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US-Regionalbankenkrise reisst Schweizer Bankaktien in die Tiefe

Credit Suisse-Aktien weiter im freien Fall (Symbolbild) KEYSTONE/AP/Bernd Kammerer sda-ats

(Keystone-SDA) Die Erschütterungen im US-Regionalbankensektor durch die Schieflage der Silicon Valley Bank (SVB) haben Bankaktien rund um den Globus in die Tiefe gerissen. In der Schweiz stürzten die Titel der Credit Suisse am weitesten ab. Aber auch UBS-Aktien litten stark.

Am Morgen sackte die Credit Suisse-Aktie um über 15 Prozent auf ein neues Allzeittief bei 2,115 Franken ab. Danach konnte das Papier die Kursverluste jedoch wieder etwas eingrenzen und stand bei Börsenschluss noch um 9,6 Prozent im Minus auf gerade mal noch 2,257 Franken.

Die Papiere der Konkurrentin UBS gerieten ebenfalls unter die Räder und büssten 7,7 Prozent ein. Die Aktien von Julius Bär verloren derweil 5,5 Prozent. Der Ausverkauf an den Börsen erinnerte viele Marktteilnehmer mittlerweile an die Finanzkrise von 2008 nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers.

Beruhigungspille wirkt nicht

Am Wochenende hatte in den USA eine Troika aus Fed, Finanzministerium und Aufsichtsbehörden versucht, die blank liegenden Nerven nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) zu beruhigen. Das auf Start-up-Finanzierung spezialisierte Geldhaus war am Freitag nach einer gescheiterten Notkapitalerhöhung vorübergehend geschlossen und unter staatliche Kontrolle gestellt worden. Das hatte weltweit für Unruhe gesorgt. Hinzu kam, dass noch weitere US-Regionalbanken die Pforten schlossen.

In den USA verkündete die Regierung eine Absicherung aller Einlagen bei der SVB. Finanzministerin Janet Yellen, Notenbankchef Jerome Powell und die US-Einlagensicherung FDIC gaben am Sonntagabend (Ortszeit) in einer gemeinsamen Stellungnahme bekannt, alle Einleger würden vollständig geschützt und könnten ab Montag auf ihr gesamtes Geld zugreifen: «Der Steuerzahler wird keine Verluste im Zusammenhang mit der Abwicklung der Silicon Valley Bank tragen müssen.»

Biden: US-Bankensystem ist sicher

US-Präsident Joe Biden bekräftigte am Montag: «Die Amerikaner können sich darauf verlassen, dass das Bankensystem sicher ist.» Kunden, die ihr Geld bei den über das Wochenende geschlossenen Geldhäusern Silicon Valley Bank und Signature Bank angelegt hatten, seien geschützt und hätten Zugang zu ihren Ersparnissen.

Die Investoren, die hinter den Banken stünden, müssten ihre Verluste hingegen selbst tragen. Ausserdem würden die Manager der unter staatliche Kontrolle gestellten Geldinstitute entlassen, kündigte Biden an.

Lindner: Stabilität nicht gefährdet

Der deutsche Finanzminister Christian Lindner sieht die Stabilität des europäischen Finanzsystems infolge der Schieflage der amerikanischen Silicon Valley Bank (SVB) nicht gefährdet. «Wir sehen, dass die amerikanische Regierung und Finanzinstitutionen entschlossen gehandelt haben», sagte der FDP-Politiker in Brüssel vor einem Treffen mit den Finanzministern der Euro-Länder.

Es gebe eigene Behörden in Europa, in Deutschland beispielsweise die Finanzaufsicht, die die Situation fortwährend beobachteten. «An der Stabilität haben diese Institutionen keinen Zweifel gelassen.»

Auch der EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte, er sehe keine besondere Gefahr. Natürlich beobachte die EU-Kommission die Situation in engem Kontakt mit der Europäischen Zentralbank. Alle europäischen Banken, nicht nur die grössten, hielten sich an entsprechende Vorschriften, so dass es keine direkten Auswirkungen gebe. «Die Möglichkeit einer indirekten Auswirkung ist etwas, das wir überwachen müssen, aber im Moment sehen wir das nicht als ein bedeutendes Risiko an.»

Schweizer Aufsicht wortkarg

Im Gegensatz dazu blieben die Schweizer Aufsichtsbehörden wortkarg: Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma wollte keine Stellungnahme zum Kurszerfall der Credit-Suisse-Aktien und zum Zustand der Bank abgeben. «Die Finma äussert sich nicht zu Aktienkursen von Beaufsichtigten oder zu Einzelheiten ihrer Aufsichtstätigkeit bei einzelnen Instituten», sagte ein Sprecher auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP.

Der Finma-Sprecher ergänzte immerhin, die Behörde nehme die Medienberichte unter anderem zur Silicon Valley Bank in den USA zur Kenntnis und beobachte die Situation genau. Wie bei solchen Vorkommnissen üblich, evaluiere man die direkte und indirekte Exposition der beaufsichtigten Banken und Versicherungen gegenüber den betroffenen Instituten.

«Ziel ist es, frühzeitig allfällige Klumpenrisiken und allfälliges Ansteckungspotenzial zu erkennen», so der Sprecher. Die Behörde steht laut den Angaben diesbezüglich mit verschiedenen Instituten und ausländischen Behörden wie üblich in Kontakt.

Auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) äusserte sich nicht zu den Auswirkungen der Schieflage der Silicon Valley Bank auf die Schweiz: «Wir geben keinen Kommentar ab», sagte ein SNB-Sprecher auf Anfrage von AWP.

Keine neue Finanzkrise befürchtet

Dass erneut eine Finanzkrise droht wie 2008 halten Experten aktuell für unwahrscheinlich. Zwar wecken die Probleme der SVB und anderen Geldhäusern Erinnerungen an den Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers.

Allerdings gibt es wichtige Unterschiede: So ist die SVB zwar kein kleines Institut, nach Bilanzsumme rangiert sie an Platz 16 aller US-Banken. Allerdings ist die SVB bei Weitem nicht so gross, wie es Lehman 2008 war. Hinzu kommt, dass die SVB ein auf Risikokapital und Start-ups in der Technologiebranche spezialisiertes Institut ist, wohingegen die Bedeutung von Lehman für das Finanzsystem wesentlich grösser war.

Zudem sind seit der Finanzkrise zahlreiche Sicherungsmassnahmen beschlossen worden, die eine Wiederholung damaliger Geschehnisse verhindern sollen. «Politik, Zentralbanken und Finanzmarktteilnehmer haben gelernt», erklärt etwa Commerzbank-Experte Ulrich Leuchtmann.

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