Mario Botta bei der Einweihung eines seiner neuesten Werke, dem Thermalbad "Fortyseven" in Baden, 18. November 2021.
Ennio Leanza/Keystone
Auch nach 60 Jahren, in denen er Kirchen, Spas, Museen und Casinos entworfen hat, arbeitet der schweizerisch-italienische Grossmeister der Architektur weiter. Eine Würdigung.
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Der weltberühmte Schweizer Architekt wird am 1. April 80 Jahre alt, aber an Ruhestand ist nicht zu denken. Mario Botta ist nach wie vor in grosse Projekte eingespannt. Im September wird er das Space Eye einweihen, das grösste Teleskop der Schweiz, sowie ein Planetarium und ein Ausstellungszentrum im Observatorium für Weltraum und Umwelt im Naturpark Gantrisch in der Nähe von Bern.
In der Zwischenzeit arbeitet er immer noch am neuen Universitätscampus der Luxun Academy of Fine Arts in Shenyang, China, ein Projekt, mit dem er sich seit über einem Jahrzehnt beschäftigt.
Botta macht keine Ferien. Architektur ist «ein Beruf, der es mir erlaubt, gut zu altern, solange ich mir ein kritisches Bewusstsein bewahre», sagte er kürzlich gegenüber der Schweizer Tageszeitung 24 heures.
Der 1943 in Mendrisio im Kanton Tessin geborene Botta studierte in Venedig, wo er die Gelegenheit hatte, im Atelier des französisch-schweizerischen Architekten Le Corbusier zu arbeiten, der als einer der Pioniere der modernen Architektur gilt.
Er gehörte auch zum Kreis von Louis Kahn, einem einflussreichen amerikanischen Architekten der Moderne. Mit einem solch vielversprechenden Start und starken Referenzen hätte Botta seine Karriere auch anderswo in Europa oder den Vereinigten Staaten fortsetzen können. Stattdessen entschied er sich 1969, in Mendrisio ein eigenes Atelier zu eröffnen.
Der Einfluss der beiden Meister ist in Bottas Stil mit seinen einfachen, geometrischen Formen noch immer sichtbar; sein bevorzugtes Material ist der Backstein. Obwohl seine Werke von Wohnhäusern bis zu Thermen, Universitäten und Theatern reichen, wird Botta gewöhnlich als der zeitgenössische religiöse Architekt par excellence bezeichnet.
Im Kanton Tessin stehen einige seiner Kirchen und das monumentale Casino in Campione, einer kleinen italienischen Enklave im Südschweizer Kanton. Seine Kirchen finden sich auch in Italien.
Nicht zu vergessen die Cymbalista-Synagoge in der israelischen Stadt Tel Aviv. Diese Projekte beeindrucken durch ihre spätmodernen Konzepte, aber sie greifen auch auf die Vergangenheit zurück und respektieren die Besonderheiten des Ortes und der Elemente – sowohl materiell als auch immateriell.
Kathedrale von Evry, oder Cathedrale de la Resurrection d’Evry, erbaut 1992-95, Evry, Frankreich.
AFP
Blick auf die Banca del Gottardo in Lugano, erbaut 1982-1988.
Keystone
Aussenansicht der Büros von Tata Consultancy Services in Hyderabad, Indien, die hauptsächlich indische IT-Firmen beherbergen.
Lukas Lehmann/Keystone
Das 13-stöckige Casino in Campione, einer italienischen Enklave im Schweizer Kanton Tessin. Es ist nicht nur das grösste Gebäude in dem 2.700 Einwohner zählenden Dorf, sondern auch der wichtigste Arbeitgeber. Das 50 Meter hohe Gebäude ist für 3.100 Gäste in verschiedenen Kasinosälen ausgelegt. Es ist eines der ältesten Casinos Italiens und zugleich das grösste in Europa.
Karl Mathis/Keystone
Die Kirche des Heiligen Antlitzes (Chiesa del Santo Volto) in Turin, Italien, wurde zwischen 2000-2006 erbaut.
AFP
Das Weingut Petra in Suvereto in der südlichen Toskana, Italien.
Keystone
Das Watari-Museum für zeitgenössische Kunst in Tokio wurde 1990 erbaut.
