Frauen in Belarus wollen gegen Staatschef Lukaschenko protestieren
(Keystone-SDA) Nach der Festnahme der Oppositionellen Maria Kolesnikowa werden an diesem Samstag in Belarus (Weissrussland) Tausende Frauen zu neuen Protesten gegen Staatschef Alexander Lukaschenko erwartet.
Die Opposition hat dazu für 14.00 Uhr MESZ in der Hauptstadt Minsk aufgerufen. Landesweit wird mit Aktionen gerechnet. Dabei sollten die Demonstranten die Namen von Menschen rufen, die von der autoritären Staatsführung unterdrückt würden. Sie sollten zudem mit Pfeifen, Töpfen und Löffeln möglichst viel Lärm machen, hiess es in dem Aufruf. Die Menschen sollten mit ihrer Teilnahme zeigen, dass der Protest nicht verblasse, sondern wachse. Derweil rief UN-Generalsekretär António Guterres die Behörden in Belarus zur Zurückhaltung gegenüber friedlichen Demonstranten auf.
Bereits vor einer Woche waren Tausende Frauen zu Fuss gegen Lukaschenko durch die Hauptstadt gezogen und hatten weiss-rot-weisse Fahnen als Zeichen des Protests geschwenkt. Zuletzt gingen die Sicherheitskräfte auch gegen weibliche Demonstranten vor, nachdem anfänglich überwiegend nur Männer festgenommen worden waren.
Am Freitagabend gab es neue Festnahmen am Unabhängigkeitsplatz im Zentrum von Minsk. Auf Videos war zu sehen, wie Frauen in die katholische Kirche an dem Platz gelangen wollten. Maskierte Sicherheitskräfte hinderten sie daran. Uniformierte fassten die Frauen dabei mitunter hart an und führten einige in Kleinbussen ab. Über die Zahl der Festgenommenen gab es zunächst keine Angaben. Die katholische Kirche hatte zuletzt massiven Druck der Behörden beklagt. Auch im Ausland gab es Proteste: So demonstrierten in Paris Femen-Aktivistinnen vor der Botschaft von Belarus und prangerten die Regierung von Lukaschenko an.
UN-Generalsekretär António Guterres sagte am Freitag (Ortszeit) in New York laut Mitteilung, die Lage in dem Land besorge ihn sehr. «Insbesondere der anhaltende Einsatz von Gewalt gegen friedliche Demonstranten und die Festnahme von Menschen, die legitime demokratische Rechte ausüben.» Auch Berichte über Einschüchterungstaktiken unter anderem gegenüber Medienvertretern besorgten ihn. Der Konflikt könne nur von den Menschen in Belarus mit einem «breit angelegten inklusiven Dialog» gelöst werden, der möglichst sofort starten solle, um Stabilität zu gewährleisten.
Proteste sind in Minsk auch für Sonntag geplant. Dann soll es einen «Marsch der Helden» geben – auch zu Ehren Kolesnikowas. Die 38-Jährige hatte diese Woche nach einer brutalen Entführung ihren Pass zerrissen und damit ihre Abschiebung ins Nachbarland Ukraine vereitelt. Sie sitzt nun in Untersuchungshaft unter dem Vorwurf der versuchten Machtergreifung. Kolesnikowa, die in Stuttgart Musik studiert und dort zwölf Jahre gelebt hat, droht eine lange Haftstrafe.
Wie das Team der Oppositionellen Swetlana Tichanowskaja mitteilte, wurde Kolesnikowas Anwalt festgenommen. Die Behörden werfen ihm demnach zufolge vor, der «nationalen Sicherheit Schaden» zu wollen. Unter diesem Vorwand stehen auch die Ermittlungen gegen den Koordinierungsrat der Zivilgesellschaft für einen friedlichen Machtwechsel. Fast alle führenden Mitglieder des Gremiums, so auch Kolesnikowa, sind entweder in Haft oder im Ausland.
Die Demokratiebewegung sieht Tichanowskaja, die am Freitag 38 Jahre alt wurde, als rechtmässige Siegerin der Wahl vom 9. August. Die Bürgerrechtlerin war unter dem Druck der Behörden ins benachbarte EU-Land Litauen geflüchtet. Lukaschenko beansprucht den Sieg aber mit 80,1 Prozent der Stimmen für sich. Der 66-Jährige, der als «letzter Diktator Europas» bezeichnet wird, ist seit 26 Jahren an der Macht.
Derweil erklärten die EU-Staaten im Menschenrechtsrat, die regierungskritischen Proteste zum Thema in dem Gremium machen und eine Resolution verabschieden zu wollen. «Die andauernde Verschlechterung der Menschenrechtslage in Belarus seit den Präsidentschaftswahlen braucht die dringende Aufmerksamkeit des Menschenrechtsrats», schrieb der deutsche Botschafter bei den Vereinten Nationen in Genf, Michael von Ungern-Sternberg, stellvertretend für die EU-Staaten. Der Diplomat verwies auf UN-Berichte, laut denen in der vergangenen Woche 450 Fälle von Folter und Misshandlungen von Gefangenen gemeldet wurden.