The Swiss voice in the world since 1935
Top Stories
Schweizer Demokratie
Newsletter

Daniel Spoerri ist gegangen – und bleibt in der Toskana

Daniel Spoerri “Hic Terminus Haeret”
Daniel Spoerri wurde 1930 in Galati, Rumänien, geboren und verstarb im November 2024. tvsvizzera

Die Urne von Daniel Spoerri ruht nun in seinem Kunstgarten "Hic Terminus Haeret" in Italien. Bei unserem Besuch in der Anlage erklärt Stiftungspräsidentin Susanne Neumann dessen Werk und Denken.

An den Hängen des Monte Amiata, inmitten der Olivenhaine und Wälder der toskanischen Maremma, befindet sich ein Ort, an dem sich Kunst und Natur in einem stillen und tiefgründigen Dialog begegnen: der Garten von Daniel Spoerri, ein Skulpturenpark, der heute die Werke des im vergangenen November verstorbenen Schweizer Künstlers beherbergt.

Es ist auch der Ort, der seine Asche aufgenommen, den der Künstler als seine letzte Ruhestätte gewählt hat.

Es ist mehr als ein Garten, eine 16 Hektar grosse Grünfläche zwischen Seggiano und Pescina in der Provinz Grosseto. Der beeindruckende Ort ehrt Daniel Spoerri und beherbergt 115 Werke von fast 60 Künstlern.

Die Hälfte der Installationen stammt von Spoerri, die anderen von Freunden des Schweizer Künstlers, darunter Arman und Jean Tinguely.

Mehr
Newsletter Kultur

Mehr

Kultur

Kultur von SWI swissinfo.ch kompakt

Interviews, Debatten und Entwicklungen: Das Schweizer Kulturschaffen und seine Positionen ideal portioniert in Ihrem Mailfach.

Mehr Kultur von SWI swissinfo.ch kompakt

Daniel Spoerri: Künstler des 20. Jahrhunderts

Daniel Spoerri, 1930 als Daniel Isaac Feinstein im rumänischen Galați geboren, war einer der vielseitigsten und einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts.

Nach einem intensiven Leben und einer vielseitigen Karriere, die ihn vom Tanz über die Poesie zur bildenden Kunst führte, fand er in der Toskana zur Synthese seiner vielen Leben.

Der Garten, der seit den 1990er Jahren der Öffentlichkeit zugänglich ist, «ist das grösste Kunstwerk seines Lebens», erklärt Susanne Neumann, Präsidentin der Stiftung Hic Terminus Haeret, gegenüber tvsvizzera.it. An diesem bedeutenden Ort lebt Daniel Spoerri durch seine Kunstwerke weiter.

Neumanns Aufgabe ist es, die Erinnerung an den Schweizer Künstler wach zu halten und die künstlerische Verbreitung von Spoerris Garten fortzusetzen, dem Ort, an dem die Kunst mit der Landschaft verschmilzt und jedes Werk eine andere Geschichte erzählt.

Spoerris Lebensgeschichte ist von Anfang an von tragischen Ereignissen und wiederholter Vertreibung geprägt. Als Sohn eines zum Protestantismus konvertierten jüdischen Vaters und einer Schweizer Mutter verlor Daniel seinen Vater während des Pogroms von 1941 in Iași.

Nach dieser Tragödie floh seine Mutter mit den Kindern in die Schweiz, wo der damals 12-jährige Daniel bei einem Onkel aufwuchs.

In der Schweiz begann Spoerri seine künstlerische Ausbildung. Er studierte Tanz und wurde Tänzer, wandte sich dann der Poesie und der bildenden Kunst zu und kam in Kontakt mit den experimentellsten Bewegungen seiner Zeit, vom Nouveau Réalisme bis zu Fluxus.

«Der Zufall spielt im Werk von Daniel Spoerri wie in seinem Leben eine sehr grosse Rolle», sagt Susanne Neumann. Und der Zufall ist es auch, der Spoerri Jahre später in die Maremma führt.