Keystone
Die Stadt- und Landesbibliothek Dortmund in Deutschland wurde in den Jahren 1995-1999 gebaut.
Keystone
Aussenansicht der ursprünglichen Fassade des San Francisco Museum of Modern Art (SFMOMA) von Mario Botta (Backstein), die von dem norwegischen Architekturbüro Snøhetta (weisser Hintergrund) erweitert wurde.
Keystone
Innenraum der Kapelle der Chiesa San Giovanni Battista, Mogno, Kanton Tessin, Schweiz. Erbaut zwischen 1986-1996.
Keystone
Architektonisches Detail im Inneren des Tinguely Museums in Basel. Erbaut zwischen 1993-1996.
Keystone
Das Business Center in Bellinzona (links), 1997 für die Swisscom gebaut. Das grosse Backsteingebäude beherbergt heute Konferenz- und Seminarräume und ist teilweise Sitz des Bundesstrafgerichts. Rechts: Detail der Cymbalista-Synagoge in Tel Aviv.
Keystone
Das Bergrestaurant «Steinblume» oder «Fiore di pietra» auf dem Monte Generoso im Kanton Tessin.
Keystone
Rigi-Kaltbad, auf 1500 Meter über Meer.
Thedi Suter/Keystone
Kirche Santa Maria degli Angeli am Fusse des Monte Tamaro im Kanton Tessin, Schweiz. Erbaut zwischen 1990 – 1996.
Keystone
Verkaufsgebäude der Harting Deutschland GmbH in Minden, Deutschland. Erbaut zwischen 1999-2001.
Keystone
Eines der neuesten Botta-Gebäude: die Wellness Therme Fortyseven in Baden, die im November 2021 eröffnet wurde.
Ennio Leanza/Keystone
Botta entwickelte eine Reihe von Prinzipien, die seine Architektur bestimmen. Der Standort steht an erster Stelle, wenn er über den Bau nachdenkt. «Das Gelände ist ein integraler Bestandteil des Projekts und niemals ein zufälliges Element», sagt er. An zweiter Stelle steht die Bedeutung des Lichts, das «Raum erzeugt, Akzente und Rhythmus setzt, den Raum definiert und ein Gleichgewicht in der Struktur schafft».
Seine Vorliebe für natürliche Materialien und Geometrie bringt ihn in die Nähe eines anderen Schweizer Architektur-Giganten, Peter Zumthor. Aber Botta geht noch viel weiter, wenn es um die Bedeutung des Respekts vor der Vergangenheit und den ethischen Aspekt der Architektur geht.
Für Botta geht es darum, «Lebenswerte zu bieten und nicht nur ästhetische Bilder. Die Suche nach einer besseren Lebensqualität wird durch die Suche nach einem besseren Lebensraum fortgesetzt.»
Parallel zu seinen Projekten hat er auch eine wichtige Rolle in der Lehre gespielt. Neben seiner Tätigkeit als Professor an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) und als Gastwissenschaftler an der Yale School of Architecture in den USA war Botta eine treibende Kraft bei der Gründung der Architekturakademie in Mendrisio im Jahr 1996.
Er entwarf das erste Programm der Schule, an der er viele Jahre lang als Dozent tätig war, bevor er zum Dekan der Schule ernannt wurde.
Mario Botta entwarf den Ferrari-Stand für die 10. Ausgabe der Rennwagenausstellung Exposauto in Lugano, 21. November 1987.
Karl Mathis/Keystone
Flüchtige Werke
2022 wurden zwei seiner Projekte in der Schweiz schwer beschädigt. Im Juni stürzten mehrere Stufen des majestätischen Moron-Turms in der Gemeinde Malleray im Berner Jura ein. Und im September wurde sein Höhenrestaurant oberhalb des Glacier 3000 in Les Diablerets im französischsprachigen Kanton Waadt durch ein Feuer zerstört.
Beide Vorfälle kamen für Botta «überraschend» und er wies auf die Vergänglichkeit aller menschlichen Errungenschaften hin. «Architektur ist sehr zerbrechlich, viel zerbrechlicher als wir uns vorstellen», erklärte er.
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