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Schlag gegen Menschenhandel

Die Polizei hat insgesamt 12 Personen verhaftet. Keystone

Die Schweiz und Brasilien haben einem Menschenhändler-Ring ein Ende gesetzt. Frauen aus Brasilien wurden zur Prostitution gezwungen.

Am Dienstag wurden mit einer international koordinierten Aktion 12 Personen verhaftet. Darunter ist der Chef des Rings, ein 58-jähriger Schweizer.

Der Hauptbeschuldigte in der Schweiz ist zusammen mit drei weiteren Personen in Haft. In Brasilien wurden acht Personen festgenommen.

Die international koordinierte Aktion wurde am Dienstag ausgelöst. Die Schweizerische Bundesanwaltschaft (BA) und die Bundeskriminalpolizei hatten seit längerer Zeit wegen Verdachts auf Menschenhandel ermittelt, wie BA-Sprecher Hansjörg Mark Wiedmer gegenüber swissinfo sagte.

Bei Razzien im Kanton Solothurn wurden am Dienstag vier Personen festgenommen, und zwar zwei Schweizer und zwei brasilianische Staatsangehörige.

Darunter befindet sich auch der 58-jährige Mann, der von der brasilianischen Bundespolizei als Chef des Prostituiertenrings bezeichnet wird. Für alle vier wurde beim Haftrichter Antrag auf Untersuchungshaft gestellt.

Übelste Methoden

Bei fünf Hausdurchsuchungen im Kanton Solothurn wurde umfangreiches Material sichergestellt, wie die Bundesanwaltschaft weiter erklärte.

Zudem wurden mehrere Personen zur Sache befragt, darunter auch Opfer, die in der Schweiz zur Prostitution gezwungen worden waren. Weitere Einzelheiten gab die BA aus ermittlungstaktischen Gründen nicht bekannt.

Nach Angaben der brasilianischen Bundespolizei hatte der 58-jährige Schweizer über Mittelsmänner brasilianische Frauen in der Stadt Belo Horizonte angeheuert. Sie wurden nach Zürich gebracht und dort mit übelsten Methoden während 16 bis 18 Stunden pro Tag zur Prostitution gezwungen.

Den Frauen seien die Pässe abgenommen worden. Zudem seien sie geschlagen worden. Man habe ihnen auch die Nahrung entzogen, schreibt die brasilianische Polizei.

Verurteilungen sind selten

Die Männer, welche die Frauen im Auftrag des Schweizer Bandenchefs rekrutierten, erhielten für jede in die Schweiz geschickte Frau 400 Schweizer Franken.

In der brasilianischen Polizeimitteilung hiess es auch, neun Brasilianerinnen würden in der Schweiz zurückgehalten und könnten nach der Befragung in ihre Heimat abgeschoben werden. Dabei dürfte es sich um die Opfer handeln, die von den Schweizer Behörden einvernommen werden.

Die brasilianische Polizei verhaftete acht Personen. Die Beschuldigten müssen in Brasilien wegen Menschenhandels mit Haftstrafen von bis zu 16 Jahren rechnen. In der Schweiz kann Menschenhandel mit bis zu 20 Jahren Zuchthaus bestraft werden. Verurteilungen sind aber selten.

Brasilien im Visier

Im jüngsten Bericht des Bundes über die innere Sicherheit im Jahre 2004 heisst es, Brasilien erweise sich als immer wichtigeres Herkunftsland illegal arbeitender Prostituierter.

Die Bundesbehörden gehen beim Menschenhandel von einer hohen Dunkelziffer aus. Eine der Ursachen ist das Anzeigeverhalten der Opfer.

Aus Angst vor Repressalien durch die Täter und aus Misstrauen sind die Opfer von Menschenhandel selten zur Anzeige ihrer Peiniger und zur Aussage gegenüber den Behörden bereit. Die Aussagen der Opfer sind aber für die Strafverfolgung oft entscheidend.

swissinfo und Agenturen

Menschenhandel ist ein Schwerstverbrechen mit Hunderttausenden von Opfern weltweit. In der Schweiz geht man von 1500 bis 3000 Opfern pro Jahr aus.

Die organisierte Kriminalität verdient mit dem Menschenhandel weltweit Milliarden.

Nach dem Schweizerischen Strafgesetzbuch (Art. 196) versteht man unter Menschenhandel den Handel mit Menschen, die unter Zwang der ausbeuterischen Prostitution zugeführt werden.

Die Schweizer Behörden wollen jetzt den Straftatbestand Menschenhandel ausweiten.

Dieser erfasst derzeit lediglich den Handel mit Menschen zum Zweck sexueller Ausbeutung.

Der neue Artikel 182 soll auch den Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft sowie der Entnahme von Körper-Organen erfassen.

Opfer von Frauenhandel in der Schweiz:
Nach Schätzungen des Bundesamts für Polizei: 1500-3000
Hohe Dunkelziffer.
Anzeigen: Pro Jahr zwischen 30 und 40 Klagem, davon enden nur 3 bis 4 in einer Verurteilung.

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