

Heute in der Schweiz
Liebe Schweizerinnen und Schweizer im Ausland
Prognosen sind nun mal genau das: Prognosen – und somit mit Vorsicht zu geniessen. Dies zeigte der heutige Abstimmungssonntag deutlich. Im Vorfeld wurde mit einem klaren Ja zur elektronischen Identität E-ID gerechnet, das Kopf-an-Kopf Rennen des heutigen Nachmittags kam überraschend.
Bei der zweiten nationalen Vorlage hingegen wurde ein spannendes Rennen erwartet. Hier zeichnete sich dafür bereits kurz nach dem Mittag ein Ja zur Vorlage ab.
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Ein Ja wurde erwartet, es blieb aber spannend bis zum Schluss. Mit 50,4% wird die elektronische Identität knapp angenommen.
Dieses knappe Resultat – gerade mal 21’266 Stimmen machten den Unterschied – erstaunt, prognostizierten doch die Umfragen vor der Abstimmung noch ein deutliches Ja. «Die bürgerliche Seite konnte am Schluss nochmals mobilisieren», sagt der Politologe Lukas Golder gegenüber SRF. Dies sei in dieser Legislatur untypisch. Oft seien es die Städte gewesen, die am Schluss mobilisieren konnten. «Jetzt ist das Gegenteil passiert.»
Gegenüber SRF interpretiert Golder das Ergebnis noch vor dem definitiven Schlussresultat als ein «Misstrauensvotum» gegenüber der Regierung. Gerade in länglichen Gebieten und bei weniger einkommensstarken Gruppen habe die Skepsis überwogen. Die Auslandschweizer-Organisation gehört zu den Unterstützenden des E-ID-Gesetzes und spricht in einer Medienmitteilung von einem «wichtigen Ja für die Fünfte Schweiz».
Für Justizminister Beat Jans steht nach dem heutigen Abstimmungstag fest: «Der Bundesrat wird weiterhin an der elektronischen Identität arbeiten und gleichzeitig die offensichtlich starken Bedenken ernst nehmen.»
Trotz ihrer Niederlage an der Urne sprechen die Gegner:innen der E-ID von einem Erfolg. Es sei ein Kampf «David gegen Goliath» gewesen, «wir traten gegen die etablierte Politik, praktisch gegen alle Medien und Firmen wie Google oder Swisscom an», sagt Roland Bühlmann vom Verein «Freunde der Verfassung» gegenüber SRF.

Eine klare Mehrheit der Schweizer Stimmbevölkerung will den Eigenmietwert abschaffen. 57,7% stimmten der eidgenössischen Vorlage zu, sowie 19 der Kantone.
Das Ergebnis fällt somit klarer aus als im Vorfeld angenommen; kurz vor der Abstimmung war noch von einem Kopf-an-Kopf-Rennen die Rede. Die Abschaffung des Eigenmietwerts sei ein historischer Sieg, analysiert SRF. Seit den 1990er-Jahren sind drei Eigenmietwertvorlagen an der Urne gescheitert, im Parlament wurden seither 23 Mal vergeblich eine Abschaffung oder Senkung des Eigenmietwerts gefordert.
Das heutige deutliche Ja überraschte sowohl Befürworter:innen wie auch Gegner:innen. Offensichtlich habe die Mobilisierung geklappt, sagt die Basler Nationalrätin Patricia von Falkenstein gegenüber SRF. Sie räumt ein, dass auch das grosse Kampagnenbudget seine Wirkung gezeigt habe.
Auch Michael Töngi, Vizepräsident vom Mieterinnen- und Mieterverband, sieht das heutige Abstimmungsresultat als Folge der guten Mobilisierung und der vollen Kasse des Hauseigentümerverbands. Zudem hätten die Gegner:innen der Vorlage einen «Startnachteil» gehabt: «Die Hauseigentümer sehen ganz direkt, was der Eigenmietwert für sie ist. Wir mussten Mieterinnen und Mietern erklären, dass es Steuerausfälle gibt und sie das dann am Schluss bezahlen müssen.»
Diese Niederlage beim Eigenmietwert für die Linke ist beachtlich: Obwohl das Parlament bei den letzten Wahlen 2023 leicht nach rechts gerückt ist, waren Linksparteien seither bei den Abstimmungen erfolgreicher. Dass sich nun eine bürgerliche Parlamentsvorlage auch bei der Stimmbevölkerung durchsetzen konnte, ist von grosser Bedeutung, schreibt SRF

