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Geschäftsführer von Haya Therapeutics: «Unsere Therapie hat Potenzial für Alzheimer und Krebs»

Ein Mann
Samir Ounzain, CEO von Haya Therapeutics, ist Molekularbiologe. Thomas Kern / Swissinfo

Samir Ounzain, Chef des Biotech-Startups Haya Therapeutics, spricht über die Grenzen des Unternehmertums in der Schweiz, den Einstieg in den US-Markt und die potenziellen Auswirkungen seiner Therapie für Herzerkrankungen auf die Medizin.

Haya Therapeutics, 2019 gegründet, will einen neuen Ansatz zur Behandlung von Krankheiten entwickeln, bei dem kranke Zellen wieder in gesunde umgewandelt werden.

Das Startup entwickelt aktuell eine sehr spezifische Therapie für Herzinsuffizienz und steht kurz vor dem Beginn der drei anspruchsvollen Phasen der klinischen Studien.

Bei Erfolg könnte dieser neuartige Ansatz zur Behandlung einer Vielzahl häufiger, chronischer und altersbedingter Krankheiten eingesetzt werden.

Das Startup hat bisher rund 90 Millionen Dollar aufgebracht und geniesst das Vertrauen der Investoren. Die nächsten Schritte zum Erfolg könnten jedoch schwierig werden.

Es geht um die Marktzulassung, wie Geschäftsführer und Mitbegründer Samir Ounzain Swissinfo am Hauptsitz in Lausanne erzählt.    

Samir Ounzain, CEO of HAYA Therapeutics
«Unsere Medikamente müssen zu erschwinglichen Preisen verfügbar werden», sagt Samir Ounzain. Thomas Kern / Swissinfo

Swissinfo: Sie sind Brite, haben im Vereinigten Königreich studiert, aber beschlossen, Ihr Startup in der Schweiz zu gründen. Warum?

Samir Ounzain: Die Schweiz ist ein ausgezeichneter Ort, um akademische Ideen in kommerzielle Produkte umzusetzen. Als Startup haben wir viel Unterstützung erhalten.

Wir befinden uns auf dem Campus BiopôleExterner Link in der Nähe von Lausanne, der sich ganz den Lebenswissenschaften widmet.

Dieser Campus bringt ambitionierte Startups, grosse multinationale Unternehmen und Forschungseinrichtungen zusammen. Gleichzeitig bietet er modernste Forschungseinrichtungen.

Wir profitieren auch von der langen Tradition der Schweizer Pharmaindustrie. Meiner Meinung nach ist der wichtigste Vorteil hier der Zugang zu Talenten – sowohl zu in der Schweiz Ausgebildeten als auch zu Europäerinnen und Europäern, die von der hohen Lebensqualität und den beruflichen Möglichkeiten des Landes angezogen werden.

Sie haben auch eine Niederlassung in den Vereinigten Staaten, die sich hauptsächlich auf die Beschaffung von Finanzmitteln und den Marktzugang konzentriert. Warum war das für Sie wichtig?

Unser Ziel ist es, durch einen völlig neuen Ansatz bei der Erforschung und Entwicklung von Medikamenten so schnell und nachhaltig wie möglich etwas für Patientinnen und Patienten zu bewirken.

Aus diesem Grund haben wir eine globale Perspektive eingenommen. Wir suchen weltweit nach den besten Partnern, Lieferanten, Talenten, Finanzierungsmöglichkeiten und attraktiven Märkten, anstatt uns nur auf die Schweiz zu konzentrieren.

Dennoch sind wir mit unserer schweizerisch-amerikanischen Struktur sehr zufrieden. Die Schweiz ist nach wie vor ein ausgezeichneter Standort, um Talente anzuziehen, und geniesst in unserer Branche hohes Ansehen.

Die Vereinigten Staaten bieten hingegen unübertroffene Möglichkeiten in Bezug auf Finanzierung, erfahrene Biotech-Unternehmen und Marktgrösse.

