«Begegnung 05» mit Bundespräsident Schmid
Den Kontakt zur Bevölkerung vertiefen, Armee und Wirtschaft konsolidieren und sich wappnen gegen allfällige Terror-Anschläge.
Wie der Berner SVP-Politiker im Gespräch mit swissinfo erklärte, hofft er zudem auf ein erfolgreiches UNO-Jahr des Sports.
swissinfo: 2005 sind Sie zum ersten Mal Bundespräsident. Freuen Sie sich auf dieses Amt?
Bundespräsident Samuel Schmid: Ja, ich freue mich, auch wenn ich einen gewissen Respekt vor dieser Funktion habe. Es wartet mit Sicherheit sehr viel Erfreuliches auf mich, aber ein Jahr, das vor uns liegt, birgt auch viel Ungewisses und ist deshalb eine echte Herausforderung.
swissinfo: Wo werden Sie die Akzente setzen?
S.S.: Im planbaren Bereich wird es zu meinen Hauptzielen gehören, die Arbeit des Bundesrats zu verbessern und gleichzeitig das Verhältnis zwischen Bevölkerung und Behörden zu vertiefen.
Ein Schwergewicht wird im kommenden Jahr auf meiner Zusatzfunktion als Bundespräsident liegen, wobei das eigene Departement nicht zu kurz kommen darf.
swissinfo: Haben Sie ein Motto für 2005?
S.S.: «begegnung 05»! Ich will alle 26 Kantone besuchen, mit den Bürgerinnen und Bürgern reden, den Puls fühlen, zuhören.
swissinfo: Spielt dieser Kontakt zur Bevölkerung in diesem Jahr für Sie als «Landesvater» eine zentrale Rolle?
S.S.: Da bin ich überzeugt, denn letztlich sind alle öffentlichen Organe nicht Selbstzweck, sondern Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger in dieser Gesellschaft.
Die Komplexität der politischen Prozesse führt häufig zu einer natürlichen Entfremdung oder Distanz. Deshalb ist es ausserordentlich wichtig, eine Vertrauensbasis zu schaffen.
swissinfo: Wo sehen Sie die Hauptsorgen der Schweizer Bevölkerung?
S.S.: Die unmittelbaren Bedürfnisse wechseln je nach Betroffenheit und Tagesgeschehen. Im Grossen und Ganzen beschäftigt unsere Bevölkerung aber die verlorene Handlungsfreiheit des Staates wegen finanzieller Engpässe, auch dass das Gesundheitswesen immer teurer wird.
Die Angst davor, die sozialen Netze könnten in Zukunft nicht mehr gesichert sein, verunsichert viele Menschen.
swissinfo: Auch in der Schweiz geht die Angst vor Terroranschlägen um, das zeigt die gegenwärtige Islam-Debatte. Was ist zu tun?
S.S.: Die Frage der Sicherheit vor terroristischen Übergriffen ist berechtigt. Zum einen geht es darum, alles vorzukehren, was möglich und vernünftig ist, um abzuwehren und allenfalls zu helfen oder zu retten.
Zum andern geht es darum, nicht in eine Hysterie zu verfallen, denn wir leben insgesamt in relativem Frieden und müssen nicht täglich um unser Leben fürchten, wie das leider sehr viele Menschen tun müssen.
Die Terrorabwehr ist Sache der Nachrichtendienste, der Polizei und der Justiz. Sehr rasch kommt dann die Armee zum Zuge, wenn es darum geht, über längere Zeit Objekte zu bewachen oder Achsen freizuhalten.
swissinfo: In den Niederlanden kam es nach dem Mord am Filmemacher Theo van Gogh zu einer Welle der Gewalt. Könnte das auch in der Schweiz passieren?
S.S.: Solche Ereignisse können in jedem Land passieren. Selbst wenn wir nicht unmittelbar im Fokus des Terrors stehen, sind wir Teil dieser Welt, und diese Art der Kriegsführung macht nicht halt vor unseren Grenzen, die ist international. Auch wir sind also mit von der Partie.
swissinfo: Welche Signale werden Sie als Schweizer Bundespräsident ins Ausland, insbesondere auch an die Landsleute im Ausland senden?
S.S.: Schweizerinnen und Schweizer im Ausland sind nach wie vor und auch in Zukunft wichtige Botschafterinnen und Botschafter unseres Landes. Wir wollen im Rahmen des uns möglichen zu dieser Brücke stehen.
