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Bankkonto für Auslandschweizer: Neuer Anlauf – neues Glück?

Bankkonto Auslandschweizer Postfinance
Keystone / Christian Beutler

Ein Schweizer Bankkonto ist für Schweizer:innen im Ausland teuer und oft gar nicht erhältlich. Jetzt gibt es einen neuen Anlauf, dies zu ändern. "Die Vorsicht unserer Banken ist pathologisch", sagt Ständerat Mauro Poggia.

Ein Bankkonto für Auslandschweizer: Der Vorstoss kommt unerwartet. Überraschend ist auch, dass er nicht aus den Kreisen der Auslandschweizer-Organisation stammt, sondern von einem Wirtschaftsanwalt aus Genf.

Ständerat Mauro Poggia will erreichen, dass Auslandschweizer:innen ein Schweizer Bankkonto zu ähnlichen Konditionen wie Kund:innen im Inland unterhalten können.

Poggia zielt dabei auf die Postfinance, eine Tochter der Post, die dem Bund gehört. In einer MotionExterner Link verlangt er vom Bundesrat, die Postverordnung entsprechend anzupassen. Am 25. September wird der Ständerat darüber befinden.

Faire Konditionen für Auslandschweizer:innen

Das Thema schien gegessen. Über Jahre hatten Parlamentsmitglieder, die der Auslandschweizer-Organisation verbunden waren, eine ganze Reihe von Vorstössen ins Bundeshaus getragen – alle mit demselben Ziel: Der Bund soll die Schweizer Banken dazu verpflichten Schweizerinnen und Schweizern im Ausland faire Konditionen zu bieten.

Denn diese belegten die Schweizer Diaspora zunehmend mit teils horrenden Gebühren. Es kam auch zu willkürlichen Kontoschliessungen. Die Vergrämung der Auslandschweizer:innen erschien systematisch, so dass diese offen von Diskriminierung sprachen.

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Dagegen wehrten sich einige der ASO nahestehende Parlamentsmitglieder. Im Visier ihrer Vorstösse waren die systemrelevanten GrossbankenExterner Link UBS und CS – und auch damals schon: die PostfinanceExterner Link.

Kein Erfolg mit bisherigen Vorstössen

Doch es war vergeblich. Der Tenor von Bundesrat und Parlamentsmehrheit lautete: Der Bund könne nicht in die Wirtschaftsfreiheit einzelner Unternehmen eingreifen, selbst dann nicht, wenn er – wie im Fall der Postfinance – Aktionär dieser Unternehmen ist.

2018 gab die ASO den Weg über das Parlament auf. Die Lobby der Auslandschweizer:innen fokussierte ihre AnstrengungenExterner Link fortan auf direkte Lösungen mit einzelnen Banken. Durchgesetzt hatte sich damit das hektisch etablierte, gestrenge Regime der Schweizer Banken gegenüber Schweizer Bürger:innen im Ausland. Es schien unantastbar.

«Übertriebene Strenge»

Bis jetzt. «Die Vorsicht unserer Banken hat pathologische Züge angenommen», sagt Mauro Poggia heute gegenüber Swissinfo. Jetzt, wo sich auch das letzte Staubkorn des einstigen Sturms aus den USA gelegt hat, hält er die Strenge der Schweizer Banken für «übertrieben und unverhältnismässig».

Bankkonto Auslandschweizer Postfinance
Keystone / Peter Klaunzer

Er beklagt «eine Angst vor Risiken, eine Angst vor dem Ausland, insbesondere vor den Vereinigten Staaten, die sich sogar auf Kunden mit bescheidensten Mitteln auswirkt.»

Diese Angst stammt aus der Zeit nach dem Ende des Bankgeheimnisses und ist auch eine Folge der Finanzkrise. 2008 begannen vor allem die USA, die Schweizer Banken nach nicht deklarierten Vermögenswerten zu durchforsten. Der Druck auf die Schweizer Banken war gross.

In den folgenden Jahren räumten sie deshalb mit sämtlichen Konten auf, die einen US-Bezug hatten. Auch Konten mit Bezug ins übrige Ausland wurden teurer, da die regulatorischen Anforderungen einen höheren Aufwand erforderten.

«Es schadet dem Finanzplatz Schweiz»

Doch wie kommt Mauro Poggia dazu, auf diesem von Niederlagen geprägten Weg überhaupt noch einen Schritt zu wagen? Der Genfer Ständerat, Mitglied der regionalpopulistischen Genfer Protestbewegung MCG, musste als Advokat in Genf seine eigenen Erfahrungen mit Schweizer Banken machen. Poggia erzählt von einem Investor aus dem Ausland, der eine Schweizer Gesellschaft gründen wollte, um hier tätig zu werden.

