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Das Auto auf Abruf in flotter Fahrt

Immer mehr Autofahrerinnen und Autofahrer steigen bei Mobility ein. Keystone

Immer mehr Menschen in der Schweiz fahren Auto, ohne selber eines besitzen zu müssen. Über 70'000 Kunden zählt das CarSharing-Unternehmen Mobility, das sein zehnjähriges Bestehen feiert.

Im Zentrum von Mobility stehen nicht Pferdestärken und Prestigedenken, sondern Flexibilität und umwelt- sowie kostenbewusstes Autofahren.

Das Auto auf Abruf, ein Taxi ohne Chauffeur: Das die Kurzformel von Mobility. Oder mit den Worten von Kunde Oskar von Arb: “Ich habe 1800 Autos statt nur eines, muss sie aber nie putzen oder mich um Versicherung, Service oder Reifenwechsel kümmern.”

Des Rätsels Lösung heisst zu Neudeutsch CarSharing, nachdem Begriffe wie Auto-Teilet oder Fahrgemeinschaften im Wortschatz nachhaltiger Mobilitätsteilnehmer durchgefallen sind. Das Unternehmen Mobility, im Mai 1997 gegründet, ist heute laut eigenen Angaben mit 72’000 Kunden die grösste unabhängige Plattform für gemeinsam genutzte Autos in der Schweiz.

Sinneswandel

Von Arb ist soeben dem roten Smart entstiegen, den er auf dem reservierten Platz im Berner Bahnhofparking abgestellt hat. Hinter sich haben er und sein Kleinwagen die rund zehn Kilometer von seinem Wohnort Kirchlindach ins Zentrum der Bundesstadt.

“Nachdem mein damaliges Auto kaputt gegangen war, wurde ich im Jahr 2000 Mobility-Mitglied. Das war billiger, und ich wollte weniger Auto fahren”, erzählt der Jugendarbeiter. Verzichten wollte er insbesondere auf “sinnlose Fahrten”, etwa um Zigaretten zu kaufen.

Von Arb fährt immer noch Auto, aber anders. Denn das Kostenbewusstsein fährt mit. “Ich frage mich jedes Mal: Brauche ich jetzt wirklich das Auto? Wenn der Mensch schon keine ökologische Seele hat, dann wenigstens eine ökonomische, denn die steht ja bei den Menschen im Vordergrund”, sagt der Smartfahrer, der kein Smartbesitzer ist.

Hatte er früher 10’000 bis 12’000 Kilometer pro Jahr im Auto zurückgelegt, sind es heute noch rund ein Viertel. Eingeschränkt ist der Berner deswegen nicht. “Verbringe ich die Ferien in der Schweiz, muss ich mich nicht mehr ins Auto setzen, denn es steht schon überall am Zielort.” Als einzigen Nachteil wertet er, dass das Mobility-Auto wieder an seinem Ursprungsort abgestellt werden muss.

Mobilitäts-Surfen

Als Inhaber eines Generalabonnements (GA) der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) ist von Arb ein typischer Mobility-Kunde, denn Ziel ist die flexible Kombination der Verkehrsmittel. “Der hervorragende öffentliche Verkehr in der Schweiz mit Bahn, Bus und Tram bietet dazu ideale Voraussetzungen”, sagt Geschäftsführer Karl Heusi. Erst das dichte Netz ermögliche es, das Auto nur teilweise einzusetzen.

Zum Verbund gehört natürlich auch das Velo, das seine Stärken gerade im städtischen Nahverkehr ausspielen kann. Der Nutzen dieser intelligenten Kombination der Fortbewegung ist messbar. Laut einer Studie des Bundesamts für Energie von 2006 sparte jeder CarSharing-Kunde pro Jahr rund 200 Kilogramm CO2. So blieben 2005 der Atmosphäre insgesamt 11’000 Tonnen des Klimakillers erspart.

Kosten-Effizienz

Geschäftsführer Karl Heusi streicht Flexibilität generell als einen der Trümpfe des Mobility-Modells heraus. “Ein eigenes Auto steht immer am selben Ort, unsere Autos stehen an 1000 Orten in der Schweiz.” Zudem bezahlten die Mitglieder nur für die effektive Dauer der Benützung. Ein herkömmliches Privatauto dagegen stehe 23 Stunden pro Tag still, koste den Besitzer aber auch in dieser Zeit Geld, rechnet Heusi.

Obwohl der Chef mit der Entwicklung bei Mobility sehr zufrieden ist – im letzten Jahr nahm die Mitgliederzahl um zehn Prozent zu – besteht trotz des Jubiläums kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Das Potenzial sei noch lange nicht ausgeschöpft, denn noch immer würden viele Menschen das Angebot nicht kennen, sagt Heusi. Kommunikation und Werbung sollen deshalb verstärkt werden.

Freiheit vs. Verantwortung

Es gibt aber auch noch weiteren Handlungsbedarf. “Die Vision ist klar: Im Idealfall steht an jeder Ecke ein Mobility-Fahrzeug”, formuliert er. In grösseren Städten sei dies zwar fast schon der Fall, aber auch dort sei das Angebot noch ausbaufähig.

Auch punkto Benutzerfreundlichkeit hat es noch Luft, denn die Reservationspflicht soll fallen. Spontan einsteigen und losfahren, lautet die Devise.

Dass damit aber nicht die grenzenlose Autofahrer-Freiheit gemeint sein kann, macht Oskar von Arb mit seiner persönlichen Philosophie klar: “Mobility ist eine Form der Enthaltsamkeit, man fährt zwar Auto, tut dies aber bewusster und verantwortungsvoller.”

swissinfo, Renat Künzi

Mobility ist mit 71’300 Kunden, 1850 Wagen und 1000 Standorten der grösste Carsharer Europas.
Zielpublikum sind Privat-, aber auch Firmenkunden.
Mitgliedschaft: einmaliger Genossenschaftsanteil: 1000.- (rückzahlbar bei Austritt).
Jahresabonnement: 190.- (mit GA oder Halbtaxabo SBB).
Kombi-Abo (mit Jahresabo einzelner Verkehrsbetriebe, z.B. Zürich): 25.-/Jahr.
Stundentarif z.B. für Smart: 2.70 (Tag), 60 Rappen (Nacht). Mercedes Transporter: 4.20 (Tag), 60 Rp. (Nacht).
Kilometergebühren für Smart: 52 Rp. bis 100km, 26 Rp. ab 101km. Mercedes Transporter: 90 Rp. bis 100km, 45 Rp. ab 101km.

Mobility und die Stiftung Klimarappen haben ein gemeinsames Projekt zur CO2-Reduktion lanciert.

Ziele: Bis 2012 weitere 50’000 Kunden gewinnen, die rund 30’000 Tonnen CO2 einsparen werden. Grundlage: Jeder Kunde spart pro Jahr 200kg CO2 (Studie BFE 2006).

Mit dem Klimarappen-Beitrag will Mobility v.a. Marketing (Hauptzielgruppe Privatkunden) und Verkauf (Zielgruppe Geschäftskunden) intensivieren.

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