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Erbschaftssteuer für Superreiche: Die Juso-Initiative kurz erklärt

Erbschaftssteuer Juso Initiative
Vermögende Personen an einer Veranstaltung in St. Moritz. Keystone / Christian Beutler

Eine Erbschaftssteuer auf hohe Vermögen – fürs Klima. Das wollen die Initiant:innen. Bund und Gegnerschaft befürchten Verluste und Einschnitte für die Schweizer Wirtschaft. Alles, was Sie zur Erbschaftssteuer-Initiative wissen müssen.

Erbschaftssteuer kommt nicht vor im Titel. Mit vollem Namen heisst die Initiative «Für eine soziale KlimapolitikExterner Link – steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)». Am 30. November stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung darüber ab.

Woher kommt die Erbschaftssteuer-Initiative?

Wer von ihr spricht, redet aber meist von der Erbschaftssteuer-Initiative. Denn sie will eine Erbschaftssteuer auf sehr hohe Vermögen einführen.

Konkret soll eine Steuer von 50% erhoben werden, wenn jemand seinen Nachkommen mehr als 50 Millionen Franken vererbt oder schenkt. Die Steuer wird auf den Betrag fällig, der diese 50 Millionen übersteigt. Die Einnahmen daraus müssten zur Bekämpfung des Klimawandels verwendet werden.

Die Initiative vereint somit zwei Anliegen: Eine höhere Besteuerung der höchsten Vermögen einerseits und Massnahmen gegen den Klimawandel andererseits.

Diese Anliegen sind eingebettet in zwei weltweite Trends: «Tax the rich» zum einen und Klimagerechtigkeit zum andern. So beschlossen zum Beispiel die G-20-Länder im Jahr 2024, sich für höhere Steuern für Superreiche einzusetzen.

Erbschaftssteuer Juso Initiative
Weltweiter Trend: Demo zur Besteuerung von Superreichen in Deutschland 2022. Keystone

Diskutiert wird etwa eine Steuer von 2% auf MilliardenvermögenExterner Link. Auch das Konzept der Klimagerechtigkeit («Carbon Inequality») Externer Link wird schon länger global adressiert.

Erbschaftssteuern machen heute in den meisten Ländern einen kleinen Teil der Steuereinnahmen aus, wie diese Grafik zeigt:

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Wer ist betroffen?

Der Bundesrat schätzt, dass in der Schweiz rund 2500 Personen über ein Vermögen von mehr als 50 Millionen Franken verfügen. Kumuliert hält dieser Personenkreis geschätzte 500 Milliarden Franken. Laut einer Studie der Universität LausanneExterner Link wären von der Initiative hauptsächlich die rund 300 Haushalte mit Vermögen über 200 Millionen Franken betroffen.

Die Schweiz beherbergt laut dem Wirtschaftsmagazin BilanzExterner Link aktuell übrigens 152 Milliardäre. Damit hat sie weltweit die höchste Milliardärsdichte: 17 Milliardäre auf eine Million Einwohner:innen.

Erbschaftssteuer in der Schweiz: Was gilt bis jetzt?

Bei Erbschaftssteuern in der Schweiz ist die Lage äusserst uneinheitlich. Die Erbschaftssteuer in der Schweiz ist bisher Sache der Kantone. Eine Bundes-Erbschaftssteuer gibt es nicht. Daher existieren mehrere Dutzend Möglichkeiten der Besteuerung. Denn in manchen Kantonen erheben auch noch die Gemeinden eine entsprechende Steuer.

Die direkten Nachkommen sind in den meisten Kantonen von den Steuern befreit, oder es existieren hohe Freigrenzen. Ausnahmen bilden diesbezüglich die Kantone Appenzell Innerrhoden, Waadt und Neuenburg.

Erbschaften werden in den Kantonen mit durchschnittlich rund 1,6% verhältnismässig tief besteuert. Das war nicht immer so. «Vermögen und Erbschaften wurden in den letzten drei Jahrzehnten steuerlich erheblich entlastet», heisst es in einer Studie der Uni Lausanne.

Eine Bundessteuer auf Millionen-Erbschaften wurde bereits 2015 diskutiert. Damals sollte mit dem Geld die AHV finanziert werden. Die Idee kam von EVP, SP und Grünen. Das Volk verwarf diese Erbschaftssteuer-Initiative jedoch wuchtig mit 71% und einem Nein sämtlicher Stände.

Für Auslandschweizer:innen und deren Nachkommen gilt übrigens: Wer in der Schweiz als Erbschaft Vermögenswerte eines Erblasserschaft aus dem Ausland erhält, muss grundsätzlich keine Erbschaftssteuer bezahlen.

Wie besteuert die Schweiz hohe Vermögen?

Noch uneinheitlicher, denn die VermögenssteuerExterner Link ist Sache der Kantone wie auch Sache der Gemeinden. Der Bund hält sich raus.

Die Vermögenssteuer fällt erst an, wenn das Vermögen einen festgelegten Freibetrag überschreitet. In manchen Kantonen sind das beispielsweise 100’000 CHF in andern 1 Million CHF. Das macht die Schweizer Vermögenssteuer – sie ist weltweit einzigartig – zu einer eigentlichen «Reichensteuer».