«Er brauchte ein Schweizer Konto, um hier arbeiten zu können. Aber keine Bank war dazu bereit.» Der Kunde musste auf die Bahamas ausweichen, und Poggia kam zum Schluss: «Es ist sicher nicht Absicht, aber unsere Banken schaden damit dem Finanzplatz Schweiz.»

Bankkonto für Auslandschweizer

In seiner Motion, die von zehn weiteren Ständeräten von allen Parteien mitunterzeichnet wurde, argumentiert Poggia jedoch ausschliesslich mit den Bedürfnissen der Auslandschweizer:innen.

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Ohne Bankkonto in der Schweiz hätten Auslandschweizer grosse Probleme, heisst es in der Motion. Beispielsweise bei der Überweisung ihrer Renten, beim Bezahlen von Rechnungen in der Schweiz oder bei Besuchen in der Schweiz.

Das deckt sich mit den Argumenten der Auslandschweizer-Organisation. «Angesichts der spezifischen Bedürfnisse der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer – etwa bei Rentenzahlungen, Hypotheken oder alltäglichen Bankgeschäften – bleibt der diskriminierungsfreie Zugang zu einem Schweizer Konto ein zentrales Anliegen», sagt ASO-Direktor Lukas Weber. «Die ASO begrüsst deshalb jeden neuen Anlauf, dieses Ziel endlich umzusetzen.»

«Es gibt Risiken und Risiken»

Motionär Poggia sieht gerade die Alltäglichkeit der meisten Bankbedürfnisse auch als Argument, um die Sache nochmals zu betrachten. «Es gibt Risiken und Risiken», sagt er, «doch die meisten Auslandschweizer sind sicherlich keine Grosskunden.» Entsprechend klein sei für die Banken das Risiko.

Bankkonto Auslandschweizer Postfinance
Keystone / Christian Beutler

Damit relativiert Poggia ein Argument, das der Bundesrat gegen seinen Vorstoss anbringt. Dieser schreibt nämlich in der Stellungnahme auf die Motion: «Die Verpflichtung, allen im Ausland lebenden Schweizerinnen und Schweizern ein Konto anzubieten, würde Postfinance zwingen, erhöhte Rechts- und Reputationsrisiken einzugehen.»

Die Landesregierung verweist dabei auf die Finanzmarktaufsicht Finma. «Im Fall von Postfinance prüft die Finma auch, ob Postfinance den Grundversorgungsauftrag risikoarm umsetzt», argumentiert er.

Die Rolle der Finma

Doch stimmt es, dass Konten für Auslandschweizer:innen aus Sicht der Finma ein für die Postfinance nicht zu verantwortendes Risiko darstellen würden? Swissinfo hat bei der Finma nachgefragt.

Zur Postfinance selbst äussert sich diese wie zu allen «einzelnen Instituten» nicht. Generell gelte aber, dass die «Definition des Risikoappetits und der Risikotoleranz beim Institut liegt.»

Das bedeutet: Solange die Postfinance ihre Risikoverantwortung wahrnimmt, steht die Finanzmarktaufsicht dem Ziel der Motion nicht im Weg. Konkret schreibt die Finma: «Das Finanzinstitut soll dem eingegangenen Risikoappetit auch mit Bezug zur Kontoführung für Kunden mit einem effektiven Risikomanagement begegnen.» Das relativiert ein zentrales Argument der bundesrätlichen Ablehnung von Poggias Motion.

Weiter argumentiert der Bundesrat aber auch, dass die Postfinance eine wettbewerbsverzerrende Benachteiligung erfahren könnte, wenn sie als einzige Bank die Pflicht hätte, Auslandschweizer:innen eine Bankverbindung zu bieten.

ASO: «Grundversorgung wäre verhältnismässig»

Poggia sagt dazu: «Mich beunruhigt, dass der Bundesrat das Problem anerkennt, und dennoch so argumentiert.»  Die Postfinance würde ja nicht dazu verpflichtet, alle Risiken aufzunehmen, sondern nur dazu, nicht alle Kunden als mögliches Risiko auszuschliessen. «Jede Banktätigkeit ist mit Risiken verbunden. Es kommt darauf an, wo man die Messlatte ansetzt.»

Das sieht auch die ASO so: «Aus unserer Sicht ist es verhältnismässig, die Postfinance mit einer solchen Grundversorgung zu beauftragen», sagt ASO-Direktor Lukas Weber.

Bleibt die Frage, wer die Kosten einer derart erweiterten Grundversorgung tragen soll. Dazu sagt Weber: «Ob die Finanzierung eigenständig durch Postfinance oder mit Unterstützung des Bundes erfolgen soll, ist eine politische Frage, die offen und transparent diskutiert werden soll.»

Editiert von Samuel Jaberg

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Debatte
Gastgeber/Gastgeberin Emilie Ridard

Wie gehen Sie mit den hohen Bankspesen für Auslandschweizer:innen um?

Welche Lösungen haben Sie im Ausland gefunden? Haben Sie überhaupt noch ein Bankkonto?

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