Das denkbar knappe Ja zur E-ID ist ein Kollateraleffekt: Das Ergebnis wurde von den Wähler:innen beeinflusst, die durch die Abschaffung des Eigenmietwerts mobilisiert wurden.
Viele Hausbesitzer:innen in konservativen ländlichen Regionen, wurden mit der Aussicht auf Steuersenkungen an die Urne bewegt. Diese tendenziell ältere Wähler:innenschaft hat ihr Misstrauen gegenüber Behörden und einem neuen digitalen Tool zum Ausdruck gebracht. So lehnten Wähler:innen, die sich für die Abschaffung des Eigenmietwerts einsetzten, gleichzeitig die E-ID massiv ab.
Warum sahen die Prognosen diesen Effekt nicht kommen? Diese Mobilisierung sei innert kürzester Frist erfolgt, sagt Lukas Golder von GFS Bern. «Dass sich dieses Wählersegment so kurzfristig und in diesem Ausmass aktivieren liess, ist erstaunlich.»
«Wenn ein grundsätzliches Misstrauen herrscht, wirkt sich das auf solche Kompromissvorlagen aus und ganz besonders auf staatliche Lösungen», beurteilt Golder das Vertrauen der Schweiz in ihre Behörden. Der Staat tue sich mit seinen Lösungen schwer, Bruchlinien aus der Covid-Zeit würden noch immer existieren. «Wer in diesem Kontext die Menschen richtig aktiviert, bringt sie an die Urne», sagt Golder.
Am heutigen Abstimmungssonntag fällt auch der ausgeprägte Röstigraben auf: Dieser war bei der E-ID entscheidend und bei der Abschaffung des Eigenmietwerts sehr ausgeprägt. Die Mobilisierung fiel in der Romandie geringer aus, da die Abschaffung des Eigenmietwerts dort weniger bewegte. «Aus dem simplen Grund, weil diese Steuer in der Romandie traditionell nicht so hoch ist, wie in der Deutschschweiz», sagt Lukas Golder.

Auch auf kantonaler Ebene standen heute mehrere Vorlagen zur Abstimmung.
Im Kanton Tessin reagierte die Stimmbevölkerung auf den schweizweit höchsten Anstieg der Krankenkassenprämien und nahm zwei Initiativen an, die den Prämienzahlenden Erleichterung bringen sollen. Wenig überraschend sagten die Stimmberechtigen im Kanton Basel-Stadt deutlich Ja zur Initiative «Zämme in Europa», womit in der Verfassung festgehalten wird, dass die Regierung sich für gute Beziehungen zu den Nachbarländern und der EU einsetzen muss.
Während der Mieterverband auf nationaler Ebene das Nachsehen hatte, konnte er im Kanton Bern jubeln. Mit dem Ja zur Miet-Initiative soll eine Formularpflicht den steigenden Mieten Gegensteuer bieten.
Weiter sprachen sich die Stimmberechtigen im Thurgau für die Revision des Ruhetagsgesetzes aus, womit das sogenannte «Tanzverbot» abgeschafft wird. Im Kanton Zürich tanzen die Blätter, dort sprach sich das Stimmvolk gegen benzinbetriebene Laubbläser aus.
In Genf fand die Nachwahl zum Genfer Staatsrat statt. Zehn Kandidierende traten für den Sitz an, der nach dem Rücktritt von Antonio Hodgers (Grüne) frei geworden ist. Nach der ersten Runde liegt der Grüne Nicolas Walder vorn, verpasst aber das absolute Mehr. Es muss ein zweiter Wahlgang durchgeführt werden.

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