EU-Vereinbarung ermöglicht Rückweisung von Äthiopiern
(Keystone-SDA) Äthiopien hat sich erstmals seit fünf Jahren bereit erklärt, abgewiesene Asylsuchende aus der Schweiz zurückzunehmen. Grundlage dafür ist eine Vereinbarung zwischen der EU und Äthiopien, die auch für das Schengenland Schweiz gilt.
Die Schweiz und Äthiopien hätten sich bei einem «politischen Dialog» im März dieses Jahres darauf geeinigt, dass die Vereinbarung «für die Rückübernahme äthiopischer Staatsangehöriger ohne Aufenthaltsrecht, respektive illegalem Aufenthalt» auch für die Schweiz gelte. Das teilte das Staatssekretariat für Migration (SEM) am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA mit.
Es bestätigte damit einen Bericht in den Tamedia-Mantelzeitungen. Vorausgesetzt werde dabei, dass die betreffende Person durch die äthiopischen Behörden als Staatsbürger anerkannt werde. Seien keine gültigen Identitäts- oder Reisedokumente vorhanden, müssten die Personen «zunächst durch die äthiopischen Behörden identifiziert werden».
Für die Identifikation der eigenen Staatsangehörigen habe Äthiopien den Sicherheitsdienst, die National Intelligence and Security Service (NISS), bestimmt. Die Schweiz stelle dem Dienst aber ausschliesslich diejenigen Daten zur Verfügung, die zur Feststellung der Identität nötig und legal übermittelt werden könnten, schreibt das SEM weiter.
Für Überwachung bekannt
Für Amnesty International (AI) ist diese Zusammenarbeit mit dem NISS «höchst problematisch». Äthiopien sei für seine Überwachungsmethoden bekannt und der NISS habe in Äthiopien weitreichende Vollmachten. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Diaspora in der Schweiz bereits jetzt überwacht werde. Mit dieser Kooperation würden vor allem Oppositionelle zusätzlich gefährdet.
Gemäss SEM halten sich zur Zeit rund 300 äthiopische Staatsangehörige «mit einem rechtmässigen Wegweisungsentscheid» in der Schweiz auf.
Dazu gehört auch der Imam, der in der An-Nur-Moschee in Winterthur zur Gewalt an «schlechten Muslimen» aufgerufen hatte. Der 25-Jährige war untergetaucht, nachdem er vom Bezirksgericht Winterthur zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden war. Er wurde später in Deutschland festgenommen.
Status der Eritreer überprüfen
Auch im Fall des Nachbarlandes Eritrea verschärft das SEM seine Praxis: Am Mittwoch hatte die SRF-Sendung «Rundschau» bekannt gemacht, dass das Amt den Status von 3200 vorläufig aufgenommenen Eritreern überprüfen will. Dabei handelt es sich um eritreische Staatsangehörige, die illegal ausgereist sind oder ihre Dienstpflicht geleistet haben.
Das Bundesverwaltungsgericht war Ende 2017 zum Schluss gekommen, dass diese bei der Rückkehr ins Heimatland nicht generell mit einer erneuten Einberufung in den Nationaldienst oder mit Bestrafung rechnen müssten. Eine Rückkehr in ihr Heimatland sei deshalb nicht generell unzumutbar.
Das SEM hatte seine Praxis 2015 «angepasst», nachdem das Amt zu «neuen Erkenntnissen» gelangt sei. Diese neuen Fakten hätten sich auf Grund einer eigenen Findungsmission, von Medienberichten und geheimdienstlichen Informationen ergeben, sagte SEM-Sprecher Lukas Rieder auf Anfrage. Bis jetzt seien erst wenige hundert Briefe verschickt worden.
«In Nothilfe abgedrängt»
Menschenrechtsorganisationen reagierten empört auf den Entscheid. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) forderte Justizministerin Simonetta Sommaruga auf, «unverzüglich» von der Überprüfung von vorläufig aufgenommenen Eritreerinnen und Eritreern Abstand zu nehmen.
Für den Schweizerischen Friedensrat (SFR) unterstützt die Schweiz direkt die eritreische Diktatur. Mit der Überprüfung der vorläufigen Aufnahme von über 3200 Flüchtlingen aus Eritrea betreibe der Bund Symbolpolitik auf Kosten der Schwächsten in der Gesellschaft. Der Friedensrat fordert das SEM auf, die Überprüfung der vorläufigen Aufnahme für Eritreer sofort einzustellen.
Auch AI verlangt, dass das SEM die «angedrohten Massenaufhebungen» der vorläufigen Aufnahmen nicht umsetzt. Die Organisation sieht in der Massnahme eine Reaktion auf den innenpolitischen Druck. Doch während die Schweiz vor dem UNO-Menschenrechtsrat in Genf im März dieses Jahres noch Besorgnis über die Menschenrechtslage in Eritrea geäussert habe, markiere sie nun auf Basis derselben Informationen Härte, wird Reto Rufer, Kampagnenverantwortlicher für Afrika, in einem Communiqué zitiert.