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Expat-Eltern geraten in Schulfrage unter Druck

Das Lyceum Alpinum im bündnerischen Zuoz, gegründet 1904, gehört zu den ältesten internationalen Privatschulen der Schweiz. Keystone

Kindern von Expats, deren Familie längerfristig im Land bleiben, will der Kanton Zürich den Zutritt zu internationalen Schulen verwehren. Davon könnten nun Schulen profitieren, die sowohl den Zürcher Lehrplan wie auch einen internationalen Abschluss anbieten.

Solche zweisprachige Einrichtungen könnten für viele ausländische Arbeitskräfte eine Lösung sein. Denn schon bald werden sie gezwungen sein, ihre Kinder in Schulen zu schicken, die nach dem Zürcher Lehrplan arbeiten. Der Kanton Zürich hat diese Massnahme beschlossen, um die Integration der ausländischen Bevölkerung voranzutreiben.

Im vergangenen September hatte die Bildungsdirektion des Kantons Zürich neue Regeln erlassen, die ab kommenden Schuljahr, das im August beginnt, gelten sollen.

Gemäss Neuregelung müssen Eltern ihre Kinder in staatliche Schulen schicken, es sei denn sie können nachweisen, dass sie nur vorübergehend in Zürich bleiben oder ihre Kinder eine Schullaufbahn eingeschlagen haben, die nicht auf der deutschen Sprache basiert.

Auf Schülerinnen und Schüler, die bereits eine internationale Schule besuchen, hat diese neue Verordnung keine Auswirkung. Dennoch hat diese unter den Expats für Konsternation gesorgt.

Ausländischen Arbeitskräften, die nicht genau wissen, wie lange sie in Zürich bleiben werden, ist der Gedanke zuwider, dass ihren Kindern die Aussicht auf einen internationalen Abschluss verwehrt werden könnte.

Gerangel

Die meisten internationalen Schulen unterrichten zwar auch Deutsch, wenden aber einen ausländischen Lehrplan an, der Schulabschluss erfolgt mit dem international anerkannten Bakkalaureat (Matura).

Solche Schulen sind in Zürich und anderen Landesteilen sehr gefragt, vor allem seit der Zustrom an ausländischen Arbeitskräften in den letzten Jahren einen regelrechten Boom erlebte.

Mehrere Schulen haben expandiert, zogen auf grössere Gelände um oder bauten zusätzliche Anlagen, um mit der rasant steigenden Nachfrage Schritt zu halten.

Multinationale Konzerne, wie etwa die Zurich Financial Services (ZFS), konkurrieren untereinander um Plätze an Schulen für die Kinder ihrer Angestellten.

“Wir sind von internationalen Schulsystemen abhängig, um die besten Leute auf der Welt zu gewinnen”, sagt Peter Wright, globaler Leiter in der ZFS-Personalabteilung, gegenüber swissinfo.ch. “Die Verfügbarkeit internationaler Schulen gehört zu den obersten Prioritäten, wenn es darum geht, einen Job in der Schweiz anzunehmen.”

Obwohl ZFS mit zwei grossen internationalen Schulen im Kanton Verträge abgeschlossen hat, kann das Unternehmen seinen neuen Angestellten nicht garantieren, dass es dort Platz für ihre Kinder hat. Mobile Eltern verlangen für ihre Kinder einen internationalen Lehrplan, für den Fall, dass sie in ein anderes Land umziehen.

Integrationsbemühungen

Dass auch immer mehr Eltern mit ständigem Wohnsitz in Zürich ihre Kinder in internationale Schulen schicken, alarmierte die für Bildung zuständige Regierungsrätin Regine Aeppli. Sie beschloss im vergangenen Jahr, dagegen vorzugehen, aus Angst, die staatlichen Schulen könnten immer mehr Schüler verlieren.

Die Neuregelung bringt aber auch lokale Bedenken zum Ausdruck, wonach sich die Ausländer zu wenig um ihre Integration in der Schweiz bemühten.

Bislang wollte Aeppli keinen Rückzieher machen. Es ist allerdings zweifelhaft, ob ihre Vorschriften wie geplant durchkommen –  zu gross ist der Druck der mächtigen multinationalen Geschäftslobby in Zürich.

