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Mythologie auf Schweizer Art

Der Pegasus reitet über die Bühne (Generalprobe auf der Arteplage Biel) Keystone

Prometheus, der Turm zu Babel, lokale Besonderheiten der Schweiz. Zur Taufe der Expo.02 nimmt François Rochaix Menschen und Götter, Wirklichkeit und Symbole zu Hilfe.

Rochaix setzt aus zwei Gründen auf die griechische Mythologie: Erstens aus Zeitgründen, wie er selber zugibt, und zweitens, weil in den regionalen Legenden nicht genügend eindrückliche Erzählungen als Grundlage des Spektakels zu finden gewesen seien.

Mit der Mythologie hat Rochaix überdies Material zur Verfügung, das sofort in der kollektiven Erinnerung widerhallt, sei sie deutschen, französischen oder italienischen Ursprungs.

Zerrissene und gleichsam zusammengewachsene Szenen

Das Eröffnungs-Spektakel läuft in 11 Szenen ab, “die wie Zirkus-Nummern konzipiert sind”, so Rochaix. Zur Ouvertüre erscheint Pegasus als Symbol der Zeit. Dann folgt, simultan auf allen vier Arteplages, eine Hymne an die Nacht mit Worten von Maurice Chappaz. Und jetzt kommt Akt 1: der Bau des Turms zu Babel – helvetisches Symbol, wenn überhaupt…

Es folgt ein Zwischenspiel mit Sirenen im Wasser und ausserhalb des Wassers. Dann folgt Akt 2, der Prometheus, dem Vater der Menschheit, gewidmet ist. Auf jeder Arteplage gibt es aber eine andere Version des Mythos zu sehen. Im 3. Akt geht es um “den Geist der Orte”, um die Besonderheit jeder einzelnen Stadt.

Weitere starke Momente des Eröffnungs-Spektakels: das erstaunliche Duo Pascal Auberson und Youssou n’Dour; sie singen das Lied des Kantons Jura – auf der Leinwand. Oder der Humorist Philippe Cohen, der das Spektakel “entheiligt” mit seinen “Guignols de l’Expo”.

Musiker, Schauspielerinnen, Sänger treten auf, aber auch Feuerspeier, Pantomimen, Jongleure, Schwimmerinnen und Taucher. Zur gleichen Zeit wird das Fernsehen, “diese seltsame Dachluke”, zum “grossen Fenster”, in dem vier geografisch getrennte Ereignisse zu einem einheitlichen Spektakel werden.

Zur Freude der Augen…

Dekor und Bühnengestaltung sind von Jean-Claude Maret, mit dem Rochaix schon oft zusammengearbeitet hat, namentlich beim letzten Winzerfest in Vevey. Als Bühne hat Jean-Claude Maret “den Hafen” in Yverdon, “die hohe See” in Murten, “die Insel” in Neuenburg und “die Bucht” in Biel auserkoren.

Die Kostüme stammen von der Waadtländerin Francine Lecoultre, die auch in Hollywood keine Unbekannte ist: Sie hat bei Filmen wie “Batman & Robin”, “Star Trek Insurrection”, “Mission To Mars” oder “The Cell” mitgewirkt.

…und der Ohren

Als Krönung dazu kommt die Musik, der viel Platz gewidmet ist. Aber wie verbindet man da die Schweiz und die Welt, Tradition und Moderne, intellektuelle und Massen-Ansprüche? Rochaix hat sich für die Diversität entschieden.

Die Musiker sind Deutschschweizer oder Romands, sie kommen von der klassischen Musik her, vom Jazz, Rock oder dem Chanson. Namen gefällig? Betrand Roulet, Jean-François Bovard, Pascal Auberson, Erika Stucky, Robert Morgenthaler, Guy Bovet, Sina und Markus Kühne. Die schwierige Rolle des Koordinators dieses Melting-Pots wurde dem Neuenburger Valentin Reymond übertragen.

Von der Selbstgeisselung zur wiedergefundenen Begeisterung?

Es gibt viel, es gibt alles, es gibt vielleicht zuviel. Aber zum ersten Mal seit langem (seit Jahren, seit Jahrhunderten?) ist ein Schweizer Projekt ungewöhnlich, phantasierend, verrückt, “unvernünftig”.

Oder in der Worten des zum Odysseus verwandelten Pascal Auberson: “Ich habe genug von diesem Land, das selbstzerfleischend immer wieder seine Sprüche ‘wir sind schlecht’, ‘die Schweiz existiert nicht’ wiederholt. Wir sind wunderbar, wenn wir säen.”

Bernard Léchot

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