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Fall Ulrich Gygi: Bundesanwaltschaft eingeschaltet

Ulrich Gygi wehrt sich vehement gegen die Anschuldigungen. Keystone Archive

Die Bundesanwaltschaft hat zu klären, ob gegen den ehemaligen Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung und heutigen Post-Chef Ulrich Gygi ein Strafverfahren eingeleitet wird. Ebenfalls mit einem Verfahren wegen den Ungereimtheiten bei der Geldwäscherei-Kontrollstelle rechnen muss die Chef-Juristin im Finanzdepartement.

Um den monatelangen Wirren um die Geldwäscherei-Kontrollstelle des Bundes ein Ende zu setzen, liess Finanzminister Villiger einen Bericht erstellen. Am Freitag (24.08.) nun hat der beauftragte frühere SVP Bundesrichter Karl Spühler im Bundeshaus seine Schlussfolgerungen vorgestellt – dies unter einhelligem Protest der von der Administrativ-Untersuchung Betroffenen.

Spühler beantragt eine Strafuntersuchung wegen Urkundendelikten gegen den damaligen Direktor der Finanzverwaltung, Ulrich Gygi (heute Post-Chef), gegen die Leiterin des Rechtsdienstes des Finanzdepartementes, Barabra Schaerer, sowie gegen einen nicht namentlich genannten Mitarbeiter der Chefjuristin.

Finanzminister schweigt zu den Vorwürfen

Villiger kündigte an, die Akten noch am Freitag der Bundesanwaltschaft zu übergeben. Diese müsse dann über die Einleitung der Strafuntersuchung entscheiden. Ein anderer Weg sei nicht möglich, weil es sich um Offizialdelikte handle.

Villiger enthielt sich einer materiellen Beurteilung des Sachverhalts, betonte die Unschuldsvermutung und sprach sowohl seiner Chefjuristin als auch der früheren Nummer 2 in seinem Departement sein Vertrauen aus. Der Finanzminister lobte auch Gygis Arbeit als Post-Chef und sagte, er habe Gygis Entschuldigung dafür, dass dieser ihm zunächst die Wahrheit verschwiegen habe, akzeptiert.

Keine Disziplinar-Untersuchung gegen Huber

Keine Folge leistet Villiger der Empfehlung Spühlers, gegen den früheren Kontrollstellenchef Niklaus Huber und Barbara Schaerer eine Disziplinar-Untersuchung einzuleiten. Im Falle Hubers mache ein solches Verfahren ohnehin keinen Sinn mehr. Zudem handle es sich bei der von Spühler monierten Aktenherausgabe Hubers an die Geschäftsprüfungs-Kommission um nichts besonders Schwerwiegendes.

Schaerer und ihr Mitarbeiter erhielten eine formlose Rüge Villigers. Die Chefin des Rechtsdienstes sei überdies mit dem ganzen Wirbel bereits genug diszipliniert und brauche keinen erzieherischen Fingerzeig mehr. Als weitere Konsequenz will Villiger eine unabhängige Rekurskommission zur Behandlung von Beschwerden gegen die Kontrollstelle schaffen.

Neues Vergehen: Bericht ans Bundesgericht abgeändert

In der Sache bestätigte Spühler in seinem Schlussbericht, dass Huber bei der Behandlung der Beschwerde der Selbstregulierungs-Organiation der Finanzleute seine Ausstandspflicht verletzt habe. Er habe dabei jedoch auf Anweisung Gygis gehandelt.

Neu förderte die Untersuchung laut dem ehemaligen Bundesrichter zu Tage, dass Gygi auf Veranlassung Schaerers eine Stellungnahme im Beschwerdeverfahren zu Handen des Bundesgerichts nachträglich abgeändert und damit dem höchsten Gericht die Wahrheit vorenthalten habe.

Deshalb regte Spühler das Strafverfahren wegen Falschbeurkundung und Unterdrückung von Urkunden im Falle Gygis, sowie wegen Unterdrückung von Urkunden gegen Schaerer und ihren Mitarbeiter an. Vor den Medien ging Spühler auch mit Huber hart ins Gericht: Dessen im Verfahren vorgebrachten Vorwürfe seien alle wie ein Kartenhaus zusammengefallen.

Beschuldigte lassen kein gutes Haar an Untersuchung

In separat vorgelegten Stellungnahmen wehrten sich Gygi, Huber und Schaerer vehement gegen Spühlers Untersuchung. Sie machten rechtsstaatliche Mängel, namentlich die Verweigerung des rechtlichen Gehörs, und inhaltliche Fehler geltend. Huber sprach von ehrverletzenden Äusserungen Spühlers; er will das Kapitel aber abhaken.

Auch Schaerer sieht ihre Persönlichkeitsrechte verletzt und sprach den Anträgen Spühlers jegliche sachliche und rechtliche Grundlage ab. Villiger zeigte sich überrascht über die heftigen Reaktionen. Spühler wies die Vorwürfe pauschal zurück.

swissinfo und Agenturen

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