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Roland Rino Büchel: «Das Parlament ist von den Auslandschweizern weit entfernt»

Roland Rino Büchel
"Die Schweiz hat als kleines Schiff inmitten dieser Supertanker keine schlechten Chancen", sagt Roland Rino Büchel. Balz Rigendinger

SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel setzt sich im Parlament auch für die Interessen der Schweizerinnen und Schweizer im Ausland ein. In unserem Fragebogen "Die Fünfte Schweiz im Bundeshaus" sagt er, was ihn antreibt.

Roland Rino Büchel, Jahrgang 1965, ist seit 2010 Mitglied des Nationalrats. Der Vater einer Tochter ist der dienstälteste Parlamentarier in der Aussenpolitischen Kommission und Mitglied der Büros des Nationalrats wie auch der Delegation beim Europarat.

Büchel arbeitet als selbstständiger Sportmanager und Berater. Davor verantwortete er unter anderem das Sponsoring der Schweizerischen Käseunion und war als Sportfunktionär auch für die Fifa tätig. Er leitete Projekte in zahlreichen Ländern und spricht fünf Sprachen.

Die Fünfte Schweiz im Bundeshaus: Im Gegensatz zu Frankreich oder Italien, die ihren im Ausland lebenden Bürgerinnen und Bürgern Wahlkreise einräumen, haben die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer keine direkte Vertretung unter der Bundeskuppel.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass ihre Interessen nicht berücksichtigt werden. Mehr als 60 Mitglieder von National- und Ständerat (von 246) sind in der parlamentarischen Freundschaftsgruppe «Auslandschweizer» versammelt.

In jeder Sessionswoche lassen wir einen von ihnen in unserem neuen Format «Die Fünfte Schweiz im Bundeshaus» zu Wort kommen.

swissinfo.ch: Gibt es für Sie in dieser Session oder allgemein in der aktuellen Politik eine Priorität?

Roland Rino Büchel: Diese Session ist speziell, es ist eine Sondersession: Nichts Besonderes, drei Tage, um Vorstösse abzuarbeiten. Politisch ist die Priorität derzeit klar. Der Bundesrat will sich stark an die EU annähern.

Wir von der SVP werden diese neuen Verträge mit der EU sauber analysieren, wenn wir dann endlich die Möglichkeit dazu bekommen. Wenn nötig – und das zeichnet sich ab – werden wir sie bekämpfen.

Der Bundesrat will sie nicht einmal dem Volk vorlegen. Und er foutiert sich um das Ständemehr. Das ist skandalös. Was macht die Schweiz so einzigartig?

Es ist die direkte Demokratie. Die Menschen werden miteinbezogen – und nicht ausgeschlossen. Wenn es wichtig wird, entscheiden nicht die Politiker und nicht die Beamten. Eigentlich.

Gibt es in dieser Session ein Thema, das für die Auslandschweizer besonders wichtig ist?

In der Auslandschweizergemeinschaft hat man manchmal das Gefühl, dass die Politik nicht so wichtig sei, wenn es nicht gerade um etwas geht, das die Auslandschweizer direkt betrifft.

Bei den Themen Altersrenten oder Bankkonten werden die Leute hellwach, sonst nicht. Speziell die modernen Auslandschweizer, die vielleicht zwei Jahre im Ausland arbeiten und dann zurückkommen, sollten sich aber für alles interessieren, was wir hier machen.

Wo steht die Schweiz heute in der Welt?

Sie hat eine interessante Rolle. Die Welt dreht sich derzeit schneller als gewohnt. Da ist Russland, das Krieg führt. Da ist China, das in Generationen denkt – und da ist US-Präsident Trump mit seinen Leuten, die sich von Tweet zu Tweet hangeln.

Das alles können wir nicht ändern, das müssen wir akzeptieren. Es ist wichtig, dass wir jetzt spezifisch agieren und sagen: Wir haben unser Modell. Und wir müssen offen und klar sein und dem jeweiligen Gegenüber sagen: «Wir reden mit allen, auch mit denen, die euch nicht passen.»

