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Swissinfo unter Druck: Eine Frage des politischen Willens

Larissa M. Bieler

Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer erleben oft polarisierende Debatten um ihre politische Mitbestimmung. Swissinfo stellt wichtige Brücken zur Heimat her – doch das Angebot ist durch geplante Bundeskürzungen bedroht.

Sollten Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer mehr politischen Einfluss haben? Diese Frage ist auf der Dialog-Plattform der SRG kontrovers diskutiert worden: «Ja, gebt ihnen mehr Mitspracherecht. Menschen, die in verschiedenen Ländern gelebt haben, sind viel klüger. Sie haben ein besseres Verständnis für verschiedene Kulturen und dafür, wo die Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt steht.» Aber auch: «Meiner Ansicht nach sollten Leute, die das Land mehr als ein Jahr verlassen, bis zur eventuellen Rückkehr, hier nicht mehr abstimmen dürfen.»

Als Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer wissen Sie, dass Sie im Inland aufgrund Ihrer Rechte polarisieren. Dabei geht es oft um haltlose «Schmarotzer»-Vorwürfe, Sozialhilfe und die steigende Anzahl der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, um politische Macht und Abstimmungsresultate. Fern der Heimat, politisch stimmberechtigt – das provoziert Fragen zur Zugehörigkeit, zur Gerechtigkeit, zur Solidarität. In solch emotionalisierten Debatten rückt die Auslandschweiz vermehrt in den Fokus von Medien und Politik.

Bundesrat möchte Halbierung des Angebots fürs Ausland

Umso wichtiger ist eine beständige und sachliche Berichterstattung, nicht nur über, sondern für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer – differenziert, einordnend und im Dialog. Dieser Informationsauftrag ist im Gesetz verankert. 1935 als «Schweizer Radio International» gegründet, tut Swissinfo dies heute als digitales Angebot in zehn Sprachen. Mit rund 45 Mio. Website-Besuche pro Jahr, in Krisenzeiten deutlich mehr.

Warum dies demokratiepolitisch bedeutend ist? Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sind von politischen Entscheiden oft anders betroffen als Schweizerinnen und Schweizer im Inland. Schafft man die Kinderrenten ab, werden Härtefälle in der Schweiz durch Ergänzungsleistungen abgefedert. Im Ausland nicht, es gibt dort keine Ergänzungsleistungen. Und wenn Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer anders abstimmen, verdient das im Inland Aufmerksamkeit.

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Doch dieses bewährte und gesetzlich verankerte Auslandangebot steht unter massivem politischem Druck: Der Bundesrat plant im Entlastungspaket ab 2027 die Bundessubventionen für das internationale Angebot der SRG vollständig zu streichen. Das käme einer Halbierung des Budgets gleich – mit Folgen für die mediale Grundversorgung der Auslandschweiz wie für die Präsenz und Souveränität der global vernetzten Schweiz.

Lebensrealität statt Quotenhit

Swissinfo ist demokratisches Werkzeug für die Schweiz. Auswanderer-Geschichten sorgen für Quotenhits im Inland, doch die Informationsbedürfnisse der Community sind damit nicht abgedeckt. «Das hat mit unserer Lebensrealität oft wenig zu tun», sagte mir kürzlich eine Auslandschweizerin. Wer das politische Geschehen aus der Distanz verfolgt, braucht Kontext, Einordnung und eine kompakte Schweizer Gesamtsicht.

SWI swissinfo.ch ist das internationale, zehnsprachige Onlinemedium der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG für ein internationales, an der Schweiz interessiertes Publikum sowie für Schweizerinnen und Schweizer im Ausland. Seit 1935 moderieren wir mit unabhängiger und fundierter Berichterstattung globale Themen, zeigen unterschiedliche Perspektiven auf und fördern den interkulturellen Dialog.

Swissinfo liefert dies genau dort, wo nötig, und ermöglicht den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern, ihre politischen Rechte gut informiert auszuüben: Tägliche Nachrichten-Briefings, Austausch und Vernetzung in einer Community mit eigenen Perspektiven, Sorgen und Bedürfnissen – all das ist einzigartig als Medienangebot, aber kein Luxus, sondern Notwendigkeit.

Ein Kanton ohne Medien?

Ein Kanton ohne Medienangebot wäre heute demokratiepolitisch undenkbar. Die 830’000 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer bilden den viertgrössten «Kanton» der Schweiz. Auch wenn es mit der künstlichen Intelligenz technische Möglichkeiten gibt, macht ein Übersetzungsbutton aus einer Nachrichtensendung keine verständliche Berichterstattung für Menschen, die seit Jahrzehnten im Ausland leben oder aufgewachsen sind und den roten Pass besitzen.

Swissinfo übersetzt nicht nur sprachlich, sondern auch kulturell und politisch. Diese Brückenfunktion fällt weg, wenn Inhalte zwar technisch verfügbar, aber nicht eingeordnet werden. Und kommerzielle, private Medien können diese Aufgabe nicht übernehmen.

Die Auslandschweiz ist Teil der demokratischen Vielfalt der Schweiz. Sie braucht starke Medien wie Swissinfo und die von der ASO herausgegebene «Schweizer Revue» – nicht nur im Moment öffentlicher Empörung, sondern dauerhaft. Diese Aspekte wurden im Entlastungspaket 27 zu wenig berücksichtigt. Die Politik kann diesen Kurs im Herbst im Parlament wieder korrigieren.

Larissa M. Bieler ist in Bonaduz (GR) aufgewachsen. 2007 schloss sie an der Universität Zürich das Studium in Sprachwissenschaften, Management and Economics sowie Politikwissenschaft ab. Nach dem Studium arbeitete sie an der Universität Zürich, sowie am CNRS (Centre national de la recherche scientifique) in Paris. Während und nach dem Studium war sie viele Jahre als freischaffende Journalistin tätig.

2013 wurde Larissa M. Bieler Chefredaktorin des «Bündner Tagblatt». Im Januar 2016 wechselte sie zur SRG als Chefredaktorin von SWI swissinfo.ch. 2018 wurde sie dann Direktorin von SWI swissinfo.ch und gehört seit 2022 zur Geschäftsleitung der SRG.

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