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Locarno: Geister zum Auftakt

Im Computer kreiert: Final Fantasy. Keystone

Mit "Final Fantasy - The Spirits Within" startete am Donnerstagabend (02.08.) das 54. Internationale Filmfestival von Locarno. Der erste vollkommen computergenerierte Kinofilm beeindruckt technisch, läutet jedoch keine neue Filmära ein.

Im Vorfeld wurde viel über den ersten vollkommen computergenerierten Film gesprochen, grosse Hoffnungen wurden geweckt und die Rede war gar davon, dass Film-Schauspieler und -Schauspielerinnen aus Fleisch und Blut bald der Vergangenheit angehören würden. Auch Irene Bignardi, römische Filmkritikerin und neue künstlerische Leiterin des Festivals, deutete in ihrer Eröffnungsrede am Donnerstag an, dass mit diesem Film vielleicht eine neue Ära in der Filmgeschichte eingeläutet würde. Wie die Entdeckung des Tons oder der Farbe könnte auch diese Technik das aktuelle Filmschaffen revolutionieren.

Synthetik statt Sinnlichkeit

Um es gleich vorweg zu nehmen: So beeindruckend die Technik auch ist, an die Feinheiten menschlicher Mimik und Gestik kommt noch kein Computerwesen heran. «Final Fantasy» spielt im Jahre 2065. Die Erde ist von seltsamen Geistern eingenommen und in Gefahr, total zerstört zu werden. Nur einige wenige Menschen sind noch am Leben und versuchen, von einem Raumschiff aus, die Erde wieder zurückzuerobern. Wie im echten Leben gibt es die Befürworter roher Kriegsgewalt und jene, welche mittels friedlicher Mittel, die Erde retten wollen.

Die Geschichte von «Final Fantasy» basiert auf einem äusserst populären Videospiel. Der Plot ist ziemlich banal, die Figuren entsprechen amerikanischen Vorstellungen von modernen Helden: Sie sind schön, mutig und stark. Frau oder Mann kämpfen mit denselben Waffen und üben vorbildlich «political correctness». Die Bösen, Anhänger einer brutalen zerstörerischen Kriegsmaschinerie, erscheinen als Nazi, die Guten retten die Leben ihrer Geliebten, um sich danach selbst für die gute Sache zu opfern.

Obschon es immer wieder Szene gibt, in welchen die Grenze zwischen echten und computergenerierten Akteuren sich zu verwischen beginnt, sind die künstlichen Figuren letztlich doch noch weit entfernt, menschliche Regungen täuschend echt zu imitieren. Sie bleiben Kunstfiguren, es fehlt das zufällige Aufblitzen überraschter Augen, es fehlt die Sinnlichkeit.

Phantastische Szenerien

Ideal ist diese Technik hingegen für das Vorstellen abstrakter Welten – wie beispielsweise die zerstörte Erde der Zukunft. Mit Leichtigkeit können phantastischste Szenerien erschaffen, zerstört und wieder aufgebaut werden. Geister können durchs Universum fliegen, Geschwüre im menschlichen Körper mit eigenem Leben ausgestattet werden. Der Imagination sind keine Grenzen gesetzt. Umso überraschender – oder auch umso enttäuschender – ist dann aber die Tatsache, dass der Mensch zwar grandiose Bilder schaffen kann, der Inhalt aber an traditionellen Mustern hängen bleibt. Es zeigt sich einmal mehr, dass eine zukunftweisende Technik nicht auch dazuführt, sich Gut und Böse einmal anders vorzustellen.

«Final Fantasy» entstand als japanisch-amerikanische Co-Produktion in einem Digitalstudio in Honolulu und wurde von Hironobu Sakaguchi, Produzent zahlreicher Video-Games, realisiert. Vier Jahre dauerte es, bis der ausschliesslich aus synthetischen Bildern geschaffene Film fertig war. Die Kosten belaufen sich 160 Mio. Dollar.

Carole Gürtler, Locarno

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