Die Schweiz und Europa haben noch Verbesserungspotenzial, wenn es um die Skalierung ihrer Startups geht. Es kommt sehr selten vor, dass Unternehmen, die weniger als zehn Jahre alt sind, den Status eines «Einhorns» – also einen Wert von über einer Milliarde US-Dollar – erreichen, besonders im Bereich der Biowissenschaften.

Die Schweizer Steuergesetze verlangen von Unternehmensgründern hohe Steuern auf Basis der Bewertung ihrer Startups. Ist dies ein Hindernis für Ihre zukünftige Expansion in der Schweiz?

Ja, die Schweiz ist eines der wenigen Länder weltweit, die Vermögen besteuern. Für Gründer von Startups kann diese Steuer bis zu 1% der von externen Investoren festgelegten Bewertung betragen.

Wenn ein Startup beispielsweise mit einer Milliarde Franken bewertet wird, müssen seine Aktionärinnen und Aktionäre – einschliesslich der Gründerinnen und Gründer, die in der Regel nur bescheidene Gehälter beziehen – jedes Jahr zehn Millionen Franken Vermögenssteuer zahlen.

Zwar mildert eine Deckelung die Auswirkungen dieses Problems. Dennoch kann für Unternehmerinnen und Unternehmer der Verbleib in der Schweiz eine Herausforderung darstellen.

Das Problem liegt in der starken Diskrepanz zwischen der virtuellen Bewertung eines Startups, die auf seinem langfristigen Erfolgspotenzial basiert, und der tatsächlichen Liquidität, über die seine Gründerinnen und Gründer verfügen.

Eine Lösung für diese enorme Herausforderung zu finden, würde dem Schweizer Startup-Ökosystem zugutekommen.

Samir Ounzain, CEO of HAYA
«Die Schweiz ist perfekt, um Talente anzuziehen, und geniesst in unserer Branche hohes Ansehen», sagt Samir Ounzain. Thomas Kern / Swissinfo

Sie haben rund 90 Millionen Dollar organisieren können. Wie bei anderen vielversprechenden Startups kommen Ihre Investorinnen und Investoren aus dem Ausland, nämlich aus den USA und aus EU-Ländern. Gibt es Überlegung, näher zu diesen hinzuziehen?

In der Schweiz ist finanzielle Unterstützung in der Frühphase, beispielsweise in Form von Startkapital, weit verbreitet. Wachstumskapital in späteren Phasen ist jedoch viel seltener.

In unserem Fall kommen die meisten unserer derzeitigen Investorinnen und Investoren aus dem Ausland. Bei unserer letzten Finanzierungsrunde, bei der 65 Millionen Dollar organisiert wurden, waren die Hauptinvestoren Sofinnovaa Partners mit Niederlassungen in Paris, Mailand und London und Earlybird Venture Capital mit Niederlassungen in Berlin, London, Mailand und München.

Im Allgemeinen schätzen internationale Investorinnen und Investoren die Schweiz in Bezug auf Zuverlässigkeit und Innovation positiv ein. Sie drängen Unternehmen nicht systematisch zur Verlagerung ihres Standorts.

Wir haben uns jedoch entschlossen, eine Tochtergesellschaft in San Diego zu gründen, um näher am US-Markt, an erfahrenen Biotech-Unternehmen und an US-Investorinnen und -Investoren zu sein.

Entscheidend ist der letzte Punkt: Amerikanische Investorinnen und Investoren haben in der Regel eine hohe Risikobereitschaft und sind offen für mutige Ideen.

Die Markteinführung eines neuen Medikaments kostet in der Regel rund eine Milliarde US-Dollar. Dies ist vor allem auf die sehr teuren und umfangreichen klinischen Studien der Phase 3 zurückzuführen. Wie wollen Sie das finanzieren?

