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Umfrage: Grünes Licht für Schweizer Energiewende

Für Politologen spielt die hohe Glaubwürdigkeit von Bundespräsidentin Doris Leuthard den Befürwortern der Energiewende in die Hände. Keystone

Der Energiestrategie 2050, über die das Schweizer Stimmvolk am 21. Mai 2017 abstimmt, scheint nichts mehr im Weg zu stehen: Hätte die Abstimmung bereits in der ersten Märzhälfte stattgefunden, wäre das Energiegesetz mit einem Ja-Anteil von 61% angenommen worden. Es verbietet unter anderem den Bau neuer Atomkraftwerke.

Glaubt man den Zahlen, sieht es gut aus für das revidierte Gesetz, das die Energiezukunft der Schweiz bis ins Jahr 2050 regeln soll. Demnach sind 61% der Befragten für das Vorhaben, das auch eine Mehrheit im Parlament unterstützt. 30% lehnen es ab und 9% sind noch unentschlossen, wie die erste Umfrage der SRG-SSRExterner Link-Trendbefragung zeigt, die vom Forschungsinstitut gfs.bernExterner Link durchgeführt wurde. Die Stimmbeteiligung hätte bei 45% gelegen.

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Das revidierte Energiegesetz verbietet nicht nur den Bau neuer Atomkraftwerke. Es legt auch Referenzwerte für die Förderung “neuer Energien” wie Wind- und Sonnenkraft fest. Und es sieht eine Unterstützung für Wasserkraftwerke vor, ein Pfeiler der einheimischen Energiewirtschaft, da diese wegen der tiefen Preise auf dem europäischen Strommarkt unter Druck geraten sind. Schliesslich soll der Energiekonsum von Gebäuden, Motorfahrzeugen und elektrischen Geräten reduziert werden.

Grafik Energiestrategie 2050
swissinfo.ch

Meinungen weitgehend gemacht

Das Institut gfs.bern zeigt sich vorsichtig und ruft in Erinnerung, dass es sich hier nicht um eine Prognose, “sondern eine Ausgangslage zu Beginn der Hauptkampagne im Abstimmungskampf” handle. Aber gfs.bern-Verwaltungsratspräsident Claude Longchamp sagte am Donnerstag vor den Medien, dass die Befürworter der Energiewende sehr gute Erfolgsaussichten hätten.

Zwar kann der nun beginnende Abstimmungskampf noch einiges bewegen, vermutlich aber nicht genug, um die Richtung des Trends noch zu ändern. Denn 52% der Befragten gaben an, sich ihrer Sache schon sicher zu sein. Das Institut qualifiziert den Stand der Meinungsbildung deshalb als “mittel bis stark fortgeschritten”.

In der Schweiz werde oft über Energiefragen abgestimmt, so Longchamp. Deshalb sei es nicht erstaunlich, dass sich viele zu diesem Zeitpunkt bereits eine feste Meinung gebildet hätten. Für den Politologen, der seine 77. Umfrage präsentierte, ist der Stand der Meinungsbildung ein Schlüsselfaktor: Bei der Präsentation der Resultate einer ersten Umfrage sei das für ihn die wichtigste Zahl.

Mit Blick auf die Argumente der Befürworter erwähnten die Befragten die Aussicht auf zukunftsträchtige Arbeitsplätze am häufigsten (73% bestimmt/eher einverstanden). Auch die Argumente der Nutzung einheimischer, erneuerbarer Energiequellen (61%) und der Verzicht auf Atomenergie (54%) schienen zu überzeugen.

Unter den Gegnern war die Unterstützung der Bürokratie-Kritik am grössten (63%). Mehrheitsfähig waren auch die Bedenken wegen Mehrkosten (56%). Hingegen schlossen sich nur 37% der Befragten dem Argument an, bei einem Ja zum Energiegesetz sei die Versorgungssicherheit gefährdet.

Zeichen stehen auf grün

Der Stand der Meinungsbildung ist aber nicht der einzige Faktor, der darauf hinweist, dass das Stimmvolk der Energiewende zustimmen wird: Sämtliche berücksichtigten Indikatoren weisen in diese Richtung.

So ist mit 54% einzig eine Mehrheit der Wählenden der rechts-konservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) gegen das revidierte Gesetz. Die Partei war es auch, die gegen die Energiewende das Referendum ergriffen hatte. Bei den Wählenden aller anderen Parteibindungen und bei Parteiungebundenen liegt die Zustimmung laut Umfrage nie unter 60%. Am deutlichsten sind linke Wählende für die Energiewende, mit einem Ja-Anteil von 83% bei den Grünen und 87% bei den Sozialisten.

Die Zustimmung ist auch in allen Sprachregionen der Schweiz mehrheitlich. Am klarsten fällt sie in der lateinisch geprägten Schweiz aus (68%), etwas geringer ist sie in der deutschsprachigen Schweiz (57%).

Zudem gilt es zu erwähnen, dass die Energiestrategie 2050 unter den Befragten mit einem mittleren Einkommen und Bildungsstand auf Zustimmung stösst – laut Longchamp ein weiterer Faktor, der auf ein Ja an der Urne deutet.

Der Leuthard-Effekt

Schliesslich spielt den Befürwortern des Energiegesetzes auch das Bild von Bundespräsidentin und Energieministerin Doris Leuthard in die Hände: 65% der Befragten halten die Galionsfigur des Atomausstiegs und der Energiestrategie 2050 für glaubwürdig.

Für Schweizer Verhältnisse sei eine solche Glaubwürdigkeit einer Bundespräsidentin typisch, erinnerte Longchamp vor den Medien. “Regierungsvertrauen und Glaubwürdigkeit der Bundesrätin Leuthard beeinflussen die Stimmabsichten signifikant”, schreibt das gfs.bern.

Die Umfrage

Die 1. Welle der SRG-SSR-Trendbefragung wurde vom Institut gfs.bern im Auftrag der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG SSR) durchgeführt, zu der auch swissinfo.ch gehört.

Zwischen dem 20. und 31. März 2017 wurden 1203 repräsentativ ausgewählte Stimmberechtigte telefonisch befragt. Der Stichprobenfehler liegt bei +/- 2,9% Prozentpunkten.

Aus datenschutzrechtlichen Gründen haben die Befrager keinen Zugang zu den Koordinaten der Auslandschweizer und –schweizerinnen.

(Übertragung aus dem Französischen: Kathrin Ammann)

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