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Schweizer Weltbürger hält in Singapur Hof

Dürrenmatt in Singapur: Erweiterung des Begriffs "Made in Switzerland". (Bild: swissfestival.com.sg) swissfestival.com.sg

Im Oktober wird Singapur, die "Schweiz Asiens", noch ein ganzes Stück helvetischer: Friedrich Dürrenmatt ist der Star eines Schweizer Festivals.

Unter dem Motto “Dürrenmatt – Swiss Citizen of the World” gibt es Theater, Filmaufführungen, einen Literaturwettbewerb, Musik und eine Dürrenmatt-Ausstellung.

Noch bis am 31. Oktober ist Singapur der Nabel der Dürrenmatt-Welt. Die Schweizer Botschaft in Singapur hat mit einheimischen Künstlern ein breitgefächertes Dürrenmatt-Festival auf die Beine gestellt.

Der Schweizer Botschafter Daniel Woker sagt gegenüber swissinfo: “Die Schweizer Botschaft ist in dieses Festival sehr direkt involviert. Wir haben es iniziiert und koordinieren es auch.”

Das Festival ist jedoch nicht bloss Import von Dürrenmatt-Anschauungs-Material aus der Schweiz. Woker: “Die Substanz ist singapuranisch.” Zwei professionelle singapuranische Theatergruppen führen den “Besuch der alten Dame” und die “Physiker” auf.

Gemeinsame Vorbereitungen

Vor einem Jahr sprachen die Leiter der beiden beteiligten Theater in der Schweizer Botschaft vor und baten um Beistand für Dürrenmatt-Aufführungen.

Botschafter Woker: “Sie erwarteten, dass man ihnen bei den Rechten für die Stücke helfen würde.” Im Verlauf der Gespräche erwuchs dann aber die Idee für dieses Festival.

Diese Idee erweiterte sich ständig. Das Festival findet nun an drei Orten statt: In den beiden Theatern, in denen “Der Besuch der Alten Dame” und “Die Physiker” aufgeführt werden und im “Arts House at the Old Parliament Building”.

Das Arts House ist erst seit einem halben Jahr geöffnet. Es war früher das “Bundeshaus” von Singapur. Parlament und die Regierungsspitze waren dort beheimatet. “Bis 1999 hatte der Premierminister dort sein Büro. Doch dann wurde es für die Regierung zu klein”, führt Woker weiter aus.

So übergab man es der Kunst. “Es ist so quasi ein Centre Pompidou en Miniature”, schmunzelt Woker. “Und vom 10. bis 31. Oktober können wir dieses Gebäude in ein Dürrenmatt-Haus umfunktionieren.”

Dürrenmatt total

Im Arts House wurde ein ganzer Saal auf “Dürrenmatt total” umgewandelt; mit Reproduktionen aus dem Centre Dürrenmatt in Neuenburg, Fotografien von Dürrenmatt, aber auch mit Skizzen des Centre Dürrenmatt-Architekten Mario Botta.

Die Festival-Macher legten grossen Wert auf Multikulturalität. So hält ein amerikanischer Schauspieler eine Lesung aus dem “Minotaurus” – In Englisch, of course!

Weiter gelangen durch singapuranische Musiker aufgeführte Ausschnitte aus der Oper “Der Besuch der alten Dame” mit der Musik von Gottfried von Einem zur Aufführung.

“Wir haben das Festival darauf angelegt, zu zeigen, was Dürrenmatt uns global zu sagen hat”, sagt Woker. “Wir wollen zeigen, wie die Singapuraner Dürrenmatt und seine Aussagen sehen.”

Filmfestival

Geplant war eigentlich ein ambitiöses Filmprogramm wie beim Filmfestival von Locarno 2003 mit seiner Dürrenmatt-Hommage. Es sollten ausschliesslich Filme gezeigt werden, die auf Dürrenmatt-Stoffen basieren.

Dies erwies sich jedoch als sehr schwierig. Einerseits weil die Rechte schwer erhältlich oder gewisse Filme fast nicht erhältlich sind.

“Und da haben wir einfach gewisse ‘Alltime Swiss Favorits’ beigefügt: ‘Die Schweizermacher’, ‘Ernstfall in Havanna’, ‘Mais im Bundeshuus'”, erklärt Daniel Woker die breit abgestützte Film-Palette. “Wir wollen damit verschiedenste Seiten und Aspekte der Schweiz zeigen.”

Nutzen für die Schweiz

Auf die Frage, was für einen Nutzen sich denn die offizielle Schweiz von diesem Anlass erhofft, antwortet der Botschafter: “Das liegt ganz auf der Linie unserer Chefin, Bundesrätin Micheline Calmy-Rey. Sie sagt, unsere Aussenpolitik sei auch eine kulturelle Aussenpolitik.”

Singapur sei für das Festival sehr geeignet, da es einerseits sehr weit fortgeschritten, klein und reich ist, andererseits aber ein Asien en Miniature, mit einem starken chinesischen, malaiischen, indischen und doch auch mit einem europäischen Einfluss.

“Von den Rassen und Kulturen her ist Singapur kein Schmelztiegel, aber ein interessantes Nebeneinander, das sich sehr gut verträgt” bringt es Woker auf den Punkt.

Geben und …

Für die Singapuraner sei die Schweiz eine Zeit lang ein Benchmark, ein Orientierungspunkt gewesen, erklärt der Schweizer Repräsentant. Sie wollten die Schweiz vor allem durch Wirtschaftsindikatoren ein- und überholen.

“Swiss Made” bedeute in Südostasien Präzision, sagt Woker. Schweizer Uhren seien in Singapur das stärkste Importprodukt. “Aber ‘Made in Switzerland’ bedeutet eben auch, dass wir einen weltweit so hoch angesehen Schriftsteller wie Friedrich Dürrenmatt haben.”

… Nehmen

Politische und kulturelle Beziehungen bestehen aus Geben und Nehmen. Was könnte die Schweiz von Singapur lernen?

Daniel Woker antwortet: “Dynamik, Innovation und Entscheidungs-Freudigkeit.” Der Weg zwischen dem Fällen eines Entscheids bis zu seiner Umsetzung sei in Singapur ungleich viel kürzer als in der Schweiz.

“Jedermann weiss ja, dass wir Schweizer uns manchmal bei der Umsetzung ein wenig schwer tun”, schliesst Woker.

swissinfo, Etienne Strebel

In Singapur leben rund 1400 Schweizer.
Über 250 Schweizer Firmen sind ansässig.
Singapur dient der Schweizer Wirtschaft als Sprungbrett in die starke Wachstumsregion Asien.
Bundesrat Pascal Couchepin hat im Juli in Singapur eine Wissenschafts- und Technologie-Botschaft eröffnet.

Singapur wurde 1819 als britische Handelskolonie gegründet.

1963 trat Singapur der Malayischen Föderation bei, die es 1965 wieder verliess und unabhängig wurde.

In der Folge wurde Singapur zu einem Land mit einem sehr starken Wirtschafts-Wachstum und mit einem Lebensstandard wie die führenden Länder Westeuropas.

Singapur befindet sich auf Inseln zwischen Malaysia und Indonesien.

Fläche: 692.7 km2

Bevölkerung: rund 4,354 Mio.

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