mare oder: Leidenschaft Meer
Seit fünf Jahren wird in Hamburg "mare - Die Zeitschrift der Meere" produziert. Eine Zeitschrift der besonderen Art - und Idee eines Schweizers.
Nikolaus Gelpke ist ein Träumer, der seine Leidenschaft vor fünf Jahren erstmals einem breiten Publikum zugänglich gemacht hat. Das Resultat: mare – Augenschmaus und Lesegenuss. Und ein Risiko.
Wer in dieser tempobolzenden Welt will schon seitenlange Reportagen lesen? Wer hat die Musse, immer wieder nach derselben Zeitschrift zu greifen, und in eine unbekannte Welt zu versinken? Die Antwort: 32’000 Leserinnen und Leser aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und Spanien (Mallorca).
Eine Zeitschrift gegen den Strom
Zu wenig zum Überleben, zu viel zum Sterben. mare hat es in fünf Jahren noch nicht in die schwarzen Zahlen geschafft, ist aber auf bestem Weg dazu. «Das Heft ist gegen den Strich und gegen den Trend – zum Glück auch im Verkauf.»
Im Gegensatz zu anderen Zeitschriften geht es mit mare zur Zeit kontinuierlich bergauf. «Je schnelllebiger die Zeit wird, desto mehr merken wir, dass wir mit unserem langsamen, entschleunigten Blatt unsere Chancen haben.» Auch der Erscheinungsrhythmus ist entschleunigt: mare erscheint nur sechs Mal jährlich.
Das Meer und seine Geschichten
mare ist nicht primär Meer: «In Wirklichkeit sind wir eine Zeitschrift, wo das Meer teilweise kaum vorkommt. Es geht um Geschichten, die vom Meer angeschoben werden, um den Einfluss des Meeres im weitesten Sinne auf unsere Gesellschaft, auf die Menschen, die Wirtschaft.»
So kam denn auch im November 1998 ein Heft mit dem Schwerpunktthema «Schweiz» heraus. Der Untertitel: «Das Meer ruft. Ein Land legt ab.» Was nun hat die Schweiz mit dem Meer zu tun? Was die Schweizer?
«Die Schweizer reisen, sind Kosmopoliten. Und jemand, der ans Meer reist, hat ein grösseres Sehnsuchtspotenzial, als jemand, der am Meer lebt.» Zudem liefern die Titel der Geschichten im Blatt die Antwort: «Die Quellen der Meere: Im Land der Wasserscheiden.» Oder: «Die edlen Wilden: Südsee-Insulaner und Schweizer – beide galten lange als Inbegriff des unschuldigen Naturmenschen.»
Ideen ohne Ende
mare kennt keine Grenzen. Das Heft, das wenige Tage vor dem fünfjährigen Jubiläum herauskam hat «Sex» zum Schwerpunktthema. Die obligate Geschichte über Matrosen auf Landgang fehlt genauso wenig wie die ausgefallene Idee, die Fortpflanzung der Meeresbewohner zu betrachten: «Jedem Tierchen sein Pläsierchen.»
An Ideen mangelt es nicht, an Leidenschaft ebenso wenig. Seit fünf Jahren leitet der ausgewanderte Zürcher eine kleine Redaktion mitten in Hamburg. Es sei eine kleine Familie, die alles zusammen mache. «Wir sind noch immer genau gleich ängstlich, genauso spontan und freudig wie früher.»
Der Schweizer Meeresliebhaber
Herausgeber und Chefredakteur Nikolaus Gelpke bezeichnet sich innerhalb des Teams als «Spiritus Rector» und gleichzeitig «Lenkende Hand». Mit sechs Jahren hatte er erstmals den Zeh ins salzige Wasser des Mittelmeeres gestreckt – ein einschneidendes Erlebnis. «Grosse Wellen – ich mochte sie sofort.»
Gelpke wurde Meeresbiologe und lernte das Meer von oben und von unten lieben: Als Berufstaucher und auf Forschungsschiffen. Bis er eines Tages merkte, dass sich diese Vielseitigkeit in keinem Medium niederschlug. Damit war mit Meeresbiologie Schluss. Er wagte den Schritt in die Welt der Verlage.
Und weil die Idee so schön ist, «dass man sie auf andere Medien ausweiten kann», entstanden Hörbücher, mare-TV und im Herbst folgt der mare Buchverlag.
Der Traum vom Segeln
«Träume haben immer Bestand und die Vorfreude ist die Grösste. Wer gut träumen kann, der freut sich jetzt schon darauf, auch wenn es vielleicht nie stattfindet.»
Für Nikolaus Gelpke heisst dieser Traum: um die Welt segeln. Alleine. Aber Achtung: Es ist ein Traum. Der vielleicht nie stattfindet.
Für Leserinnen und Leser von mare heisst das: sich auf die nächste Ausgabe freuen. Diese folgt allerdings erst Anfang Juni.
Rebecca Vermot
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