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Ein Jahr Ukraine-Krieg: Was sind die Folgen für die Schweiz?

Marc Leutenegger

Fällt die Neutralität der Schweiz? Hat die UNO in ihrer heutigen Form noch einen Sinn? Ein Jahr nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine muss man diese und weitere Frage stellen. Sie lesen unseren Newsletter zum Krieg in der Ukraine.

Der Krieg in der Ukraine ist weit weg und doch nicht. Mehr als 75’000 Flüchtlinge aus dem Konflikt haben im letzten Jahr Schutz in der Schweiz gesucht.

Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg, auch nicht zur Zeit der Balkan-Kriege, wurden mehr Menschen aufgenommen.

Lebenswelten prallen seither aufeinander. Während sich die Ukrainer:innen – vor allem Frauen und Kinder – um ihre Angehörigen sorgen und sich eine Übergangsexistenz aufbauen, wurden die Einheimischen aufgefordert, kürzer zu Duschen, um einen Energieengpass im Winter zu vermeiden.

Das Zusammenleben funktionierte angesichts dieser Kontraste überraschend gut. Die Welle der Solidarität, welche die Schweiz vor einem Jahr erfasst hat, ist nicht ins Gegenteil umgeschlagen.

Bis heute ist nur wenig Kritik laut geworden, auch wenn es faktische Probleme gibt, bei der Unterbringung etwa oder der Arbeitsintegration. Nur rund 15% der ukrainischen Flüchtigen haben in der Schweiz bisher eine Stelle gefunden.

Die Menschen, die gekommen sind, sind die eine Realität des Krieges, welche die Schweiz erreicht hat. Die andere ist der enorme politische Druck – auf die Neutralität, den Umgang mit russischen Vermögen, die Exportregeln für Kriegsmaterial.

Fällt die Neutralität? Diese Frage kann man durchaus stellen. Die Diskussion über politische Kernwerte in der Schweiz war über Jahre nicht so aufgeladen wie zurzeit.

Was aber ist an Veränderung zu erwarten, wo hat sich die Schweiz bewegt, wo wird sie sich noch bewegen?

Wir haben den Status quo in einer Analyse zusammengefasst und wagen eine Prognose: von den Waffenlieferungen bis hin zum künftigen Umgang mit russischen Oligarchengeldern.

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Unter Druck ist auch das multilaterale Genf. Die Diplomatie in den Gremien der UNO tritt an Ort, der Krieg teilt die Mitglieder in Lager und belastet die Zusammenarbeit auch dort, wo Sicherheitspolitik eigentlich nicht auf der Agenda steht.

Diese Kritik bringt nicht nur der russische Botschafter Gennady Gatilov an der Arbeit der Organe der Vereinten Nationen an.

Auch andere Spitzendiplomat:innen sind besorgt, dass wichtige globale Handlungsfelder wie Gesundheit und Ernährung vernachlässigt werden.

Wie weiter? Diese Frage stellt sich grundsätzlich in Genf. Die UNO ist auf Zusammenarbeit und Diskurs gebaut, nun wird Russland zunehmend isoliert.

Ist Multilateralismus nur möglich, wenn man die Einhaltung gewisser Grundwerte – konkret des Völkerrechts – von allen fordert? Oder gibt es einen pragmatischen Multilateralismus, der das Miteinander sucht, wo es möglich ist?

Meine Kollegin Akiko Uehara versammelt in ihrem Artikel unter anderem die Stimmen der Botschafter:innen von Russland, China, Frankreich, Grossbritannien, den USA und der Schweiz. Und spannt den Bogen von der kritischen Situation um ukrainisches Getreide bis hin zur Sperrung russischer Sportler:innen durch das Olympische Komitee.

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Demonstration vor dem Gebäude der Vereinten Nationen in Genf.

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