Laut Peter Wright von ZFS sind ausländische Arbeitskräfte nur an internationalen Schulen interessiert, betonte er. “Es gibt wenig bis kein Interesse, lokale Schulen zu unterstützen.”

Ein Schulmodell, das die Lücke zwischen lokalen und internationalen Systemen schliessen könnte, sind zweisprachige Schulen, die beide Lehrpläne – den internationalen und den zürcherischen – anbieten.

Diesen Weg verfolgt die Swiss International School (SIS) seit 1999. Und sie ist zur Zeit am Expandieren.

Ein bereits existierender Campus in Zürich verlegt seinen Sitz auf ein neues Gelände ausserhalb der Stadt, wo zusätzlich zum Gymnasium künftig auch Unterricht für Kinder im Vorschul- und Primarschulalter angeboten wird.

Dort können die Schülerinnen und Schüler sowohl das internationale Bakkalaureat wie auch die Schweizer Matura absolvieren. Eine brandneue Einrichtung ist auch in Zug geplant. Beide Schulen werden auf das kommende Schuljahr eröffnet.

Die Schule richtet sich sowohl an internationale Schüler, die sich in der Schweiz integrieren wollen, wie auch an einheimische Kinder, die später allenfalls im Ausland studieren möchten.

Veraltetes System

Vergangenen Monat baute die “Tandem international multilingual School” in Zürich ihr Angebot aus. Zum aktuellen Kindergarten kommt neu die Primarschulstufe hinzu. Tandem unterrichtet seine Schüler in Deutsch und Englisch und gemäss Lehrplan werden die Kinder sowohl auf einen internationalen wie einen lokalen Schulabschluss vorbereitet.

“Viele Expats in der Schweiz leben in einer Blase, wo nur die englische Sprache existiert”, sagt die Gründerin und Direktorin der Schule, Sonya Mächler-Dent, gegenüber swissinfo.ch. “Unsere Schülerschaft kommt auch mit Schweizerdeutsch in Kontakt, so dass sie die Chance hat, sich in die lokale Gemeinschaft und Wirtschaft zu integrieren.”

Mächler-Dent, Tochter englisch-sprachiger Eltern, hat ihre Schulzeit im französisch-sprachigen Lausanne absolviert, bevor sie als Lehrerin nach Zürich kam. Sie kennt die verschiedenen Unterrichtsmethoden also bestens.

“Heutzutage, wo sich die Gesellschaft mehr und mehr in Richtung multikulturelle Gemeinschaften entwickelt, ist unsere Bildungs-Philosophie veraltet”, sagt sie im Gespräch mit swissinfo.ch.

“Es gibt kein einheitliches Rezept, das allen Anforderungen der heutigen Gesellschaft gerecht wird. Deshalb bieten wir mehr Wahlfreiheit und Flexibilität an.”

In der Schweiz sind 40 Institute im Schweizer Dachverband der Internationalen Schulen organisiert (Swiss Group of International Schools SGIS).

In den letzten Jahren hat die wachsende Zahl ausländischer Arbeitskräfte und ihrer Familien in der Schweiz Druck auf diese Schulen ausgeübt, mehr Plätze für Kinder der Expat-Gemeinde in der Schweiz anzubieten.

Die Internationale Schule Zürich (Zurich International School) hat heute fünf Gebäude und zudem einige davon wegen der erhöhten Nachfrage ausgebaut. Die Schule zählt über 1400 Schülerinnen und Schüler, mehr als doppelt so viele wie vor fünf Jahren.

Insgesamt gibt es im Kanton Zürich rund 3400 Schülerinnen und Schüler, die eine internationale Schule besuchen. Das sind ungefähr 1,9% der gesamten Schülerschaft im Kanton. 2001 waren es noch 0,9%.

Die Internationale Schule Genf hat seit 2006 1300 neue Plätze geschaffen für heute 4300 Schülerinnen und Schüler.

Auch die Internationalen Schulen in Winterthur, Schaffhausen , Aargau, Zug, St. Gallen und Freiburg haben in den letzten Jahren infolge der wachsenden Nachfrage expandiert.

(Übertragung aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein)

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