Todesanzeigen für Tiere

Einzelne Schweizer Zeitungen haben einen neuen Markt entdeckt: Sie bieten in entsprechenden Rubriken Todesanzeigen für Tiere an.
Diese Art des Abschiednehmens ist umstritten.
«Das ist ein weiterer Schritt in die Beliebigkeit», sagt der Präsident des Verbandes der Zürcher Psychologen, Reto Volkart. «Dass Verlage Todesanzeigen für Tiere nun als Marktlücke entdeckt haben und das Thema gleich vermarkten, finde ich bezeichnend für die Entwicklung, alle Grenzen aufzulösen und sich alles einzuverleiben.»
Rituale in Frage gestellt
Als «neue Version der Trauerarbeit» bezeichnet hingegen Eva Waiblinger von der Fachstelle Heimtiere des Schweizer Tierschutzes die Todesanzeigen für Tiere.
Bei Menschen hätten Todesanzeigen eine andere Aufgabe. Dort dienten sie normalerweise dazu, den Bekannten mitzuteilen, dass jemand gestorben sei und wann die Beerdigung stattfinde.
Die zunehmende Bedeutung von Todesanzeigen für Tiere zeige die wachsende Bedeutung der Tiere, sei gleichzeitig aber auch ein Symptom für die Vermenschlichung der Tiere, so Waiblinger.
So lange die Vermenschlichung erst nach dem Tod eines Tieres stattfinde, sei dies weniger schlimm.
«Todesanzeigen gehören zu den letzten Ritualen, mit denen wir von den Toten Abschied nehmen. Wenn man sie nun für Tiere zulässt, wird auch das Ritual in Frage gestellt», kommentiert hingegen Reto Volkart.
Für jede Amsel eine Todesanzeige?
Georg Pfleiderer, Professor für Systematische Theologie und Ethik an der Universität Basel, ist gegen Todesanzeigen für Tiere. So verständlich die Trauer von Tierfreunden sei: Nur Menschen sollten seiner Meinung nach Todesanzeigen bekommen. «Und zwar unabhängig davon, wie sehr oder wie wenig sie geliebt wurden.»
Die Würde des Tieres, auch die des geliebten Tieres, werde besser gewahrt, indem man auf eine solche «Würdigung» verzichte, meint Pfleiderer.
Bei Menschen gehe man davon aus, dass jeder Mensch, egal wie wichtig oder bekannt er ist, eigentlich eine Todesanzeige – und sei es nur eine einzeilige – verdient hat.
Bei Tieren führe dieser Gedanke schnell in Absurditäten: «Wollen wir jeder Amsel, die vom Baum fällt, eine Todesanzeige schreiben?» fragt Pfleiderer.
«Müssten wir, wenn wir alle Trauergefühle veröffentlichten wollten, nicht auch das Ende von langjährigen Freundschaften oder Ehescheidungen oder womöglich gar den Verlust eines lieben Gegenstandes in Traueranzeigen mitteilen?»
Jasper – Kind oder Katze?
Die Diskussion ausgelöst hatte eine Todesanzeige für den Kater Jasper im «Tages Anzeiger» vom 3. Februar. Die Todesanzeige wurde allerdings nur deshalb veröffentlicht, weil die Auftraggeber aufgrund einer Nachfrage des Verlages versicherten, bei Jasper handle es sich um ein Kind und bei der abgebildeten Katze um sein Lieblingstier.
Das Missverständnis flog dann aber schnell auf. Der «Tages Anzeiger» bedauerte die Veröffentlichung, erläuterte den Lesern, wie es dazu kommen konnte und erklärte, dass er künftig auf solche Anzeigen verzichte.
Es sei das erste Mal gewesen, dass die Zeitung mit diesem Thema konfrontiert worden war, sagt die Sprecherin des Verlags, Eta Pavlovic dazu.
Viele Leserinnen und Leser reagierten empört, andere fragten sich, warum man das nicht tun sollte.
Inzwischen hat die Zeitung ihre Politik geändert und bietet unter der Rubrik Privatmarkt dreimal pro Woche die Möglichkeit an, Todesanzeigen für Tiere mit Fotos zu veröffentlichen.
Überfällig oder geschmacklos?
Auch das «Tagblatt der Stadt Zürich» erkannte das Bedürfnis und bot flugs eine neue Rubrik mit dem Titel «Abschied vom Haustier» an.
«Die einen halten einen solchen Schritt für überfällig, die anderen finden ihn geschmacklos», schreibt Chefredaktor Markus Hegglin dazu in seiner Zeitung.
Ebenfalls reagiert hat die «Tierwelt». Bisher seien solche Todesanzeigen kein Thema gewesen, aber in einigen Wochen werde auch die «Tierwelt» diese Möglichkeit anbieten, sagt Verlagsleiter Kurt Lipp.
Ob dies in Form einer eigenen Rubrik geschehe oder innerhalb der einzelnen Tierrubriken, sei noch nicht entschieden.
swissinfo und Mark Theiler (sda)
Am 3. Februar veröffentlichte der Zürcher «Tages Anzeiger» eine Todesanzeige für den Kater Jasper.
Der Auftraggeber hatte angegeben, es handle sich bei Jasper um ein Kind.
Der Schwindel flog auf. Das Blatt bedauerte den Fehler.
Jetzt hat der «Tages Anzeiger» seine Politik geändert. Er veröffentlicht – in einer speziellen Rubrik – Todesanzeigen für Tiere.

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