Kinder werden vor dem Bildschirm fett
Kinder, die lange vor dem Fernseh-Apparat sitzen, sind häufiger übergewichtig oder gar fettleibig. Das zeigt eine Studie bei Schweizer Schulkindern.
Eltern sollten deshalb die Zeit limitieren, die ihre Kinder mit Videospielen und Fernsehen verbringen, fordern die Ärzte.
Untersucht wurden die Fernseh-Gewohnheiten von 872 Schulkindern in der Nordost-Schweiz. Diese sassen pro Tag im Schnitt zwei Stunden vor dem TV-Apparat, manche gar bis zu vier Stunden.
Durchgeführt wurde die Studie von Ärzten des Zürcher Universitäts-Spitals und des Children’s Hospital von Philadelphia (USA) an zehn Schulen. Sie untersuchten neben dem TV- und Videogame-Konsum ferner, ob die Kinder vor dem Bildschirm Mahlzeiten oder Snacks assen.
«Nach unserem Wissen stellt die Studie den bisher stärksten Zusammenhang her zwischen der Zeit, welche Kinder mit Videospielen verbringen, und Fettleibigkeit», sagt Nicolas Stettler, Leiter der Untersuchung. Die Resultate wurden in der Juni-Ausgabe der wissenschaftlichen Zeitschrift «Obesity Research» publiziert.
Sitzen sitzen sitzen
Ausgegangen sind die Forscher von der Frage, welche Einflüsse Umwelt und Verhalten auf Übergewicht und Fettleibigkeit haben. Wichtigster Faktor dabei war das Freizeitverhalten.
«Aufgrund der vorliegenden Resultate würde es sich empfehlen, wenn die Eltern ihren Kindern die Zeit begrenzen würden, die sie mit elektronischen Spielen verbringen», sagt Stettler.
Eine zentrale Rolle spielt der Mangel an Bewegung. Paolo Suter vom Zürcher Uni-Spital und Mitautor der Studie: «Wenn wir davon ausgehen, dass ein Kind acht Stunden in der Schule sitzt, acht Stunden schläft und vier Stunden vor dem TV sitzt, bleibt für andere Aktivitäten nicht mehr viel übrig.»
Kulturelle Unterschiede
In der Untersuchung zeigte sich, dass die Kinder ausländischer Eltern doppelt so häufig dick sind als Kinder mit Schweizer Eltern. Sie sitzen auch länger vor dem Bildschirm und bewegen sich weniger.
Sind Kinder einmal übergewichtig oder fettleibig, ist es sehr schwer, das Gewicht wieder zu senken, so die Erfahrung Paolo Stettlers. «Der Prävention kommt deshalb im Kampf gegen diese weltweite Epidemie grosse Bedeutung zu.» Zudem sei weitere Forschung nötig.
Starke Zunahme
Eine frühere Studie des Labors für Humanernährung der ETH Zürich zu Übergewicht bei Kindern hatte im März dieses Jahres alarmierende Ergebnisse zu Tage gefördert.
Demnach ist in der Schweiz jedes fünfte Kind zwischen sechs und zwölf Jahren zu dick. Rund 4% der Kinder haben gar massives Übergewicht.
Die Forscher konnten dabei keinen Unterschied zwischen Stadt- und Landkindern feststellen. In den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der dicken Kinder in der Schweiz verdreifacht, diejenige der fettleibigen Kinder gar versechsfacht.
Kinder leiden selber am meisten
Die Folgen davon sind schwere Leiden wie Bluthochdruck, Stoffwechselstörungen und Zuckerkrankheit bereits im Kindesalter. Dazu kommen die psychischen Schädigungen, die zu dicke Kinder infolge dummer Sprüche, Mobbying und Ausgrenzung erleiden.
Die Konsequenzen hat aber nicht nur das in diesem Alter empfindliche Kind zu tragen, sondern auch die Allgemeinheit, nämlich in Form von höheren Gesundheitskosten.
Dabei ist der Arzt nur ein Teil der Behandlungskette. Vielfach müssen auch Therapeuten und Psychologen, Ernährungsberater und sogar Sportlehrer beigezogen werden.
Lebensstil ausschlaggebend
Für Paolo Suter vom Uni-Spital Zürich, der sich als Forscher seit Jahren mit übergewichtigen Kindern beschäftigt, ist klar, warum Kinder (und Erwachsene) in der Schweiz immer dicker werden: «Am wichtigsten ist der veränderte Lebensstil mit zu wenig Bewegung und damit einhergehend zu wenig Energieverbrauch.» Gleichzeitig werde aber zu viel Energie zugeführt.
«Wir untersuchten mehrere tausend Kinder und kamen zum Schluss, dass der TV-Konsum und der damit verbundene körperliche Stillstand den grössten Einfluss auf das Körpergewicht hat», sagt der Mediziner. In der Regel gelte: Je höher der TV-Konsum, desto geringer die körperliche Aktivität und umso schwerer das Kind.
swissinfo, Adam Beaumont
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)
In der Studie wurden 872 Kinder im Alter von 7 bis 9 Jahren untersucht.
Sie sassen im Schnitt zwei Stunden pro Tag vor dem Bildschirm.
In Einzelfällen betrug der TV- und Videogame-Konsum vier Stunden.
Eine Studie von Schweizer und US-Forschern hat einen klaren Zusammenhang von TV- und Videogame-Konsum und Fettleibigkeit bei Kindern hergestellt.
Fettleibigkeit bei Kindern ausländischer Eltern ist doppelt so häufig wie bei Schweizer Kindern.
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