Gedenkmarsch für Regierungsgegner nach Selbstverbrennung in Polen
(Keystone-SDA) In Warschau haben mehr als tausend Menschen an einem Schweigemarsch für einen Regierungskritiker teilgenommen, der sich vor wenigen Wochen aus Protest gegen die nationalkonservative Regierung selbst angezündet hatte.
Die Demonstranten versammelten sich am Montag auf dem Platz im Herzen der polnischen Hauptstadt, wo der 54-Jährige sich in Brand gesteckt hatte, und marschierten zum Sitz der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS).
Piotr Szczesny war nach seinem Protest am 19. Oktober mit schweren Verbrennungen ins Spital gekommen und eine Woche später gestorben. Am Ort seiner Selbstverbrennung hatte er ein selbst verfasstes regierungskritisches Flugblatt hinterlassen.
Daraus zitierten die Demonstranten am Montag: viele trugen Anstecker mit den Worten «ein ganz gewöhnlicher Mann, genau wie du». Die Organisatoren des Schweigemarsches verlasen das zweiseitige Flugblatt, in dem Szczesny etwa geschrieben hatte: «Ich ziehe die Freiheit vor und habe deswegen entschieden, mich anzuzünden». Er hoffe, mit seinem Tod viele Menschen aufzurütteln, hiess es in dem Flugblatt weiter.
Szcezsny hatte der Regierung vorgeworfen, Bürgerrechte einzuschränken, gegen die Verfassung zu verstossen sowie die unabhängige Justiz zu zerstören.
Die polnische Regierung der nationalkonservativen PiS hatte nach ihrem Amtsantritt im November 2015 eine Reihe umstrittener Justizreformen angestossen. Unter anderem hatte sie die Ernennung von fünf Verfassungsrichtern durch die Vorgängerregierung rückgängig gemacht.
Sie liess ausserdem ein Gesetz verabschieden, mit dem der Justizminister alle leitenden Richter an Gerichten ernennen oder entlassen kann. Die Vorschrift gilt für alle Gerichte unterhalb des Obersten Gerichtshofs einschliesslich der Berufungsgerichte.
In polnischen Justizkreisen, bei der Opposition und bei der Europäischen Union stossen die Massnahmen auf heftige Kritik. Die EU-Kommission sieht die Unabhängigkeit der polnischen Gerichte in Gefahr.
Sie leitete ein Vertragsverletzungsverfahren und ein Verfahren zur Überprüfung des Rechtsstaats gegen Polen ein. Die PiS argumentiert, es gehe darum, der Straflosigkeit der «korrupten Richterkaste» ein Ende zu setzen.