Die Tarife der Vermögenssteuer sind in den meisten Kantonen progressiv gestaltet, das heisst: Je höher die Vermögen, desto höher wird auch der Steuersatz. So kommt es, dass die reichsten 10% der Vermögenden rund 86% der Vermögenssteuern bezahlen.

Wie unterschiedlich die 26 Schweizer Kantone ihre Vermögenssteuer gestalten, zeigt diese Tabelle:

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Erbschaftssteuer Juso Initiative
20 Millionen Franken Steuern jährlich: Milliardär André Hoffmann. Keystone / Alessandro Della Valle

ETH-Ökonom:innen berechneten im Rahmen einer Studie die Steuerbelastung von Roche-Erbe André Hoffmann. Er hat ein geschätztes Vermögen von rund 2,6 Milliarden Franken. Der ETH-Modellrechnung zufolgeExterner Link bezahlt Hoffmann im Kanton Waadt darauf jährlich rund 20 Millionen Franken Steuern.

Die Schweiz verfüge damit über eine «Mindeststeuer für Reiche», schreibt die ETH-Konjunkturforschungsstelle. Die von der Initiative anvisierte Vermögensschicht der Superreichen trägt somit bereits zu den Steuereinnahmen bei. Im Jahr 2022 flossen aus der Vermögenssteuer 9 Milliarden Franken zu Kantonen und Gemeinden, ein Zehntel ihrer Gesamteinnahmen.

Dennoch gilt die Schweiz als Steueroase für Reiche. Dies kommt von den tiefen Steuersätzen in einzelnen Kantonen sowie der PauschalbesteuerungExterner Link für wenige Tausend zugezogenene Superreiche. Diese profitieren von einer Budget-Flatrate auf ihre hohen Vermögen.

Wie argumentieren die Befürworter:innen?

Weil Reiche laut den Jungsozialist:innen durch ihren Lebensstil mehr CO2 produzieren, sollen sie mehr für den Klimaschutz bezahlen. «Um die ehrgeizigen Klimaziele für 2050 zu erreichen, wären jährlich in der Schweiz Investitionen von etwa zwölf Milliarden Franken nötig», argumentieren sie.

Erschaftssteuer Initiative Juso
Aktion zur Erbschaftssteuer-Initiative der Juso im Bahnhof Bern. zvg

«Superreiche haben ihr Vermögen durch die Ausbeutung von Mensch und Natur erwirtschaftet. Es ist an der Zeit, dass sie für ihre Klimaverbrechen zur Kasse gebeten werden», sagt Nathalie Ruoss, Vize-Präsidentin JUSO Schweiz. Konkret sollen mit dem Geld nachhaltige Projekte in den Bereichen Wohnen, Arbeiten und Service Public realisiert werden.

Die Initiant:innen gehen bei Annahme der Erbschaftssteuer-Initiative von 6 Milliarden Franken zusätzlichen Einnahmen aus.

Wie argumentieren die Gegner:innen der Erbschaftssteuer-Initiative?

Die Gegnerinnen und Gegner, darunter auch der Bund, machen eine andere Rechnung. Bei der Annahme der Juso-Initiative würden gemäss Schätzungen der Universität Lausanne zwischen 2,5 und 5 Milliarden Franken zusätzliche Steuern eingehen.

Aber nur dann, wenn niemand wegzieht. Denn die Gegnerschaft rechnet damit, dass Superreiche und Unternehmer ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen könnten. «Unter dem Strich könnte die Initiative daher zu Mindereinnahmen führen», warnt der Bund.

Er schätzt, dass bei einer Annahme der Initiative 85 bis 98% des Steuersubstrats dieser Personen wegfallen würde, also 2,8 bis 3,7 Milliarden Franken.

Aus der neuen Erbschafts- und Schenkungssteuer würden demgegenüber nur geschätzte 100 bis 650 Millionen Franken resultieren.

Prominente Betroffene argumentieren ausserdem damit, dass ein grosser Teil ihres Vermögens in ihren Unternehmen steckt. Diese müssten verkauft werden, um die Steuer bezahlen zu können, warnen sie.

Ebenso betonen sie, dass reiche Unternehmerinnen und Unternehmer Arbeitsplätze schaffen und den Werkplatz Schweiz mit Innovationen und Investitionen wettbewerbsfähig halten. 

Ist damit alles klar?

Nicht ganz. Denn strittig ist eine im Initiativtext festgehaltene Rückwirkungsklausel. Könnten Superreiche auch dann belangt werden, wenn sie die Schweiz bereits verlassen haben? Darüber müssten nach Annahme der Initiative wohl die Gerichte entscheiden.

Klar ist: Die Vorlage verlangt Massnahmen «zur Verhinderung von Steuervermeidung, insbesondere in Bezug auf Wegzug». Gleichzeitig besagt sie, dass die Steuer unmittelbar nach einem «Ja» geschuldet würde – eben mit Rückwirkungsklausel.

Auch deshalb hat die Initiative schon weit vor dem Abstimmungskampf für hohe Nervosität in den betroffenen Kreisen gesorgt.

Editiert von Samuel Jaberg

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Debatte
Gastgeber/Gastgeberin Balz Rigendinger

Erbschaftssteuer: Wie beurteilen Sie den Beitrag von Superreichen an die Gesellschaft?

Am 30. November stimmt die Schweiz über die Erbschaftssteuer-Initiative ab.

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