In der Tat wird in Zukunft ein erheblicher Finanzierungsbedarf bestehen. Wir planen, Anfang nächsten Jahres mit der ersten Phase der klinischen Studien für unser Hauptprodukt zu beginnen, um unmittelbar die Sicherheit und erste Anzeichen der Wirksamkeit nachzuweisen.

Wenn uns dies gelingt, sollten sich mehrere Finanzierungsmöglichkeiten eröffnen, darunter Wachstumsfonds, Partnerschaften mit grossen Pharmaunternehmen oder ein Börsengang (IPO), wahrscheinlich an der Nasdaq in New York.

Unsere Auszeichnungen, besonders unsere Ernennung zum Technology Pioneer durch das Weltwirtschaftsforum (WEF), erhöhen unsere Sichtbarkeit und Glaubwürdigkeit und stärken damit unsere Position bei der Sicherung der notwendigen Finanzierung.

Grafik Haya
Kai Reusser / Swissinfo

Für ein Startup ist es sehr teuer, weltweit die Zulassungen der Behörden zu beantragen. Wo wollen Sie die Marktzulassung für Ihre Therapie als erstes beantragen?

Jedes Land hat seine eigenen regulatorischen Rahmenbedingungen. Es ist für ein Startup in der Tat zu kostspielig, alle gleichzeitig anzusprechen. Unsere derzeitige Priorität ist es deshalb, klinische Studien durchzuführen, die den Anforderungen der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) entsprechen, da die USA für uns der grösste Markt sind.

Wir streben eine effiziente Kapitalnutzung an. Daher erwägen wir, Teile unserer klinischen Studien in Ländern durchzuführen, die kostengünstiger sind und eine schnellere Rekrutierung von Patientinnen und Patienten ermöglichen.

So könnten wir unsere Entwicklungszeitpläne beschleunigen und gleichzeitig die regulatorischen Anforderungen einhalten.

Samir Ounzain, CEO of HAYA Therapeutics, is a molecular biologist with over 15 years of experience exploring the dark matter of the genome and its roles in development and disease.
«Unsere Therapien programmierbar und relativ einfach zu skalieren.» Thomas Kern / Swissinfo

Ihr Hauptprodukt, eine Therapie gegen Herzinsuffizienz, zielt auf einen sehr spezifischen Markt ab. Wollen Sie damit Ihre Erfolgschancen maximieren?

Diese Therapie stellt einen neuartigen Ansatz dar: die Behandlung von Zellen, die sich abnormal verhalten.

Wenn wir nachweisen können, dass die Modifizierung des Zellzustands positive Ergebnisse für diese Indikation liefert, können wir unsere Methodik auf eine Vielzahl häufiger, chronischer und altersbedingter Krankheiten wie Bluthochdruck, Stoffwechselstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Alzheimer und Krebs anwenden.

Die Entwicklung und Markteinführung von Medikamenten wird immer teurer. Wie wollen Sie sicherstellen, dass Patientinnen und Patienten Zugang zu Ihren Therapien erhalten?

Unser oberstes Ziel ist es, die ungedeckten Bedürfnisse von bis zu zehn Millionen Patientinnen und Patienten zu erfüllen. Das bedeutet, dass unsere Medikamente zu erschwinglichen Preisen angeboten werden müssen, unter anderem durch Erstattungsregelungen.

Wie bereits erwähnt, wollen wir verändern, wie die Branche an die Erforschung und Entwicklung von Medikamenten herangeht. Die von uns entwickelten Therapien auf RNA-Basis sind von Natur aus programmierbar und relativ einfach zu skalieren.

Die Herstellungs- und Gesamtkosten bleiben niedrig, was uns in unserer Überzeugung bestärkt, dass unsere Medikamente erschwinglich sein werden.

Editiert von Virginie Mangin/ts, Übertragung aus dem Französischen mithilfe von Deepl: Balz Rigendinger

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