutschen, 17 italienischen, 13 französischen Einsendungen sowie einem rätoromanischen Text wählte die Jury drei deutsche Texte, einen französischen und einen italienischen zum Vorlesen an der OpenNet-Veranstaltung aus.

Sämtliche bisher eingegangen Texte sind auf der Website der Literaturtage einzusehen. Und wer sich die Mühe macht, ein wenig darin zu stöbern, findet eine riesige Bandbreite, die sich von «sehr talentiert» bis zu «ziemlich verunglückt» erstreckt.

Bewährtes bewahren

Literatur und Medien befinden sich in einem stetigen Wandel. Der Erfolg der Solothurner Literaturtage bestärkt die Programmkommission, nicht von den bewährten Pfaden abzuweichen.

«Nur für nächstes Jahr, die 30. Jubiläumsausgabe der Literaturtage, erarbeiten wir ein besonderes Programm», sagte Geschäftsführer Rudolf Probst gegenüber swissinfo.

swissinfo, Etienne Strebel, Solothurn

Die 1978 gegründeten Solothurner Literaturtage sind das wichtigste Forum für das aktuelle Literaturschaffen in der Schweiz.

Neue literarische Arbeiten sollen Kontakte zwischen Schreibenden aus allen vier Sprachregionen und Publikum sowie Medien und Verlegern herstellen.

Die Solothurner Literaturtage sind der Ort geworden, wo sich Schweizer Autoren und Autorinnen einmal jährlich treffen, um persönliche und fachliche Gespräche mit Publikums-Beteiligung zu führen.

Das Programm der 29. Literaturtage beinhaltete 59 Veranstaltungen mit 67 Autoren und Autorinnen in 8 Sprachen – 45 davon aus der Schweiz.

Weitere 27 Lesungen fanden in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Blindenverband in einem Dunkelzelt statt.

2008 wird für die Schweizer Literaturszene ein besonderes Jahr: So werden am Auffahrtwochenende alle drei grossen Literaturveranstaltungen, die Solothurner Literaturtage, die BuchBasel und der Genfer Salon du livre gleichzeitig stattfinden.

Die Solothurner befürchten deswegen aber keinen Rückgang ihrer Besucherzahlen, denn BuchBasel und der Salon du livre seien im Gegensatz zu den Literaturtagen kommerzielle Veranstaltungen.

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