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Künstlerin fordert Rückgabe sri-lankischer Artefakte aus Basel

Eine Frau hat sich eine traditionelle Maske aufgesetzt, sie trägt Gummihandschuhe und sitzt auf einem Stuhl in einem Lift
Was als Recherche für ein Kunstprojekt gedacht war, wurde zu einem Film, der zu einem diplomatischen Rätsel wurde. soap factory films

Der preisgekrönte Dokumentarfilm «Elephants & Squirrels» des Schweizer Regisseurs Gregor Brändli erzählt die Geschichte einer sri-lankischen Künstlerin, die in Basel auf geplünderte Artefakte stösst und sich für deren Rückgabe nach Sri Lanka einsetzt. Sie zeigt, wie schwer sich die Schweiz mit der Aufarbeitung ihrer kolonialen Vergangenheit tut.

Die in Frankreich lebende, aus Sri Lanka stammende Künstlerin Deneth Piumakshi Veda Arachchige hat eine Mission: Nachdem sie im Archiv des Museums der Kulturen Basel und des Naturhistorischen Museums Basel geraubte Kulturgüter des indigenen Volks der Wanniyala-Aetto entdeckt hatte, machte sie sich daran, diese Objekte in ihre Heimat zurückzubringen.

In seinem Debütfilm «Elephants & Squirrels»Externer Link begleitet Gregor Brändli ihren Versuch, einen Prozess kultureller Restitution in Gang zu setzen. Dieser umfasst gestohlene Kunstwerke, zeremonielle Masken sowie menschliche und tierische Überreste – daher der ungewöhnliche Filmtitel.

Eine Frau
Piumakshi Veda Arachchige (*1980) ist in Kurunegala, Sri Lanka, geboren und aufgewachsen: «Meine künstlerische Praxis bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen Kunst und Aktivismus; es ist meine Absicht, mit dieser Spannung zu spielen.» soap factory films

Ihr Vorhaben entpuppt sich als enorme Herausforderung und stösst in der Schweizer Kunstwelt auf Skepsis, da sich Kurator:innen und Museumsdirektor:innen bislang nicht umfassend mit der verborgenen kolonialen Vergangenheit des Landes auseinandergesetzt haben.

Nach der Verleihung der «Silbernen Taube» für den besten Dokumentarfilm beim Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und AnimationsfilmExterner Link (DOK Leipzig) sprachen die beiden mit Swissinfo über ihre jahrelange Zusammenarbeit und ihre gemeinsame Mission.

Externer Inhalt

Spirituelle Kraft

«Das sind nicht einfach Objekte», sagt Piumakshi Veda Arachchige über die Kulturgüter Sri Lankas, welche die Schweizer Cousins Paul und Fritz Sarasin Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts im damaligen Ceylon gesammelt haben. «Sie wurden von Menschenhand geschaffen, aus Liebe und Energie geboren», sagt sie.

Handgefertigte Masken etwa seien in früheren Zeiten nicht nur getragen worden, sondern hätten wichtige Funktionen für Heilrituale und kulturelle Identität erfüllt. Man musste sich die Berechtigung, eine solche Maske zu tragen und aufzuführen, erst verdienen. «Diese Artefakte sind energetische Körper an sich.»

In einer der eindrucksvollsten Szenen des Films setzt die Künstlerin eine der zeremoniellen Masken auf, die in den Basler Archiven lagern. Der Moment wirkt kraftvoll: Zum ersten Mal seit Jahrhunderten entfaltet das sakrale Objekt seine spirituelle Dimension wieder durch eine Person sri-lankischer Herkunft.

Auch wenn eine solche Maske in einem europäischen Archiv sorgfältig verwahrt wird, ist sie laut der Künstlerin ihrer heiligen Energie beraubt.

«Diese Qualitäten werden ignoriert, wenn Forschende ein Artefakt behandeln. Sie sehen darin lediglich ein dekoratives Stück und setzen es in einen völlig anderen Zusammenhang», sagt sie. «Es ist, als nähme man einem Menschen das Herz heraus und lagere es ein. Als ich die Maske trug, spürte ich ihre Schwingungen – sie konnte endlich wieder ihrem Zweck dienen.»

Eine Frau hat sich eine traditionelle Maske aufgesetzt, sie trägt Gummihandschuhe
Die Freisetzung des geistigen Sinns: das Aufsetzen der Maske nach einem Jahrhundert des Vergessens. soap factory films

Ähnlich beschreibt sie das Gefühl, erstmals einen Ahnen-Schädel in den Händen zu halten: «Es war, als spräche jemand aus einer anderen Dimension, einer anderen Sprache, zu mir.»

Diese symbolischen Gesten bringen den zentralen Konflikt des Films auf den Punkt: Die emotionale Forderung der Künstlerin nach Rückgabe trifft auf die wissenschaftlich geprägte Haltung der Institutionen, welche die Objekte im Namen von Forschung und Bewahrung behalten wollen.

Gegen eine Wand

Während die Kunstwelt postkoloniale Debatten zunehmend aufgreift, zeigt «Elephants & Squirrels», dass nach den ersten Gesprächen die eigentliche Arbeit erst beginnt.