Wenn wir uns richtig positionieren und mit den richtigen Leuten die richtigen Dinge besprechen, dann haben wir als kleines Schnellboot inmitten dieser Supertanker keine schlechten Chancen. Im Moment wird der Lauf der Dinge oft zu schwarz gesehen. Die Schweiz kann an vielen Orten das Richtige im Interesse unseres Landes tun.

Warum engagieren Sie sich für die Auslandschweizer?

Weil ich selbst einer war. Ich habe in fast 20 Ländern gearbeitet. Für das EDA war ich in Venedig, Mailand, Buenos Aires, Paris, Marseille und Montevideo.

Meine Ausbildung hatte ich in Venedig absolviert. Danach arbeitete ich für das Projekt «Immapro», also für die Einführung der Computer im Schweizer Aussennetz.

Viele Leute, die ich damals kennengelernt habe, sind heute Konsul oder Botschafter. Sie wissen, dass ich mittlerweile seit 15 Jahren Mitglied der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats bin. Es gibt immer wieder interessante Kontakte und Telefongespräche mit diesen ehemaligen Kollegen.

Gab es in diesen 15 Jahren einen Erfolg in ihrem Engagement für Auslandschweizer?

Unter Aussenminister Didier Burkhalter gab es den Plan, weltweit Schweizer Vertretungen zu schliessen, etwa in Chicago oder in Guatemala.

Da habe ich die Überlegungen der Fünften Schweiz ins Parlament gebracht – und die Politik hat sich quer durch alle Parteien gewehrt.

Unser Parlament ist weit weg von den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern, von den Anforderungen an das konsularische Netz und dessen Dienstleistungen sowieso.

Für mich ganz wichtig: Das EDA muss nahe bei den Leuten sein. Menschliche Kontakte können nicht digitalisiert werden.

Gab es auch Niederlagen?          

Ja, zu der Zeit als ich noch Vorstandsmitglied der Auslandschweizer-Organisation war. Wir haben den Kampf geführt, den Auslandschweizern den Zugang zu den Schweizer Banken zu anständigen Bedingungen zu ermöglichen

Diesen Kampf haben wir verloren. Es gibt jetzt zwar andere Lösungen. Aber das war damals wirklich schade. Die FDP hat bei diesem Geschäft eine zweifelhafte Rolle gespielt.

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War es nicht einfach der Compliance-Druck aus den USA, der eine Lösung verunmöglichte?

Dann hätte man die Banken von der Pflicht ausnehmen können, den Schweizerinnen und Schweizern, die in den USA leben, Konti anzubieten.

Wenn eine Bank als systemrelevant gilt und eine implizite Staatsgarantie hat, dann muss man ihr klar sagen, dass diese Garantie mit Erwartungen verknüpft ist. Das ist uns nicht gelungen. Da haben wir etwas verpasst.

Wenn Sie auswandern würden, in welches Land wäre es?

Als ich im Jahr 1991 in Argentinien arbeitete und mein Arbeitsvertrag mit dem EDA auslief, wollte ich eigentlich im Land bleiben.

Ich verlängerte dann aber und ging noch für ein paar Monate auf die Botschaft in Paris. Weil ich darauf ein interessantes Jobangebot als Sponsoringleiter bei Swiss Ski erhielt, kehrte ich nicht wie angedacht nach Argentinien zurück.

Sonst wäre ich heute vielleicht Skilehrer in Bariloche, Gaucho irgendwo im Norden oder Fussballmanager in Buenos Aires. Ich habe keine Ahnung, wie sich mein Leben entwickelt hätte, wenn ich damals von Paris aus wieder in das Flugzeug nach Buenos Aires gestiegen wäre.

Was aber klar ist: Argentinien reizt mich nach wie vor. Es wäre interessant, vor Ort mitzuerleben, wie sich das Experiment «Javier Milei» entwickelt.

Ich hatte übrigens mit ihm zu tun, als ich in Argentinien das Marketing der U-20-Fussball-Junioren-WM leitete. Das war im Jahr 2001.

Ich erlebte ihn damals als präzise arbeitenden, aber fast schon langweiligen Professor. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, dieses wunderbare Land noch einmal zu erleben, dann werde ich sie nutzen. Ich denke jedoch eher nicht, dass ich im eigentlichen Sinn des Wortes «auswandern» würde.

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