Denis Schmyhal: «Die Ukraine-Konferenz gibt uns Hoffnung»
Der ukrainische Ministerpräsident Denis Schmyhal ist für die Ukraine-Konferenz nach Lugano gereist. Im Interview sagt er, was er von der Konferenz erwartet, wie die Ukraine die Korruption bekämpfen will, und ob die Waffenlieferungen des Westens zu spät kamen.
SRF News: Was erwarten Sie von dieser Konferenz?
Denis Schmyhal: Sie gibt uns Hoffnung für die Zukunft. Wenn der Krieg beendet ist, sind wir alle zusammen mit unseren Partnern in der Verteidigung vereint. Wir werden gemeinsam unser Land wieder aufbauen, denn die Anzahl zerstörter ziviler Gebäude und zerstörter Infrastruktur ist riesig. Deshalb brauchen wir jetzt einen ganz klaren Wiederaufbauplan. Und zum anderen geht es um die Parameter der europäischen Integration unseres Landes. Wir verstehen also, dass wir das Land besser wieder aufbauen sollten als es vor diesem Krieg war.
Es wurde kritisiert, dass diese Konferenz zu früh kommen könnte, weil wir noch nicht wissen, wie die Situation nach dem Krieg aussehen wird.
Tatsächlich kommt sie gerade richtig. (…) Dieser Krieg wird jeden weiteren Tag mehr und mehr Ruinen, mehr und mehr Zerstörung der Infrastruktur und mehr und mehr Tote für unsere Leute bringen. Aber wir sollten jetzt Parameter schaffen, nach denen unser Land wieder aufgebaut werden kann. Und wir denken, dass die erste Quelle der Finanzen für diesen Wiederaufbau konfiszierte und beschlagnahmte Vermögenswerte Russlands sein sollten. Es könnte unser Staatsbudget sein. All diese Mittel werden es uns ermöglichen, unser Land wiederaufzubauen. Und wir sollten jetzt damit beginnen, denn wir alle sollten an den zukünftigen Wiederaufbau denken.
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Allem Anschein nach ist die Korruption immer noch ein grosses Problem in der Ukraine. Können Sie jenen, die Milliarden in ihr Land investieren, garantieren, dass das Geld dort ankommt, wo es hingehört?
Während des Krieges und nach ihm wurde und wird das Land, seine Rechtsstaatlichkeit und die Korruptionsbekämpfung neu strukturiert. Das ist Priorität Nummer eins. Nach dem Ende des Krieges werden wir alle Reformen fortsetzen, die wir mit unseren Partnern begonnen haben, denn das ist ein Schlüssel für unsere künftige Mitgliedschaft in der EU und das ist die kritische Frage, um dereinst ein Mitglied der Europäischen Union zu sein, ein Mitglied der Länderfamilie der Europäischen Union zu sein.
Hätte der Westen früher reagieren und Ihnen früher mit schwerden Waffen helfen sollen, um früher einen Unterschied zu machen? Wir sind unseren Partnern sehr dankbar, dass sie unserem Land zunächst Waffen und Munition geliefert haben. Wir brauchen mehr. Wir brauchen sie schneller. Aber wir verstehen die Bürokratie. Wir warten auf eine weitere Lieferung von Waffen und Munition. Wir hoffen, dass sie rechtzeitig kommt, denn jetzt brauchen wir die nächste Waffenlieferung, um die Lage an der Front zu stabilisieren und dann zu versuchen, sie zurückzudrängen und den Krieg zu gewinnen.
Das Interview führte Thomas von Grünigen.
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