Bereits in den 1970er-Jahren hatte Sri Lanka die Rückgabe einiger Objekte verlangt, doch die Schweiz kam diesen Forderungen nie nach. Im Film nimmt Piumakshi Veda Arachchige an Podiumsdiskussionen teil und wiederholt immer wieder denselben Punkt: Reden allein reicht nicht mehr.

«Meiner Ansicht nach ist die Debatte über Dekolonisierung und Postkolonialismus von zu viel diplomatischem und akademischem Gerede geprägt», sagt sie. Ihr emotionaler Ansatz, der für ihre künstlerische Arbeit zentral ist, werde zu oft beiseitegeschoben.

Zwei ausgestopfte Eichhörnchen
Die Eichhörnchen, auf die der Filmtitel anspielt. soap factory films

Dieser Konflikt diente Brändli als Inspiration für sein Langfilmdebüt. Um herauszufinden, wie all diese Artefakte in die Schweizer Archive gelangten, wandte er sich an den Historiker Bernhard C. Schär, Autor eines Buchs über die Sarasin-Cousins.

Dieser verwies ihn wiederum auf Piumakshi Veda Arachchige. Die frustrierten Bemühungen der Künstlerin in der Schweiz boten reiches Material für einen Dokumentarfilm.

«Während Deneth anfangs als Künstlerin in Basel willkommen war, kühlte die Atmosphäre ab, sobald sie kritischere Fragen stellte», sagt Brändli. «An einem Punkt musste ich Interviews in der Schweiz allein führen, weil Deneth an eine unsichtbare Wand stiess, die sie nicht passieren konnte.»

Zurück zur Quelle

Als das Duo nach Sri Lanka reiste, fand sich Brändli in einer für ihn ungewohnten Rolle wieder, während Piumakshi Veda Arachchige ihm Türen öffnete.

«Vimal, ein indigener Journalist, lud uns nach Dambana ein», erinnert er sich. «Er sagte: ‘Sprecht nicht nur über die Vergangenheit, sondern auch über die heutigen Kämpfe.’ Das war für mich ein Wendepunkt. Ich spürte den starken Wunsch der Menschen, dass wir diese Geschichte weitererzählen.»

Ein Mann mit Brille und Bart
Der in Basel lebende Gregor Brändli (1986) ist nicht unbedingt ein Filmemacher, seine Arbeit basiert auf medienübergreifenden Projekten (hauptsächlich Film und Theater). Er ist auch Autor und Performer beim Theater Kollektiv Glück und Mitbegründer des Designstudios Tristesse. Leon Bricola

Durch den Ortswechsel erweitert sich die Perspektive des Films, der laut der Künstlerin «weit über Restitution hinausgeht»: «Wir wollen auch die Gegenwart der Menschen in Sri Lanka zeigen – wer sie sind, was sie brauchen und was mit ihnen geschieht.»

Eine zentrale Rolle spielt Uruwarige Wannila Aththo, der Anführer der indigenen Vedda-Gemeinschaft in Dambana. Er empfing das Team und schilderte die persönliche Bedeutung der gestohlenen kulturellen Artefakte.

Dass aus ihrer gemeinsamen Arbeit tatsächlich ein Film entstehen würde, konnte Piumakshi Veda Arachchige während der Dreharbeiten in Sri Lanka kaum glauben. «Wir dokumentierten einfach, was geschah», sagt sie.

«Wir hielten fest, wie wir recherchierten – nicht nur im Archiv, sondern auch im echten Leben. Wir waren ständig unterwegs und nahmen auf, was um uns herum passierte. Als ich den fertigen Film zum ersten Mal sah, erkannte ich all diese Ebenen und den Kontrast zwischen unserer westlichen Realität und den Erfahrungen in Sri Lanka.»

So sei «Elephants & Squirrels» aus einer Zusammenarbeit entstanden, die laut Brändli «organisch gewachsen und für die gesamte Geschichte notwendig war».

Die Fähigkeit der beiden, zwischen Basel und Sri Lanka zu vermitteln, hat viele Türen geöffnet. «Das war entscheidend, da die Frage der Restitution tief in kulturellen Mustern verankert ist.»

Zwei Frauen und ein Mann schauen sich Dias im Gegenlicht an
In Sri Lanka werden die Bilder der Artefakte begutachtet, die in den Basler Museen aufbewahrt werden. soap factory

Der herzliche Empfang des Films beim DOK Leipzig gab ihnen weiteren Rückenwind. «Ich sah, wie die Geschichte beim Publikum ankam», sagt die Künstlerin.

«Ein kenianischer Künstler sagte nach der Vorführung, der Film habe ihn inspiriert, nun selbst ein Werk über Restitution zu drehen. Wenn unser Film auf ähnliche Situationen weltweit verweist, dann haben wir gute Arbeit geleistet.»

Editiert von Catherine Hickley und Eduardo Simantob/sb, Übertragung aus dem Englischen mithilfe von Deepl: Christian Raaflaub

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