Bundesrat sucht Kompromiss bei Unternehmenssteuerreform
(Keystone-SDA) Vor gut einem Jahr hat die Unternehmenssteuerreform III an der Urne Schiffbruch erlitten. Ein Grund für das Scheitern war, dass die Vorlage kein Preisschild hatte. Diesen Fehler will der Bundesrat nicht wiederholen.
Er hat am Mittwoch eine überarbeitete Unternehmenssteuerreform vorgelegt. Weil dieser Begriff inzwischen politisch belastet ist, heisst die Neuauflage nun Steuervorlage 17. Neu ist neben dem Titel vor allem die Transparenz: Anders als bei der gescheiterten Vorlage ist ungefähr bekannt, wie die Kantone die Unternehmenssteuerreform umsetzen wollen.
Spielraum für Kantone
Der Bund lässt ihnen dabei viel Spielraum. Die verschiedenen Instrumente der Reform sind auch schon als „Werkzeugkasten“ bezeichnet worden, aus dem sich die Kantone nach Belieben bedienen können. Dazu gehört die Patentbox, die einen massiven Steuerrabatt auf Erträgen aus Patenten und verwandten Schutzrechten ermöglicht.
Kantone können zudem mehr als die tatsächlichen Kosten für Forschung und Entwicklung zum Abzug zulassen, was einer Subvention gleichkommt. Weitere Steuerbegünstigungen sind bei der Aufdeckung stiller Reserven oder bei der Kapitalsteuer möglich.
Vor allem aber erhalten die Kantone fast 1 Milliarde Franken zusätzlich aus der direkten Bundessteuer. Das gibt ihnen den Spielraum, ihre Gewinnsteuersätze zu senken. Gemäss einer Umfrage der Steuerverwaltung planen die meisten Kantone eine Steuersenkung.
Tiefere Kosten
Diese werden vor allem dort spürbar sein, wo die Unternehmen heute noch über 20 Prozent Gewinnsteuer zahlen, insbesondere in Bern, Solothurn, beiden Basel, im Tessin und den Westschweizer Kantonen. Nach Schätzungen der Verwaltung kostet das die Kantone gut 2,1 Milliarden Franken.
Zusammen mit dem höheren Anteil an der direkten Bundessteuer und weiteren Mehr- und Mindereinnahmen resultiert unter dem Strich ein Minus von 1,1 Milliarden Franken. Bei Bund sind es rund 690 Millionen Franken.
Das sind total rund 1,8 Milliarden Franken. Damit fällt die Steuervorlage 17 deutlich günstiger aus als die Unternehmenssteuerreform III. Damals war von 3 bis 4 Milliarden Franken die Rede gewesen. Das hat einerseits damit zu tun, dass nun die Pläne der Kantone bekannt sind.
Andererseits hat der Bundesrat auch für die von den Abstimmungssiegern geforderte Gegenfinanzierung gesorgt, zumindest teilweise. So müssen Bund und Kantone Dividenden zu mindestens 70 Prozent besteuern. So viel erhebt heute nur die Waadt auf Beteiligungen im Privatvermögen, alle anderen Kantone liegen darunter. Die höhere Dividendenbesteuerung bringt dem Bund rund 100 Millionen Franken ein, den Kantonen 335 Millionen Franken.
Zückerchen für Familien
Offenbar will der Bundesrat auch den Eindruck exzessiver Vergünstigungen vermeiden. Darum sollen die Steuerabzüge in der Patentbox, für Forschung und Entwicklung sowie bei der Auflösung stiller Reserven auf 70 Prozent begrenzt werden. 30 Prozent des Gewinns müssen auf jeden Fall besteuert werden. In der gescheiterten Reform waren es nur 20 Prozent gewesen.
Als Zückerchen für Privathaushalte will der Bundesrat das Minimum der Familienzulagen um 30 Franken erhöhen. Fast die Hälfte der Kantone übertreffen diese Vorgabe schon heute.
Trotzdem erlaubte der Vorschlag Bundesrat Ueli Maurer den Hinweis, dass auch Familien von der Steuervorlage 17 profitierten. Die Privaten hätten dann mehr Geld in der Kasse, sagte er vor den Bundeshausmedien. Auch die Steuerbelastung der KMU nehme ab, während jene für grosse ausländische Firmen eher zunehme.
Die Vorlage sei transparent, ausgewogen, föderalistisch und werde von Kantonen, Städten und Gemeinden unterstützt, erklärte der Finanzminister. Die Kosten von knapp 2 Milliarden Franken bezeichnete er als Investition in die Zukunft. «Wir investieren in Arbeitsplätze», sagte Maurer.
Nicht auszudenken
Die Schreckensszenarien, die vor der Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform III kursierten, sind bisher nicht eingetreten. Die Schweiz ist wegen ihrer Steuerregimes zwar auf einer grauen, aber auf keiner schwarzen Liste gelandet. Eine Massenabwanderung von Unternehmen ist nicht zu verzeichnen.
Wenn die Bevölkerung die Unternehmenssteuerreform erneut ablehnt, könnte sich das laut Maurer ändern. Der Steuerwettbewerb sei enorm. Die Unternehmen könnten das Vertrauen in die Rechtssicherheit der Schweiz verlieren. «Dramatisch», sagte Maurer. «Einfach nicht auszudenken.»
Vor den Medien gab es sich aber zuversichtlich. «Wir gehend davon aus, dass die Vorlage eine sehr gute Chance hat», sagte er. Der Finanzminister vertraut auf das Konzept der mittleren Unzufriedenheit.
In der Vernehmlassung wurde die Steuervorlage zwar von allen Seiten angegriffen. Den linken Abstimmungssiegern genügen weder die Aufstockung der Familienzulage noch die Gegenfinanzierung durch die Dividendenbesteuerung. Die Bürgerlichen wollen die höhere Familienzulage fallen lassen und stattdessen hoch umstrittene Reformelemente wieder aufnehmen. Doch keine dieser Forderungen sei mehrheitsfähig, sagte Maurer.
Entscheidend ist, was das Parlament aus der Steuervorlage 17 macht. Der Bundesrat hofft, dass die Räte diese schon in der Herbstsession 2018 verabschieden. Wird kein Referendum ergriffen, könnten erste Massnahmen auf Anfang 2019 und der Hauptteil der Massnahmen ab 2020 in Kraft treten.