Entstehung von Daniel Spoerris Gartens

«Wie so oft in seinem Leben war auch dieser Garten nicht geplant. Sondern durch Zufall entstanden», erzählt Neumann.

Es war Anfang der 1990er-Jahre: Spoerri, damals Professor an der Akademie der Bildenden Künste in München, beschloss, seine Professur aufzugeben und in die Toskana zu ziehen.

“Hic Terminus Haeret” Angelo Maineri, Daniel Spoerri
Im Garten von Daniel Spoerri sind Werke zahlreicher Künstler zu bewundern, darunter dieses von Angelo Maineri. tvsvizzera.it

An einen Skulpturenpark dachte er zunächst nicht. Daniel Spoerri wollte hier leben, hier arbeiten, hatte ein schönes Atelierhaus und begann, seine Skulpturen so zu arrangieren, dass sie in die Natur eingebettet waren», sagt die Stiftungspräsidentin.

So entstand die Idee eines regelrechten Kunstgartens, in den Daniel Spoerri auch andere Künstler einlud, ihre Werke auszustellen.

«Wenn er eine Aufgabe übernahm, und dieser Garten war eine grosse Aufgabe, dann widmete er sich ihr mit ganzem Herzen», sagt Neumann. Ob in der Maremma oder in Wien, «wo er war, war er vollkommen präsent».

Daniel Spoerri “Hic Terminus Haeret”„Labyrinthischer Mauerweg“.
Daniel Spoerris «Labyrinthischer Mauerweg». tvsvizzera.it

Susanne Neumann, die jahrelang die rechte Hand von Daniel Spoerri war und heute dessen Arbeit weiterführt, erinnert sich an ihre Ankunft hier vor 25 Jahren: «Das Gefühl, in einer kleinen Schweiz angekommen zu sein, war noch stärker. Die Präzision, die Pünktlichkeit, die Strenge, mit der er arbeitete, kamen mir als Bayerin sehr, sehr schweizerisch vor.»

Daniel Spoerri – das künstlerische Erbe

Spoerri war ein Erneuerer. Mit seinen Tableaux pièges – Fallenbildern – hielt er Momente des Alltags fest und machte sie zur Kunst. Er verstand es, Gattungen und Sprachen zu vermischen, wobei er stets dem Zufall und dem Unerwarteten Raum gab.

Der Garten mit dem lateinischen Motto «Hic Terminus Haeret» ist der Inbegriff seines künstlerischen Denkens. Es bedeutet «Hier ist die Grenze», aber nicht die Grenze als Endpunkt, sondern als Übergang von einem Moment zum anderen. «Damit sagte Spoerri, dass dieses Land auch eine Zone des Übergangs ist», erklärt Neumann.  

Daniel Spoerri “Hic Terminus Haeret”
tvsvizzera.it

Wer den Garten besucht, macht eine immersive Erfahrung: «Man verlässt die Welt, die man kennt, und betritt diese Parkwelt, die manchmal surreal ist», sagt Neumann. Der künstlerische Geist von Daniel Spoerri begleitet diese philosophische und spirituelle Reise.

Er ruht Im Herzen seines Werks

Ende April fand anlässlich der Wiedereröffnung des Gartens eine öffentliche Gedenkfeier statt. Wie jedes Jahr wurde die Saison am Ostermontag eröffnet.

Diesmal aber galt es, Abschied zu nehmen von dem Meister, der für immer hierher zurückkehren wollte. Seine Urne wurde in der Schädelkapelle, einem seiner eindrucksvollsten Werke, beigesetzt. Dort wird sie noch einige Zeit verbleiben, damit Besuchende dem Künstler die letzte Ehre erweisen können, erzählt sie.

Danach wird sie in ein anderes Werk Spoerris umziehen, das aber weniger sichtbar ist, da es auf einem kleinen Hügel liegt, von Bäumen verdeckt. Kein traditionelles Grabmal, sondern ein Kunstwerk: Für Daniel Spoerri war die Ewigkeit auch ein schöpferischer Akt.

Übertragung aus dem Italienischen mithilfe von Deepl: Balz Rigendinger

Meistgelesen
Swiss Abroad

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft