Parlament gibt Mittel für «vergessene» Branchen frei
Das Parlament hat die von der Schweizer Regierung zur Bekämpfung der Pandemie freigegebene Nothilfe in Höhe von 57 Milliarden Franken genehmigt. Einige Millionen wurden dazugefügt, um von der Krise besonders stark betroffene Branchen zu unterstützen.
Das Schweizer Parlament nahm diese Woche in einer Sondersession wieder die Zügel in die Hand. Nach einer erzwungenen Aussetzung der Tätigkeit aufgrund der Coronavirus-Pandemie konnten beide Kammern drei Tage lang in Ausstellungshallen der Stadt Bern tagen.
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Eine Nutzung des Parlamentsgebäudes war nicht möglich, weil die Abstandsregeln, die zur Begrenzung der Ausbreitung der Pandemie nötig sind, dort nicht hätten eingehalten werden können.
In dieser aussergewöhnlichen Konstellation prüfte das Parlament die von der Regierung freigegebenen Notstandsmittel und die Entscheide zur Bekämpfung der Pandemie.
Obwohl die Legislative (Parlament) unter ausserordentlichen Umständen mehr Macht hat als die Exekutive (Landesregierung), beschränkte sie sich im Allgemeinen darauf, die Entscheide des Bundesrats gutzuheissen. Das Parlament arbeitete weder eigene Notverordnungen aus noch zwang es die Regierung zu grösseren Änderungen an ihrer Krisenbewältigungs-Politik.
Nationalratspräsidentin Isabelle Moret und Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga setzten den Ton zur Eröffnung dieser ausserordentlichen Sitzung. Sie riefen zu einem konstruktiven Dialog zwischen Legislative und Exekutive auf, um die Schweiz aus der Krise zu führen und zu stärken.
Die Debatten verliefen daher moderat und einvernehmlich, auch wenn den verschiedenen Bundesräten eine Vielzahl von Fragen zu ihrem Umgang mit der Pandemie gestellt wurde.
170 Millionen mehr
Das Parlament genehmigte die ihm vorgelegten Notfallkredite in Höhe von 57 Milliarden Franken weitgehend. Etwas heftiger fiel die Diskussion über die Frage der finanziellen Unterstützung von fast zwei Milliarden Franken für den Luftfahrtsektor aus.
Die Grünen und Sozialdemokraten forderten, dass sich die Fluggesellschaften im Austausch gegen staatliche Beihilfen zu Klimazielen verpflichten sollten. Die Mehrheit entschied sich aber für unverbindliche Empfehlungen.
Die Abgeordneten beschlossen, das Budgetpaket um 170 Millionen Franken aufzustocken, um Branchen zu unterstützen, die von der Regierung «vergessen» wurden, obwohl die Krise diese schwer getroffen hat: Sie gaben 65 Millionen Franken für Kinderkrippen, 65 Millionen für die Medien und 40 Millionen für den Tourismus frei.
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Das Parlament beschloss zudem gegen den Rat der Regierung, eine gesetzliche Grundlage für die Verwendung einer App zur Rückverfolgung von Covid-19-Patienten und ihrer Kontakte zu erarbeiten (Contact-Tracing).
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Der Eingriff des Parlaments hört damit aber nicht auf. Seit einigen Wochen haben die Präsidenten der beiden Kammern, der Finanzdelegation und der Kommissionen ihre Arbeit wieder aufgenommen. Sie konnten deshalb bereits vor Beginn der Sondersession viele Entscheide des Bundesrats beeinflussen.
So beschloss die Regierung beispielsweise, die Verdienstausfall-Entschädigung auf alle Selbständigen auszudehnen, unabhängig davon, ob diese direkt oder indirekt von den restriktiven Massnahmen betroffen sind.
Das Parlament forderte auch zusätzliche Mittel für die internationale humanitäre Hilfe, um die ärmsten Länder angesichts der Pandemie zu unterstützen und sich an den weltweiten Bemühungen zur Bekämpfung des Virus zu beteiligen.
Die Regierung reagierte letzte Woche mit der Ankündigung, 400 Millionen Franken für humanitäre Hilfe bereitzustellen. Ein Teil davon geht an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und an den Treuhandfonds für Katastrophenhilfe und -bewältigung des Internationalen Währungsfonds.
Die parlamentarischen Kommissionen werden nun ihre Arbeit fortsetzen, um rasch auf die Entscheide des Bundesrats reagieren zu können und sich auf die Sommersession vom Juni vorzubereiten, die ebenfalls in der Berner Ausstellungshalle stattfinden wird.
Die Legislative wird noch verschiedene Fragen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Krise zu prüfen haben. Sie wird aber versuchen, ihr gewohntes Programm wieder aufzunehmen, das sie mit dem Auftreten der Pandemie über Nacht auf Eis legen musste. Denn an gewichtigen Geschäften mangelt es nicht. Darunter die Revision des CO2-GesetzesExterner Link, die Konzernverantwortungs-InitiativeExterner Link und die Ehe für alleExterner Link.
(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)
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