Heute in der Schweiz
Liebe Schweizerinnen und Schweizer im Ausland
Werden nun doch Schweizer Waffen in die Ukraine geliefert? Nein, es handle sich nur um einen Wissenstransfer, sagt die im Kanton Zürich ansässige Firma. Fakt ist: Ein in der Schweiz entwickeltes Flugabwehrsystem kommt bald in der Ukraine zum Einsatz.
Herzliche Grüsse aus Bern
11 von 100 Schweizerinnen und Schweizern leben im Ausland.
«Einst verliessen Schweizerinnen und Schweizer ihre Heimat aus purer Not. (…) Heute ist das Auswandern zur Abendunterhaltung geworden», schreibt der Blick. Unterdessen leben über 800’000 Menschen mit Schweizer Pass im Ausland.
Das sind aber nicht nur klassisch Ausgewanderte, wie man sie sich vorstellt und sie gerne in TV-Shows präsentiert werden. Laut dem Bundesamt für Statistik drücken auch Geburten im Ausland und Einbürgerungen, etwa wenn eine Auslandschweizerin einen Ausländer heiratet, den Zähler hoch.
Während einige Länder in Afrika und Südasien einen Rückgang an Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern verzeichneten, scheinen Portugal, Israel und Spanien immer beliebter zu werden, wie meine Kollegin Melanie Eichenberger kürzlich schrieb. Nummer 1 der Fünften Schweiz ist und bleibt aber Nachbar Frankreich.
Das System «Skynex» – entwickelt in der Schweiz – soll Kiew schützen.
Kriegsmaterial-Exporte aus der Schweiz sind verboten. Deshalb erhält die Ukraine zum Beispiel keine Kampfpanzer und Munition aus der Schweiz. Anders sieht es aber bei Wissenstransfer aus.
Laut der Sonntagszeitung sollen in der Schweiz entwickelte Flugabwehrsysteme bald in der Ukraine im Einsatz stehen. Die Entwicklung fand bei Rheinmetall Air Defence in Zürich statt, die Firma hiess ursprünglich Oerlikon. Hergestellt wird das System allerdings in Italien, und von dort direkt an die Ukraine ausgeliefert.
«Das ermöglicht faktisch, das Verbot der Kriegsmaterialausfuhr der Schweiz zu umgehen», schreibt SRF News. Das sei rechtens, bestätigt das zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco).
Nach dem Banken-Bashing sind Anwältinnen und Anwälte nun an der Reihe.
Sie verdienen viel – indem sie russische Gelder verstecken. Einige Schweizer Anwältinnen und Anwälte schaden damit dem Ansehen ihres gesamten Berufsstands. Ein Brief der Botschafter der G7-Länder an den Bundesrat lenkte sein Augenmerk ausschliesslich auf den Bereich der Rechtsvertretung.
Die Botschafter äusserten «Bedenken», «dass Schweizer Datenschutzbestimmungen, die ursprünglich für den Schutz Rechtsuchender formuliert wurden, verwendet werden, um die Spuren von geparktem Vermögen zu verschleiern», wie mein Kollege Giannis Mavris heute schreibt. Die Strafverfolgungsbehörden würden so daran gehindert, illegale Finanzstrukturen zu untersuchen – aufgesetzt und bewirtschaftet von Schweizer Anwältinnen und Notaren.
Eine mögliche Lösung des Problems wäre eine strategische Partnerschaft zwischen Behörden und Finanzbranche, um Fälle von Geldwäscherei und Terrorfinanzierung rascher aufzudecken. Doch «solange die Mittelspersonen weiterhin einen weiten und rechtlich geschützten Handlungsspielraum haben, wird die Kritik aus dem Ausland nicht abnehmen«, so Giannis.
- Wie schneidet die Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern ab? Das und mehr im Artikel von Giannis.
- Unser Fokus zur Neutralität der Schweiz.
- In diesem Kontext ein kurzer Artikel unserer Agentur: «Schweiz gibt G7-Botschaftern Korb wegen Oligarchen-Task-Force».
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Auch in der Schweiz: Einmal arm, immer arm.
Es ist eine Abwärtsspirale. Menschen, die in der Schweiz in die Armut geraten, schaffen es eher selten wieder heraus. Der Grund seien Vorurteile gegenüber armen Menschen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, die morgen Dienstag publiziert wird und über die mehrere Medien schon heute berichten.
Oft würden sich von Armut betroffene Menschen schämen und deshalb keine Sozialhilfe beantragen. Viele würden diese eher als Almosen statt als ihnen zustehendes Recht wahrnehmen, heisst es. Armut beeinträchtige auch das soziale und kulturelle Leben einer Person. Diskriminierung und Ausgrenzung würden Armutsbetroffene zusätzlich ins soziale Abseits drängen, schreibt SRF News.
Betroffen sind davon nicht nur Menschen ohne Einkommen, wie Radio und Tele Top ergänzt. Die so genannte Einkommens-Armut («Working Poor») hat in der Schweiz zugenommen. Laut Zahlen des Bundesamts für Statistik waren 2021 745’000 Personen davon betroffen, eine Zunahme um 0,2% gegenüber dem Vorjahr.
- Der Bericht und Radiobeitrag von SRF NewsExterner Link.
- Der Bericht von Radio und Tele TopExterner Link.
- Bundesamt für Statistik (BFS): Zahlen und Fakten zur Armut in der SchweizExterner Link.
An der «stabilen und langweiligen» Schweiz reibt sich auch die Literatur.
Einige wollten gleich die Alpen in die Luft jagen, um «freie Sicht aufs Mittelmeer» zu gewinnen. Doch die hiesige Literatur haderte mit der Schweiz nicht erst seit den 1980er-Jahren. Bereits im 19. Jahrhundert litt der einzige Schweizer Literaturnobelpreisträger Carl Spitteler an der Enge und Langeweile seines Heimatlands, wie mein Kollege Benjamin von Wyl schreibt.
Weil die Frauen bis 1971 politisch nichts zu melden hatten, seien es vor allem Männer gewesen, «die sich seit Generationen regelrecht im Leiden an der Stabilität und der Langeweile in der Schweiz gesuhlt haben», so Benjamin.
Die Frage für viele Autoren habe gelautet: Gehen oder bleiben? Doch sei es eben auch wichtig, sich mit der eigenen kulturellen Identität auseinanderzusetzen, um sich in einer globalisierten Welt literarisch behaupten zu können.
- Der Artikel von Benjamin mit zahlreichen Anekdoten.
- Die bisherigen Artikel unserer Serie «Vertrauen» finden Sie hier.
- Aus unserem Archiv: Die langweilige Schweiz gilt anderswo als erstrebenswert, wie das Beispiel Argentinien zeigt.
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