
Solothurner Kantonsrat debattiert kurzfristig über GAV-Kündigung

Zum ersten Mal seit 30 Jahren ist eine Session des Solothurner Kantonsrats mit einer "Erklärung des Regierungsrats" eröffnet worden: Er begründete seinen am Vortag gefällten Entscheid, den Staatspersonal-GAV zu kündigen.
(Keystone-SDA) «Der Regierungsrat will keine Verschlechterungen – er steht klar hinter guten Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst», sagte Finanzdirektor Peter Hodel (FDP) am Dienstag. Die Kündigung des Gesamtarbeitsvertrags (GAV) mache den Weg frei, um neue, moderne Lösungen zu erarbeiten.
Solothurn regle heute als einziger Kanton der Schweiz die Anstellung aller öffentlich-rechtlichen Angestellten über einen GAV. «Der Weg war innovativ, aber man muss auch erkennen, wann Schluss ist.» Ein einziger Vertrag für Verwaltung, Schulen und Spitäler stosse heute an seine Grenzen.
Für Regierung ist das Modell zu träge
Denn das Modell verhindere eine Differenzierung. «Was für das Spitalpersonal passt, ist für die Schulen teilweise ungeeignet», hielt Hodel fest. Zudem sei der GAV träge, oft stehe er gar still, da es für Anpassungen die Zustimmung aller Partner brauche. «Der kleinste gemeinsame Nenner ist zur Obergrenze für Veränderungen geworden.» Dies könne nicht im Interesse des Personals sein.
Gewisse Bestimmungen des GAV würden auch Gesetzen und Verordnungen widersprechen, führte Hodel weiter aus. Der Vertrag sei im Weiteren direkt zwischen Regierung und Personalverbänden ausgehandelt worden. Das Parlament habe keine Mitsprache, das widerspreche dem demokratischen Grundverständnis.
Die Spitäler sollen nun einen separaten, neuen GAV erhalten. Für Verwaltung und Schulen soll der Kantonsrat ein neues Personalrecht schaffen. Dazu wird eine 15-köpfige parlamentarische Kommission eingesetzt, wie die Leitung des Kantonsrates in der Sitzungspause entschied. Die Besetzung soll in der Septembersession erfolgen.
Der parlamentarische Prozess dürfte danach voraussichtlich die gesamte Legislatur bis ins Jahr 2029 in Anspruch nehmen. Bis die neuen Grundlagen vorliegen und in Kraft sind, gilt der bisherige GAV – trotz Kündigung auf Ende 2025 – unverändert weiter.
Parteien beziehen Stellung
Nach der Regierungsratserklärung kam es im Kantonsrat zu einer ersten Aussprache. Die FDP sprach dabei von einem «mutigen und richtigen Entscheid». Die GAV-Kündigung und eine folgende neue Lösung würden dem Kanton die Chance bieten, sich als moderner, flexibler Arbeitgeber zu präsentieren.
Die SVP bezeichnete den Schritt als überfällig. Die Mitte nahm die Ablösung des GAV insgesamt ebenfalls als positives Signal auf, sie will den weiteren Prozess aber kritisch begleiten. Die GLP sprach von einem konsequenten, notwendigen Befreiungsschlag. Es dürfe nun aber nicht über den Kopf der Betroffenen entschieden werden.
Die Grünen zeigten sich hingegen konsterniert: Der GAV sei eine 20-jährige Erfolgsgeschichte einer partnerschaftlichen Lösung. Für die Angestellten des Kantons Solothurn gehe es um viel, hielt die «gar nicht begeisterte» SP fest. Nach der gestrigen Ankündigung herrsche beim Personal nun Verwirrung, Unsicherheit und Sprachlosigkeit vor. Es gelte zu verhindern, dass auf Kosten der Personen gespart werde, die den Kanton tragen, forderte die SP.