Bei meinen Besuchen im Ausland will ich zeigen, dass sich die Schweiz nicht isoliert, selbst wenn sie ihren eigenen Weg sucht und geht. Die Schweiz engagiert sich und leistet ihren Beitrag zum Frieden in der Welt.
swissinfo: Die Armee scheint generell in einer Sinnkrise zu stecken. Wo sehen Sie als Verteidigungsminister die Zukunft der Schweizer Armee?
S.S.: Es stimmt nicht, dass die Armee in einer Sinnkrise steckt. Ich staune gelegentlich, dass man bei uns von einer Sinnkrise spricht, gibt es doch viele Staaten, die aufrüsten, selbst auf unserem Kontinent.
Wie andere Länder haben auch wir unsere Armee verkleinert und den neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen angepasst. Aber kein Land der Welt hat bisher gesagt, es brauche die Armee nicht mehr. Im Gegenteil: Die Risiken sind viel diffuser geworden. Und wenn die Lage diffuser wird, müssen Sie die Taktik ändern, aber nicht die Sicherheits-Instrumente abbauen.
Die Schweizer Armee wird auch künftig kein Berufsheer sein, sondern eine Milizarmee bleiben. Angesichts der neuen Risiken brauchen wir diese Milizarmee mit einem relativ starken Bestand.
swissinfo: Ihre Partei, die SVP, kritisiert die Armee XXI und ist auch gegen Auslandeinsätze der Schweizer Armee. Sie gelten zwar als zäh und beharrlich, aber zerrt das nicht manchmal an den Nerven?
S.S.: Ich nehme jede Kritik ernst. Aber solange ich überzeugt bin, dass mein Pfad der Richtige ist, gehe ich ihn weiter.
In der Politik braucht es eine dicke Haut, das gehört zum Metier. Schade ist, dass sich wegen des rauhen Klimas viele gute Frauen und Männer nicht mehr für die Politik interessieren.
swissinfo: Was bedeutet für Sie, der ja auch Sportminister ist, das UNO-Jahr des Sports 2005?
S.S.: Das ist eine zweifellos eine gute Initiative der Weltorganisation, um dem Sport einen speziellen Impuls zu geben und dadurch auch Begegnungen zu ermöglichen.
In der Schweiz wird es zahlreiche Aktivitäten geben. Diese Bemühungen decken sich mit dem bundesrätlichen Sportkonzept, das darauf abzielt, dass sich Herr und Frau Schweizer generell mehr bewegen.
swissinfo: Ihr Vorgänger Adolf Ogi ist der Initiant des UNO-Jahres des Sports. Kann die Schweiz daher von diesem Jahr profitieren?
S.S.: Sicher bleibt Adolf Ogi ein Repräsentant unseres Landes, auch wenn er in erster Linie Sonderbotschafter der UNO ist. Ich glaube, dass sowohl die UNO als auch die Schweiz vom Jahr des Sportes profitieren können.
swissinfo: Worauf möchten Sie Ende 2005 zurückblicken können?
S.S.: Ich hoffe, dass unsere Anstrengung, das Volk zu bewegen, Früchte trägt. Und ich hoffe auch, dass die Schweizer Sportlerinnen und Sportler die Finger vom Doping lassen. Und ich hoffe, dass die Schweizer Wirtschaft weiter wächst.
Schliesslich wird der Bundesrat geschlossen für ein Ja zu den Bilateralen Abkommen mit den EU-Staaten eintreten. Im Rückblick dann hoffe ich auf einen Erfolg!
swissinfo-Interview: Gaby Ochsenbein
(Das Interview wurde vor dem Seebeben in Südasien verfasst)
Der 57-jährige Berner Seeländer Samuel Schmid ist Fürsprecher und Notar.
Von 1982 – 1993 war er Mitglied des Nationalrates, von 1999 – 2000 gehörte er dem Ständerat an.
Am 6. Dezember 2000 wurde der SVP-Politiker gegen den Willen seiner Partei in den Bundesrat gewählt.
Seither ist steht er dem VBS, dem Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport vor.
Am 8. Dezember 2004 wurde er zum Bundespräsidenten 2005 gewählt.
Im Präsidialjahr will Samuel Schmid unter dem Motto «begegnung 05» das Verhältnis zwischen Bevölkerung und Behörden vertiefen.
Die Frage der Sicherheit, auch in Bezug auf terroristische Bedrohungen, ist ihm ein zentrales Anliegen.
Die Schweiz sieht er als verantwortungsbewusstes Land, das seinen Beitrag zum Frieden in der Welt leistet.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch